Die Anklägerin konterte McMahons Argumentation, indem sie Christophers Boss Jaesa Phang in den Zeugenstand rief. Phang berichtete zunächst vom Morgen nach der Tatnacht. Christopher habe ihr erzählt, dass eine etwa 45 Jahre alte Frau in der Gasse hinter dem Fischgeschäft ermordet worden sei. Aber zu diesem Zeitpunkt hatten die Ermittler noch gar keine Details zu dem Verbrechen an Außenstehende herausgegeben.
Phang berichtete von einem weiteren seltsamen Satz, den Christopher wenige Tage nach dem Mord gegenüber ihr aussprach: „Vielleicht habe ich sie getötet.“ Obwohl er die Bemerkung schnell wieder herunterspielen wollte, konnte sich Phang noch sehr gut daran erinnern. Darüber hinaus schien sich aus ihrer Sicht Christopher besonders intensiv für das Verbrechen zu interessieren. Er hatte sogar mit Gesten vorgemacht, wie der Täter das Opfer aufgeschlitzt habe.
Zudem bezeugte Phang am 3. Dezember vor Gericht, dass Christopher ihr etwa fünf Tage nach dem Mord berichtet habe, nachts nicht gut schlafen zu können, weil er „Zeuge eines Mordes“ gewesen sei. Er habe sehr aufgeregt gesprochen und er schien sehr mitgenommen zu sein. Er habe erzählt, er habe Angst vor einem weißen Mann, den er nachts auf der Straße beobachtet habe. Er fürchte, der Mann könnte der Täter gewesen sein. Und er könnte sich seiner erinnern und ihn als lästigen Zeugen beseitigen wollen. Am nächsten Tag wurde Christopher verhaftet.
Weitere Zeugen
Die Zeugin Emma Leigh sagte aus, dass sie gegen 1.00 Uhr morgens in der Hintergasse unterwegs gewesen sei. In diesem Moment habe sie die Schreie einer Frau gehört. Sie eilte zur Straße zurück, ohne etwas Konkretes gesehen zu haben. Sie stieg anschließend zu einem Freier ins Auto und verließ den Schauplatz des Verbrechens.
Die nächste Zeugin Linda Washington behauptete, Christopher beim Verlassen der Gasse beobachtet zu haben. Er habe ein Hemd über dem Arm getragen. An der Hüfte habe er ein Messer in einer Scheide getragen.
Als Beweismittel präsentierte die Anklage zudem einen winzigen Blutfleck auf Christophers Hose, der vom Opfer stammen sollte. Die Blutmenge war jedoch zu gering, um mit den damaligen Möglichkeiten eine DNA-Analyse durchzuführen. Die Polizei hatte zudem in einer Einfahrt neben dem Wohnhaus von Christopher ein blutbeflecktes Hemd sichergestellt, das Blutgruppe 0 entsprach. Dowd hatte die gleiche Blutgruppe.
Beweisaufnahme nach wenigen Tagen beendet
Die Beweisaufnahme war nach wenigen Tagen beendet. Die Schlussplädoyers wurden bereits am 11. Dezember verlesen. Staatsanwältin Rubino verteidigte ihre Belastungszeuginnen. Natürlich hatten mehrere von ihnen ein Vorstrafenregister. Doch welches konkrete Motiv hätten die Zeuginnen in diesem Fall gehabt zu lügen? Sie hätten sich dadurch doch keinerlei Vorteil verschaffen können. Man müsse deshalb im Umkehrschluss davon ausgehen, dass sie die Wahrheit gesagt hatten.
Rubino schloss ihr Plädoyer mit einem emotionalen Appell an die Geschworenen. Sie sollten darüber nachdenken, was der Täter Carol Dowd angetan hatte, als er sie mit einem Messer angriff und bestialisch aufschlitzte. Carol Dowd habe gewusst, dass sie sterben musste, und habe Todesängste durchlebt. Die Schnitte an ihren Händen sprachen eine beredte Sprache von ihrem verzweifelten Todeskampf. Sollte nun ihr mutmaßlicher Mörder einfach so davonkommen?
Schuldig
Die Geschworenen zogen sich vier Stunden zur Beratung zurück. Am 12. Dezember sprachen sie Leonard Christopher des Mordes an Carol Dowd schuldig. Christopher zeigte keine sichtbare Reaktion auf den Urteilsspruch. Lediglich sein Verteidiger schüttelte ungläubig den Kopf. Die Staatsanwältin beantragte die Todesstrafe. Das Geschichte verurteilte Christopher stattdessen zu lebenslanger Haft.
Ungereimtheiten
Das Ergebnis des Prozesses und der Ermittlungen bleiben unbefriedigend. Die Beamten konnten niemals überzeugende Beweise präsentieren, die Christopher auch nur annähernd mit den anderen Morden in Verbindung brachten. Dagegen standen die anderen Zeugenaussagen im Mordfall Dowd. Insbesondere die Aussage seiner Chefin Phang war wohl für den Prozessausgang entscheidend.
Konnte es sein, dass Christopher die ungeklärte Mordserie als eine Art Vorlage für seine eigene Tat benutzt hatte, um so die Schuld auf das anonyme Phantom abzuwälzen? Oder gab es in Wahrheit gar keine Mordserie, sondern bloß neun unabhängige Morde, die zufälligerweise alle mit einem Messer in der gleichen Gegend verübt wurden?
Kurzum: Sieben oder acht Morde, je nach Zählung, sind bis heute ungeklärt geblieben. Christopher verbüßt nach wie vor seine Strafe wegen des Mordes an Dowd. So viel steht auch fest: Seit 1990 hat es keinen weiteren Mord in Frankford gegeben, der den Tatumständen der Mordserie ähnelte.
Das geschlossene Fischgeschäft, in dem Leonard Christopher einst arbeitete
Den Fischladen, in dem Leonard Christopher arbeitete, gibt es im Übrigen heute noch. Allerdings steht er inzwischen seit Jahren leer. Ein späterer Besitzer namens Young Hwa Bang wurde 2005 tot in der Wohnung über dem Ladenlokal aufgefunden. Der 39-jährige hatte das Geschäft erst ein Jahr zuvor von Jaesa Phang übernommen. Man fand ihn erdrosselt mit einem Elektrokabel vor. Zudem wies sein Körper zahlreiche Stichwunden auf. Frankford blieb auch lange nach dem Verschwinden des mysteriösen Frankford Slasher ein gefährliches Pflaster.
Mögliche Opfer des Frankford Slasher:
- Helen Patent (52), ermordet am 26. August 1985
- Anna Carroll (68), ermordet an 3. Januar 1986
- Suzanna Olszef (64), ermordet am 25. Dezember 1986
- Jeanne Durkin (28), ermordet an 8. Januar 1987
- Catherine M. Jones (29), ermordet am 29. Januar 1987
- Margaret Vaughan (66), ermordet am 10. November 1988
- Theresa Sciortino (30), ermordet am 19. Januar 1989
- Carol Dowd (46), ermordet am 29. April 1990
- Michelle Martin (30), ermordet am 6. September 1990
Kompliment zu der detaillierten Zusammenfassung, sehr informativ. Unbefriedigend, dass sich die Staatsanwaltschaft und Polizei einen eventuell unschuldigen Sündenbock suchten, und deshalb mindestens 8 Morde nicht aufgeklärt wurden. Wenn es eine Serie war, dann ist der Mörder vielleicht einfach umgezogen und hat an einem anderen Ort weitergemacht. Oder starb. Oder hörte auf.
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung! Das sehe ich ähnlich wie Sie.
Herzliche Grüße
Richard Deis