(4) Gute Polizeiarbeit

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Auf dem Briefumschlag war ein kleines sechseckiges Emblem eingeprägt. Am Rand des Hexagons waren die Buchstaben N.Y.P.C.B.A. zu erkennen. William King schlug im Telefonbuch nach. Das Kürzel stand für die New York Private Chauffeur’s Benevolent Association, eine Taxifahrerorganisation.

William King nahm Kontakt zu der Organisation auf. Die Beamten überprüften zunächst die handschriftlich ausgefüllten Mitgliederformulare. Keines der Schriftbilder ähnelte dem des Telegramms. William King berief daraufhin eine Mitgliederversammlung ein. Vielleicht hatte einer von ihnen Briefpapier und Umschläge der Organisation für private Zwecke abgezweigt und an Freunde oder Bekannte weitergegeben. Er sicherte den Mitgliedern volle Diskretion zu. Er sei lediglich an Informationen interessiert und habe nicht vor, jemanden bloßzustellen.

Nach dem Treffen meldete sich tatsächlich ein junger Mann bei King. Er war als Hausmeister für den Verein tätig und gab zu, dass er sich heimlich einige Briefbögen und Kuverts eingesteckt habe. Er habe die Papiere jedoch unbenutzt in seinem früheren Zimmer zurückgelassen, in dem er zur Untermiete gewohnt habe.

Der Untermieter

Die Polizei stattete dem Haus 200 East 52nd Street einen Besuch ab. Die Vermieterin musste sich erst einmal setzen, als die Beamten ihr den angeblichen Frank Howard beschrieben, dessen Spur sie verfolgten. Die Beschreibung klang ganz nach dem alten Mann, der zwei Monate lang ihr Untermieter gewesen war. Er habe ihr gegenüber den Namen Albert H. Fish angegeben. Doch Fish alias Howard sei vor wenigen Tagen ausgezogen.

Der Vermieterin fiel ein, dass der freundliche ältere Herr sie um einen Gefallen gebeten habe. Er habe noch einen Brief von einem seiner Söhne erwartet. Der Junge arbeite in North Carolina für das Civilian Conservation Corps, eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in der Ära der Großen Depression. Albert Fish habe sie gebeten, den Brief für ihn aufzubewahren, bis er ihn abholen käme. Der Sohn habe dem Vater regelmäßig Geld geschickt.

William King erkundigte sich bei der für die 52nd Street zuständigen Poststelle. Ein Schalterbeamter konnte sich erinnern, dass bei ihm ein gewisser Albert Fish vorstellig geworden war. Er habe beantragt, an ihn adressierte Schreiben zurückzulegen. Der Postbeamte konnte sich jedoch nicht erinnern, wann genau Fish das letzte Mal erschienen sei.

Detective King befürchtete, dass der Tatverdächtige seinen Brief bereits erhalten und somit kein Motiv mehr hatte, zu seiner früheren Vermieterin zurückzukehren. Auch diese vielversprechende Spur würde sich womöglich wieder als Sackgasse entpuppen. Auf dieser Untersuchung lag ein Fluch.

Festnahme

Doch dieses eine Mal hatte das Schicksal ein Einsehen. Am 13. Dezember 1934 rief die Vermieterin in William Kings Büro an. Sie erzählte ihm aufgeregt, Albert Fish sei bei ihr aufgetaucht und habe sich nach dem Brief erkundigt. Sie habe ihn auf eine Tasse eingeladen und versuche ihn hinzuhalten.

William King eilte in die 52nd Street. Der alte Mann mit dem grauen Schnäuzer saß noch am Küchentisch. Als der Detective den Raum betrat, erhob er sich und nickte. King fragte ihn, ob er Albert Fish sei. Plötzlich griff der gebrechlich wirkende Alte in seine Jackentasche, zog blitzschnell ein Rasiermesser hervor und stürzte sich auf den Polizeibeamten. King packte Fish am Unterarm und verdrehte ihm das Handgelenk, bis es knackte. Die Waffe fiel zu Boden, die Handschellen klickten.

Es war gute Polizeiarbeit, die Detective William King da geleistet hatte. Er hatte einen Fall gelöst, der praktisch nicht zu lösen war. Und es war ihm gleichzeitig gelungen, damit einen der übelsten Verbrecher der Kriminalgeschichte endgültig aus dem Verkehr zu ziehen.

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William King wird für seinen Fahndungserfolg ausgezeichnet. Rechts New Yorks Bürgermeister Fiorello LaGuardia.

 

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