Der Tag, als Jimmy Hoffa verschwand

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Was ist mit der Leiche von Jimmy Hoffa geschehen?

Manchmal beschleicht einen das Gefühl, dass die Suche nach Jimmy Hoffas Leiche inzwischen nur noch als Running Gag für Spielfilme und Fernsehserien taugt. Selbst die eigentliche Ermittlungsarbeit verkommt mitunter zum Klamauk. Ein Beispiel: 2006 meldete sich der 75-jährige Donovan Wells bei den Behörden. Der Mann war für die Polizei kein unbeschriebenes Blatt. Er hatte einige Vorstrafen wegen Handels mit Marihuana.

Wells behauptete, Mitte der 1970er beobachtet zu haben, wie mehrere Männer den Leichnam von Jimmy Hoffa auf einer Pferdefarm namens »Hidden Dreams« vergraben hätten. Der Hof befand sich in Milford, Michigan, und gehörte 1975 einem gewissen Rolland McMaster, der einst ein wichtiger Mitarbeiter von Hoffa war. Nur aus diesem Grund nahm die Polizei den Hinweis überhaupt ernst. Das Farmgelände war 32 Hektar groß. Die Ermittler wussten gar nicht, wo sie zu graben anfangen sollten. Sie taten es dennoch, rissen unter anderem auch eine Scheune ab. Am Ende blieb die Suche erfolglos.

Die Polizei reißt die Scheune auf der Pferdefarm in Milford ab, 24. Mai 2006

 

Während ein großes Polizeiaufgebot das Gelände beackerte, entwickelte sich das Drumherum zum Medienspektakel. Hunderte Journalisten berichteten live vom vermeintlichen Fundort. Über dem Areal kreisten die Hubschrauber wie die Geier. Direkt neben dem Grundstück errichteten fliegende Händler ihre Stände. Sie drehten den neugierigen Gaffern, die sich eingestellt hatten, »Hoffa-Burger« an oder T-Shirts und Kaffeetassen mit Hoffas Konterfei und jeder Menge blöder Sprüche. Das Ganze ähnelte mehr einem Volksfest als einer Polizeiuntersuchung.

Die Fallakte ist noch offen

So erhalten die Ermittlungsbehörden bis heute zwar eine Vielzahl an Hinweisen auf den Verbleib von Jimmy Hoffa, aber bei etlichen davon stellt sich von vorneherein die Frage, ob sich die Leute nicht bloß ein Späßchen mit der Polizei erlauben. Insbesondere Knastinsassen scheint der Gedanke zu beglücken, den Beamten irgendwelchen Blödsinn zu verzapfen und dann zuzusehen, wie eine Armada von Polizisten auf Händen und Knien in der Pampa herumkriecht.

Dabei nimmt das FBI den Fall nach wie vor ernst, obwohl Jimmy Hoffa bereits 1982 offiziell für tot erklärt wurde. Im FBI-Büro von Detroit ist immer noch ein Agent dem Fall zugeteilt, der allen neuen Hinweisen akribisch nachgeht. Die letzte große Suchaktion fand beispielsweise im Juni 2013 statt. Die Akten des FBI im Vermisstenfall Jimmy Hoffa umfassen mittlerweile stolze 16.000 Seiten. Die Daten stammen vorwiegend aus Zeugenbefragungen, Abhörmaßnahmen und Observationen im Mafiaumfeld.

Die Aussage von Frank Sheeran zum Verbleib von Hoffa war für das FBI selbstverständlich von besonderem Interesse. Schließlich galt Sheeran nach den Erkenntnissen der Ermittlungsbehörde als unmittelbarer Tatbeteiligter. Kurz vor seinem Tod hatte Frank Sheeran konkrete Angaben zum Tatort gemacht und die Adresse des Hauses, in dem Hoffa höchstwahrscheinlich erschossen wurde, bekannt gegeben. Agenten des FBI suchten 2004 in dem Gebäude nach Spuren. Das Ergebnis ist nicht bekannt. Aber man darf wohl annehmen, dass die Ermittler sich an die Öffentlichkeit gewandt hätten, wenn man fündig geworden wäre.

In der Schrottpresse

Der FBI-Informant Ralph Picardo, der den Behörden 1975 den ersten Hinweis auf die Mordverschwörung lieferte, hatte gehört, dass man Hoffas Leiche in einem Ölfass abtransportiert habe. Das Fass sei am Ende auf einer Giftmülldeponie in Jersey City gelandet. Die Polizei hatte Ähnliches verlauten hören, als sie den großen Lauschangriff auf diverse Mafiagrößen unternahm. Man habe Hoffas Leiche in einem Ölfass nach Dearborn in Detroit geschafft. Dort sei die Tonne in einer Schrottpresse von Ford gelandet. Salvatore »Bill« Bonnano, Sohn des berühmten New Yorker Mafiabosses Joseph Bonnano, erzählte in seinem Buch »Bound by Honor« eine weitere Variante dieser Geschichte. Demnach hätten die Mörder Hoffas Leiche in den Kofferraum eines gestohlenen Fahrzeugs deponiert und den Wagen zur Schrottverwertung gegeben.

Zu Pulver zermahlen

Das FBI wiederum ging lange davon aus, dass Hoffas Leichnam in einer Fabrik geendet war, die sich auf die chemische Beseitigung von Fettrückständen spezialisiert hatte – die letzte Ölung im wortwörtlichen Sinne quasi. Aber bevor die Agenten den fraglichen Betrieb untersuchen konnten, fackelte das Fabrikgebäude unter nicht geklärten Umständen ab. Charles Allen, ein ehemaliger Mithäftling von Jimmy Hoffa, modifizierte diese Story und behauptete 1982, man habe Hoffas pulverisierte Überreste in einem Sumpfgebiet in Florida zerstreut.

In Beton gegossen

Wo die Mafia ist, ist der Beton nie fern. Logisch, dass Hoffas Leiche häufiger als unfreiwilliges Fundament eines Neubaus herhalten musste. Die bekannteste Geschichte geht auf den Auftragskiller Donald Frankos zurück, besser bekannt unter seinem Künstlernamen »Tony the Greek«. Wem vertraut so ein Killer seine düstersten Geheimnisse an? Richtig, dem »Playboy«. 1989 war dort zu lesen, dass Hoffa heute Teil der Stadiontribüne der New York Giants sei. Das Stadion des Footballteams entstand Mitte der 1970er in Rutherford, New Jersey. Seine Mörder hätten dafür gesorgt, dass Hoffa besten Blick auf das Spielgeschehen genieße – er liege auf Höhe der Touchdown-Linie.

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Donald Frankos, 1984

Richard C. Powell

Da klingt die Geschichte, dass die Killer Hoffas Leichnam in der Kiesgrube seines Bruders William in Highland (Michigan) entsorgt hätten, doch schon weitaus profaner. Ebenso schmucklos kommt das Geständnis des wegen Mordes verurteilten Gefängnisinsassen Richard C. Powell daher. 2003 behauptete er, er habe Jimmy Hoffa vom Restaurantparkplatz zum Au Sable River in die Nähe von Oscoda gebracht. Zunächst habe man Hoffa im Wagen eine Spritze verpasst und betäubt, dann seinen Körper mit Steinen beschwert und im Fluss versenkt.

Die Behörden schenkten Powells Erzählung zunächst durchaus Glauben. Denn seine Angaben hatten in einem anderen Mordfall zum Fund einer Leiche geführt, die seit 30 Jahren als vermisst galt. Um seine Behauptung belegen zu können, verriet Richard C. Powell den Polizisten das Versteck, in dem angeblich die Brieftasche von Hoffa und die Injektionsnadel, mit der man ihn außer Gefecht setzte, zu finden sei. Die Beamten fanden nichts dergleichen.

Richard Kuklinski

Noch ein weiterer verurteilter Mörder meldete sich im Fall Jimmy Hoffa zu Wort. Richard »The Iceman« Kuklinksi äußerte, die Mafia habe ihm 40.000 Dollar für die Ermordung Hoffas angeboten. Er habe den ehemaligen Gewerkschaftsboss mit einem Jagdmesser getötet und den Leichnam verbrannt. Die Überreste habe er in einem Ölfass zu einer Mülldeponie gefahren und dort vergraben. Dann habe ein Mitwisser zu plaudern begonnen. Da habe man das Fass mit der Leiche wieder ausgebuddelt und zur Schrottpresse geschafft. Der Schrott sei nach Japan gelangt und dort eingeschmolzen worden. Das Metall habe man dort für den Bau neuer Autos verwendet.

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Richard Kuklinski, 1988

Interessante Geschichte, die allerdings einen Haken hat. Richard Kuklinski war eigentlich ein verurteilter Serienmörder, dem die Ermittler fünf Morde nachgewiesen hatten. Als er dann seine Gefängnisstrafe absaß, behauptete er plötzlich, zwischen 100 und 250 Menschen im Auftrag der Mafia umgebracht zu haben. Die Medien waren begeistert. Es entstanden in der Folge drei Bücher, drei Dokumentarfilme und ein Spielfilm, die auf den Erzählungen von Kuklinski basierten. Richard Kuklinsi hatte auch nachweislich Kontakte zum organisierten Verbrechen unterhalten. Aber kein einziges Mafiamitglied, in dessen Auftrag Kuklinski angeblich getötet haben wollte, hat jemals irgendeine seiner Storys bestätigt. Selbst die nicht, die ihr Schweigen gebrochen hatten und vor der Polizei Interna der Cosa Nostra ausplauderten.

Bodenproben

Im September 2012 kündigte die Polizei von Roseville im Bundesstaat Michigan an, dass sie in den Vororten von Detroit auf einen interessanten Hinweis gestoßen seien. Ein Zeuge, der in der Nachbarschaft lebte, habe sich bei ihnen gemeldet. Der Zeuge glaube sich zu erinnern, im Jahre 1975, etwa zum Zeitpunkt des Verschwindens Hoffas, die Beseitigung einer Leiche beobachtet zu haben. Die Ermittlungen ergaben, dass das Grundstück 1975 einem bekannten Zocker mit Verbindungen zur örtlichen Mafia gehörte.

Polizei und Journalisten in der fraglichen Einfahrt in Roseville am 28. September 2012

 

Die Polizei entnahm am 28. September 2012 Bodenproben an einer Zufahrt zu einem Lagerschuppen, unter der die Leiche Hoffas angeblich verscharrt war. Anschließend schickten die Beamten die Proben an forensische Anthropologen der Michigan State University. Die konnten allerdings keinerlei Rückstände feststellen, die auf menschlichen Ursprung hindeuteten.

Letzte heiße Spur

Die vorerst letzte vermeintlich heiße Spur ergab sich im Januar 2013. Der Hinweis stammte von Tony Zerilli, der ein hohes Tier der Detroiter Mafia war. Er berichtete, dass man Jimmy Hoffa seinerzeit auf einem Acker im nördlichen Teil des Oakland County notdürftig vergraben habe, etwa dreißig Kilometer entfernt vom Restaurant. Der Plan sei gewesen, zu einem späteren Zeitpunkt zu der Stelle zurückzukehren, die Leiche zu bergen und zu einem sicheren Versteck zu bringen. Den Plan hätten die Verantwortlichen für das Komplott allerdings aufgegeben, sodass Hoffas Leiche immer noch an dem Platz liegen müsse.

Zerilli stritt allerdings ab, irgendetwas mit dem Mord zu tun zu haben. Er kenne die Details nur aus Gesprächen – der übliche Tratsch unter Mafiabossen halt. Das FBI durchkämmte daraufhin am 17. Juni 2013 ein Grundstück, dass dem Detroiter Mafiaboss Jack Tocco gehörte. Nach drei Tagen intensiven Grabens brach das FBI die Suche ergebnislos ab.

Somit ist der Fall Hoffa zwar einerseits aller Wahrscheinlichkeit nach gelöst, aber das letzte Puzzlestück fehlt immer noch. Die Täter haben Jimmy Hoffa vielleicht in dem Glauben getötet, damit einen mächtigen Gegenspieler ein für allemal auszuschalten. Doch das Schicksal hatte andere Pläne. Hoffas einstige Konkurrenten haben längst ihre Macht eingebüßt. Hoffas Sohn James Hoffa Jr. hingegen hat das Erbe seines Vaters angetreten und ist seit 1999 Vorstand der nach wie vor einflussreichen Transportarbeitergewerkschaft. Der König ist tot – lang lebe der König.

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