Ted Bundy – Der Campus Killer

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Eine routinemäßige Verkehrskontrolle im August 1975 in den Randbezirken von Salt Lake City. Der Fahrer eines VW-Käfers ignoriert die Signale des Beamten der Utah Highway Patrol, rechts ranzufahren. Der Verkehrspolizist setzt dem Käfer nach und verhaftet den Fahrer. Als er das Innere des Wagens überprüft, fallen ihm einige Merkwürdigkeiten auf.

Der Beifahrersitz zum Beispiel fehlt komplett. Auf der Rückbank liegen einige verdächtige Gegenstände herum. Eine Skimaske. Eine zweite Maske aus einer Strumpfhose. Ein Brecheisen. Handschellen. Müllsäcke. Eine Rolle Seil. Ein Eispickel. Das Handwerkzeug eines Räubers oder Einbrechers, denkt sich der Streifenbeamte.

Auch Polizisten können mitunter irren, um Ede Zimmermann zu zitieren. Denn in Wahrheit ist dem Verkehrspolizisten gerade einer der gefährlichsten Verbrecher der Kriminalgeschichte ins Netz gegangen: Theodor Robert Bundy genannt Ted Bundy. Bis heute der Inbegriff des Serienmörders.

Spektakuläre Flucht

Die Ermittlungen der Kriminalpolizei in Utah ergaben dann auch rasch, dass der Verhaftete vermutlich für mehrere ungeklärte Mordserien in den Bundesstaaten Washington, Oregon, Colorado und schließlich Utah verantwortlich war. Die Polizei konnte zum damaligen Zeitpunkt noch nicht konkret benennen, wie groß die Zahl der Mordopfer war. Die Beamten ahnten bloß, dass es verflucht viele sein mussten.

Und es sollten noch weitere folgen. Während man ihm in Utah den Prozess machte, unternahm Ted Bundy zwei Fluchtversuche. Der letztere von beiden war an Silvester 1977 erfolgreich. Er hatte im Gefängnis einen genauen Fluchtplan ausgetüftelt. Wohin er fliehen wollte. Wie er fliehen wollte. Und wie er sich eine neue Identität schaffen konnte. Sein Fluchtziel war Tallahassee in Florida.

Der Plan ging perfekt auf – von einem Detail abgesehen. Ted Bundy hatte sich vorgenommen, fortan ein völlig unauffälliges, gesetzestreues Leben zu führen. Die würden ihn nie kriegen, so Bundys Kalkül. Seine Vorsätze währten gerade einmal vierzehn Tage. Dann mordete er in einer Nacht zwei Frauen. Als er einen Monat später ein 12-jähriges Mädchen tötete und versuchte, aus Florida zu fliehen, geriet er erneut an einen Verkehrspolizisten. Die waren irgendwie sein Schicksal. Ted Bundy wanderte wieder ins Gefängnis, dieses Mal für immer.

Amerikas schlimmster Albtraum

Ted Bundy war so etwas wie Amerikas schlimmster Albtraum. Überdurchschnittlich intelligent, Akademiker, überzeugter Republikaner, gut aussehend und charismatisch. Mit anderen Worten: Der perfekte Schwiegersohn. Der vermeintlich perfekte Schwiegersohn zog es aber vor, die attraktiven, gebildeten Töchter aus der weißen Mittelschicht zu vergewaltigen und reihenweise zu töten, statt sie zu heiraten. Wenn sich schon jemand wie Ted Bundy als eiskalter Killer entpuppte, wem konnte man dann überhaupt noch trauen auf dieser Welt?

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Ted Bundy nutzte sein gutes Aussehen, seine Wandlungsfähigkeit und sein Geschick im Umgang mit Menschen, um sich das Vertrauen seiner Opfer zu erschleichen. Er näherte sich ihnen als freundlicher Fremder an öffentlichen, teils sehr belebten Plätzen und quatschte sie an. Meist täuschte er Verletzungen oder Behinderungen vor und bat um Hilfe. Manchmal schlüpfte er in die Rolle einer Autoritätsperson, etwa eines Polizisten oder Feuerwehrmanns, um die Frauen an einsame Orte zu locken, an denen es keine Zeugen gab.

Hinterrücks

Hatte er die arglosen Frauen in der Falle, schlug er plötzlich hinterrücks auf sie ein, bis sie bewusstlos zu Boden sanken. Ted Bundy zerrte ihre Körper in seinen Wagen und verschleppte sie anschließend in entlegene Waldgebiete. Bei einigen Gelegenheiten brach er nachts einfach in die Wohnungen seiner Opfer ein und erschlug die Frauen im Bett.

Die abgelegenen Leichenverstecke suchte Ted Bundy wieder und wieder auf. Oft verbrachte er dort Stunden und schändete die Leichname seiner Opfer, bis die Fäulnis und aasfressende Wildtiere dem ein Ende setzten. Mindestens zwölf seiner Opfer enthauptete er. Die abgetrennten Köpfe bewahrte er für eine Weile in seiner Wohnung auf. Die Andenken eines Serienkillers.

Ted Bundy als sein eigener Verteidiger vor Gericht

Ted Bundy wurde nach seiner Verhaftung nicht erneut in Utah vor Gericht gebracht. Der Prozess fand in Florida statt und beinhaltete nur Morde, die er in diesem Bundesstaat verübt hatte. Während des Gerichtsverfahrens verteidigte sich Ted Bundy selbst. Eine gewisse juristische Vorbildung besaß er ja. Nach dem Abschluss eines Psychologiestudiums hatte er ein Studium der Rechtswissenschaft begonnen. Aber natürlich qualifizierte ihn das nicht, in einem Mordprozess die Rolle des Anwalts zu übernehmen.

Ted Bundy lernte diese Lektion auf die harte Tour, als die Geschworenen den aus ihrer Sicht überheblichen Selbstdarsteller, der den Gerichtssaal in einen Zirkus verwandelte, humorlos zum Tode verurteilten. Doch selbst wenn er vor Prozessbeginn um das Ergebnis gewusst hätte, hätte das vermutlich kaum etwas an seinem Auftritt als Verteidiger in eigener Sache geändert. Denn Ted Bundy ging es in erster Linie immer um Kontrolle und Macht. So auch vor Gericht.

Gewaltiger Medienhype

Zudem zog das Verfahren ein gewaltiges Medieninteresse nach sich. 250 Journalisten aus aller Welt verfolgten das Prozessgeschehen im Gerichtssaal. Der Bundy-Prozess war die erste Gerichtsverhandlung überhaupt, die landesweit live im Fernsehen übertragen wurde. Ein Faktor, der ganz wesentlich zum Bekanntheitsgrad von Ted Bundy beigetragen hat und bis heute nachwirkt. Und Bundy genoss es sichtlich, im Mittelpunkt dieser Aufmerksamkeit zu stehen.

Nach seiner Verurteilung war es damit schlagartig vorbei. Ted Bundy sann nach neuen Wegen, das Interesse wieder auf sich zu ziehen. So plante er ernsthaft, sich als eine Art Berater für die Polizei zu etablieren. Die USA wurden von immer mehr Mordserien überrollt. Da konnte er mit Expertenwissen dienen, um die Täter zu schnappen. Er erhoffte sich, dass er sich damit unersetzlich machte und die Hinrichtung auf unbestimmte Zeit verschoben würde.

Ted Bundy jagt den Green River Killer

Tatsächlich bat die Green River Task Force, die Mitte der 1980er einen besonders üblen Burschen jagte, Ted Bundy um Unterstützung. Der Green River Killer operierte im Großraum Seattle in einem Gebiet, das Bundy von seinen eigenen Verbrechen hervorragend kannte. Bundys Beratung führte zwar nicht zur Verhaftung des Täters. Dennoch stimmte das Profil des Mörders, das Ted Bundy vom Green River Killer fertigte, in vielen Punkten mit der Realität überein, wie sich erst knapp zwanzig Jahre später herausstellen sollte. Die Polizei nahm jedoch Abstand davon, ihn als eine Art freischaffenden Profiler zu beschäftigen.

Geständnisse

Seine letzte Trumpfkarte spielte Ted Bundy kurz vor dem anberaumten Termin seiner Hinrichtung aus. Seit seiner Verhaftung hatte er hartnäckig geleugnet, eines der Verbrechen, die man ihm zur Last legte, begangen zu haben. Durch ein umfassendes Geständnis wollte er die Vollstreckung des Todesurteils nochmals hinauszögern. Er wusste, dass den Kriminalbeamten noch viele Fragen unter den Nägeln brannten. Da gab es ungeklärte Mordfälle, bei denen nicht zweifelsfrei feststand, ob Bundy wirklich der Täter war. Oder vermisste Frauen, deren Leichen man bisher nicht gefunden hatte.

Ted Bundy gestand ein, zwischen 1974 und 1978 insgesamt 31 Morde in sieben verschiedenen Bundesstaaten begangen zu haben. Obwohl die Ermittler nun in vielen Fällen endlich Gewissheit erlangten, bezweifelten sie, dass Bundy wirklich mit der vollen Wahrheit rausgerückt war. Viele Beamte sind nach wie vor überzeugt, dass die wirkliche Opferzahl weitaus höher liegt.

Rechtsanwältin Polly Nelson, die bei seinem zweiten Prozess zum Verteidigerteam gehörte, schrieb in ihrem Buch, dass Ted Bundy für sie das personifizierte Böse schlechthin sei. Bundy bezeichnete sich selbst mal als den »kaltblütigsten Mistkerl, auf den Sie treffen können.« Am 24. Januar 1989 bog dieser kaltblütige Mistkerl auf die Zielgerade ein. Ted Bundy starb auf dem elektrischen Stuhl in Starke, Florida.

weiter zu —> (2) Lynda Ann Healy

2 Kommentare

  1. Hallo Herr Deis,
    Erstmal ein Riesen Lob für Ihre Seite. Die Fälle werden sehr spannend präsentiert und sind auch sehr informativ. Ihre Bücher haben mir auch sehr gut gefallen, vorallem die Todesmeile.
    Soweit ich es der Seite entnehmen kann haben sie angefangen ein Buch über David Berkowitz zu schreiben und wollten auch eines über Ted Bundy verfassen. Kann man den bald mit einer Veröffentlichung rechnen?

    Mit freundlichen Grüßen

    • Hallo Fabian,

      ups! Ja, stimmt, da stehen auf meiner Richard Deis-Seite noch ein paar Ankündigungen, die inzwischen etwas überholt sind. Müsste ich bei Gelegenheit mal entsprechend abändern bzw. rausnehmen.

      Das Buch über David Berkowitz ist sogar schon zu 60-70 % fertig – aber dies bereits seit vier Jahren und seitdem habe ich daran nicht mehr gearbeitet. Damals haben sich bei mir beruflich einige Dinge verändert. Eine Folge davon war, dass ich seitdem nicht mehr die Möglichkeit hatte, mich mehrere Monate am Stück ausschließlich auf ein Buch-Projekt zu konzentrieren. Anders ist so ein Buch – zumindest für mich – jedoch nicht machbar. Dieser Zustand muss aber nicht von Dauer sein. Allerdings kann ich momentan noch nicht absehen, wann sich diese Gelegenheit wieder ergibt. Ein konkretes Datum kann ich Ihnen also leider nicht nennen.

      Herzliche Grüße
      Richard Deis

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