(3) Ein älterer Liebhaber

0

Der Mann, mit dem Dorothy Arnold in der Vergangenheit wohl eine Affäre unterhalten hatte, hieß George »Junior« Griscom. Er war ein 42-jähriger Ingenieur, der aus einer wohlhabenden Familie in Pittsburgh stammte und bei seinen Eltern wohnte. Das Paar hatte sich bereits kennengelernt, als Dorothy Arnold noch auf dem Bryn Mar College immatrikuliert war.

George Griscom Jr.
George Griscom Jr.

Eine heimliche Affäre

Die Reporter deckten auf, dass die Vermisste im September 1910 ihre Eltern angelogen hatte. Sie hatte ihnen erzählt, sie würde in Boston eine Kommilitonin vom College besuchen. Stattdessen verbrachte sie zusammen mit »Junior« Griscom eine Woche in einem Hotel.

Arnolds Eltern erfuhren von der Affäre, weil Dorothy in einer Pfandleihe Schmuck im Wert von 500 Dollar für 60 Dollar versetzt hatte, um sich ihr Liebesabenteuer zu finanzieren. Ihre Eltern verboten ihr daraufhin den Kontakt zu »Junior« Griscom. Sie empfanden den Mann als unpassend für ihre Tochter.

Doch Dorothy Arnold hielt mit ihrem Geliebten zumindest den Briefverkehr aufrecht. Die beiden sahen sich nachweislich ein letztes Mal Anfang November 1910, kurz bevor »Junior« Griscom mit seinen Eltern eine längere Urlaubsreise antrat. Als Dorothy Mitte Dezember verschwand, weilte Griscom bereits in Neapel.

Dorothy Arnold
Dorothy Arnold

Die Arnolds stellen Griscom zur Rede

Die Arnolds sandten ihm am 16. Dezember 1910 dorthin ein Telegramm. Sie fragten ihn, ob er irgendetwas über das Schicksal ihrer Tochter wisse. Griscom verneinte. Er habe keine Ahnung, wo sich Dorothy aufhalte und was die Gründe für ihr Verschwinden seien.

Anfang des Jahres 1911 reiste Mary Arnold mit ihrem ältesten Sohn John nach Italien. Am 16. Januar trafen sie »Junior« Griscom in einem Hotelzimmer in Florenz, um ihn persönlich zur Rede zu stellen.

Griscom blieb bei seiner Darstellung. Er habe nichts mit dem Verschwinden von Dorothy Arnold zu tun und wisse rein gar nichts über die Hintergründe. Die Arnolds verlangten von dem Ingenieur die Herausgabe der Briefe, die ihm Dorothy geschickt hatte. John Arnold erzählte später, die Schreiben hätten keine relevanten Informationen enthalten. Er habe sie deshalb zerstört.

Im Februar 1911 kehrte Griscom in die Vereinigten Staaten zurück. »Junior« machte gegenüber der Presse seine Absicht publik, Dorothy Arnold zu heiraten, sollte sie jemals nach Hause zurückzukehren. In der Folge investierte Griscom mehrere Tausend Dollar, um Werbeanzeigen zu schalten, in denen er seine einstige Geliebte bat, sich bei ihm, der Familie oder den Behörden zu melden.

Hinweise über Hinweise

Die Pressekonferenz von Francis Arnold hatte zunächst den gewünschten Erfolg. Die »New York Times« und andere Zeitungen berichteten täglich über den mysteriösen Vermisstenfall. Die Familie ließ zudem Flyer mit Foto, Personenbeschreibung und dem Hinweis auf die Belohnung drucken. Man verteilte die Zettel in den gesamten USA, Kanada und Mexiko.

Die Publicity, die der Fall Dorothy Arnold dadurch erreichte, war für damalige Verhältnisse enorm. Das Interesse hatte eine Vielzahl von Hinweisen zur Folge. Zahlreiche Menschen im ganzen Land wollten plötzlich Dorothy Arnold gesehen haben. Die Polizei ging allen Spuren nach – vergeblich.

Die Arnolds erhielten zudem zwei Lösegeldforderungen über jeweils 5.000 Dollar. Es stellte sich heraus, dass die Schreiben von Trittbrettfahrern verfasst waren.

Ende Januar 1911 gab die Polizei bekannt, dass sie nach wie vor davon ausginge, dass Dorothy Arnold noch am Leben sei. Zumindest Francis Arnold teilte diese Hoffnung nicht mehr. Er äußerte jetzt sogar gegenüber der Presse, dass er von Anfang an überzeugt gewesen sei, dass seine Tochter Opfer eines Überfalls und ermordet wurde. Da stellte sich natürlich die Frage, warum er dann nicht sofort die Polizei eingeschaltet hatte.

Tod im Reservoir?

Francis Arnold hatte auch eine Theorie zum konkreten Tatgeschehen. Er glaubte, Dorothy sei im Central Park überfallen worden. Er vermutete, dass der oder die Täter ihre Leiche im sogenannten Reservoir-See versenkt hätten. Im Central Park gibt es mehrere Teiche und Seen. Das Reservoir ist die größte Wasserfläche. Arnold deutete an, dass zwei Indizien existierten, die seine Theorie untermauerten. Worum es sich dabei handelte, gab er jedoch nie zu erkennen.

Übersichtskarte des Central Park. Südlich vom Reservoir das Metropolitan Museum, direkt darunter die 79. Straße, in der Dorothy Arnold wohnte
Übersichtskarte des Central Park. Südlich vom Reservoir das Metropolitan Museum, direkt darunter die 79. Straße, in der Dorothy Arnold wohnte

Die Polizei hatte Zweifel an Arnolds Darstellung. Denn in den Tagen vor dem Verschwinden von Dorothy Arnold waren die Temperaturen in New York auf -6° Celsius gefallen. Die Oberfläche des Reservoir-Sees war komplett zugefroren. Auf dem See hatte sich eine stabile Eisschicht gebildet.

Dennoch durchsuchten die Polizisten den Central Park, ohne jedoch eine Spur zu finden, die auf Dorothy Arnold hindeutete. Als das Reservoir im Frühjahr 1911 wieder aufgetaut war, untersuchten Taucher den See. Sie fanden weder eine Leiche noch persönliche Gegenstände von Dorothy Arnold. Was war also mit der jungen Frau geschehen?

 

weiter zu —> (4) Die einzige Gewissheit

Weitere Kapitel zum Fall Dorothy Arnold 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein