(10) Der Prozess gegen Edmund Kemper

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Am 7. Mai 1973 klagte man Edmund Kemper wegen vorsätzlichen Mordes in acht Fällen an. Kurioserweise bekam Kemper denselben Pflichtverteidiger wie Herbert Mullin und John Frazier zuvor: Jim Jackson. Jackson hielt ein ganz schlechtes Blatt in Händen. Sein Mandant hatte ein volles Geständnis ohne anwaltlichen Beistand abgelegt. Eigentlich gab es vor Gericht nichts mehr zu verhandeln. Jackson spielte die letzte verbliebene Trumpfkarte hervor und plädierte auf Unzurechnungsfähigkeit.

Doch selbst diese Verteidigungsstrategie stand auf recht tönernen Füßen. Kemper wusste sich ganz hervorragend zu artikulieren. Er beschrieb präzise und verständlich, wie er seine Verbrechen geplant und ausgeführt hatte. Welcher Geschworene würde da denken, der Mann sei verrückt? Die einzige Hoffnung der Verteidigung beruhte auf der Tatsache, dass Kemper bereits einmal in seinem Leben von einem Gericht für geistig unzurechnungsfähig erklärt worden war. Die Kommission hatte ihn zwar für geheilt erklärt. Aber seine Verbrechen bewiesen doch, dass sich das System in seinem Fall geirrt hatte.

Während Kemper in Untersuchungshaft saß, unternahm er zwei Selbstmordversuche. Beide Male schnitt er sich die Pulsadern auf, beide Versuche scheiterten. Am 23. Oktober 1973 begann die Verhandlung. Gleich zu Beginn traten drei psychiatrische Gutachter auf. Sie erklärten den Angeklagten übereinstimmend für zurechnungsfähig. Kempers letztes Schlupfloch hatte sich damit geschlossen.

Die Frage der Schuldfähigkeit

Dr. Joel Fort, einer der Sachverständigen, hatte Kempers Jugendakte studiert, die Diagnosen der Kollegen gelesen und sich lange mit dem Angeklagten unterhalten. Er war zu dem Schluss gekommen, dass Kemper vermutlich kannibalistisch veranlagt war. Kemper hatte ihm geschildert, dass er in mindestens einem Fall Fleisch seines Opfers gekocht und gegessen habe, nachdem er den Leichnam zerlegt habe. Das klang nach einem geistig extrem gestörten Menschen. Aber Dr. Fort war dennoch der Meinung, dass Kemper genau wusste, was er tat.

Nach den Kriterien der kalifornischen Rechtssprechung war dies die alles entscheidende Frage: War dem Täter bewusst, dass er ein Verbrechen beging? Kannte er den Unterschied zwischen Recht und Unrecht? Wenn dies der Fall war, galt er juristisch gesehen als vollständig zurechnungsfähig. Da konnte er unter noch so vielen psychischen Störungen leiden. Jim Jackson biss sich an dieser Tatsache die Zähne aus. Er nahm alle drei Gutachter ins Kreuzverhör.

Sie gaben zu, dass Kempers Taten auf erhebliche psychische Probleme schließen ließen. Der Mann war vermutlich ernsthaft krank. Aber er hatte seine Taten geplant, war bei der Durchführung sehr methodisch vorgegangen und hatte sich alle erdenkliche Mühe gegeben, seine Täterschaft zu verbergen. Klare Indizien dafür, dass ihm die Schwere seiner Verbrechen bewusst war. Also war Kemper dem Gesetz nach zurechnungsfähig. Die Sachverständigen sparten auch nicht mit Kritik an den Kollegen aus Atasacadero. Sinngemäß äußerten sie, dass eine lebhafte Fantasie nicht notwendigerweise gleichbedeutend mit einer Psychose sei.

Edmund Kemper im Zeugenstand

Edmund Kemper betrat am 1. November den Zeugenstand. Die Geschworenen hörten sein detailliertes Geständnis. Er äußerte, wie er selbst über seinen geistigen Zustand urteilte. Kemper versuchte die Geschworenen zu überzeugen, dass er psychisch instabil sei. Seine nekrophilen Handlungen und sein Bedürfnis, eine Frau im buchstäblichen Sinne zum Fressen gern zu haben, seien ein offensichtlicher Beleg dafür.

Kemper schilderte dem Gericht, dass er nach den Verbrechen seine Taten bereut habe. Um seine Schuldgefühle zu ersticken, habe er sich betrunken. Während der Mordserie habe sich sein Alkoholkonsum immer mehr gesteigert, weil ihn sein schlechtes Gewissen nicht ruhen gelassen habe. Er habe keine weiteren Morde begehen wollen, aber gegen seinen Trieb sei er nicht angekommen.

Gleichzeitig beschrieb er die sexuelle Erregung und die Glücksgefühle, die er empfand, wenn er einem Menschen den Kopf abschnitt. Das Töten an sich verglich er mit einem Drogenrausch. Wie wollte er den Geschworenen diese gegensätzliche Gefühlswelt – Schuld und Glückseligkeit – plausibel erklären? Er behauptete, zwei Persönlichkeiten in sich zu beherbergen. Sobald seine Killerpersönlichkeit die Kontrolle übernehme, verdränge sie alle anderen Emotionen. Dies habe er erstmals erlebt, als er seine Großmutter ermordet habe.

Urteil

Der Prozess dauerte keine drei Wochen. Wie viel von Kempers Geständnis tatsächlich der Wahrheit entsprach, vermochte niemand zu sagen. Seine Aussagen, die er in Verhören, vor Gericht und später in Interviews tätigte, wichen häufig in Details voneinander ab. Beispielsweise hatte er gegenüber Dr. Fort zugegeben, Teile seiner Opfer verspeist zu haben. Später revidierte er diese Aussage. Er habe dies nur behauptet, um vor Gericht als unzurechnungsfähig durchzugehen. Es sei aber schlichtweg gelogen gewesen.

Am 8. November zogen sich die Geschworenen zur Beratung zurück. Sie benötigten fünf Stunden, um zu einem Urteil zu gelangen. Sie erklärten den Angeklagten für zurechnungsfähig und schuldig im Sinne der Anklage. Der Richter fragte Edmund Kemper, welches Strafmaß er selbst für seine Taten als gerechtfertigt erachte. Er habe es verdient, zu Tode gefoltert zu werden, entgegnete Kemper, wie immer nicht um eine ungewöhnliche Antwort verlegen.

Das Urteil lautete schließlich lebenslänglich. Kemper kam zugute, dass zwischen 1972 und 1976 wegen einer Entscheidung des Obersten Bundesgerichts vorübergehend keine Todesstrafe in den Vereinigten Staaten verhängt wurde. Edmund Kemper sitzt seitdem seine Strafe im Staatsgefängnis von Vacaville ab. Im Juli 2007 und 2012 stellte er einen Antrag auf vorzeitige Entlassung. Beide Anträge wurden abgelehnt. Die nächste Gelegenheit, die Bewährungskommission zu überzeugen, erhält Edmund Kemper im Juli 2017.

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Prozess und Urteil - Edmund Kemper (10/10)
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Am 8. November 1973 verurteilte das Gericht Edmund Kemper zu lebenslänglicher Haft. Seine Anträge auf vorzeitige Entlassung wurden abgelehnt.

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