(5) Schockierendes Geständnis

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Von Widerstand war bei Albert Fish, dessen ursprünglicher Geburtsname Howard Hamilton Fish lautete, nach seiner Verhaftung nichts mehr zu spüren. Fish redete wie ein Wasserfall, sobald ihn die Beamten ins Verhör nahmen. Es waren detaillierte, schockierende, verstörende Geständnisse, die die Polizisten zu hören bekamen. Die Schilderungen waren von einer solchen Grausamkeit, dass in den damaligen Zeitungen nur eine stark zensierte Fassung abgedruckt wurde. Das wahre Ausmaß von Fishs Verbrechen wurde der Öffentlichkeit erst sehr viel später bekannt.

Die Polizei reagierte zunächst skeptisch auf die Erzählungen von Albert Fish. Vor ihnen saß ein gebrechlicher alter Mann, der gerade einmal 59 kg wog und 1,65 m maß. Dieser altersschwache und harmlos wirkende Bursche sollte all die perversen Gräueltaten vollbracht haben, die er ihnen haarklein beschrieb? Das schien im ersten Moment unglaublich. Als sich die Polizisten jedoch daranmachten, seine Aussage zu überprüfen, mussten sie feststellen, dass praktisch jedes Detail zutraf.

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Albert Fish

Das erste Verhör

Detective William King übernahm das erste Verhör. Fish erzählte ihm, dass er im Sommer 1928 erstmals den starken Drang verspürt habe, zu töten. Er nannte es den »Blutdurst«. Als er auf die Anzeige von Edward Budd geantwortet habe, habe er es eigentlich auf den jungen Mann abgesehen gehabt, nicht auf seine Schwester Grace, von deren Existenz er zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts geahnt habe. Er habe den Jungen an einen abgeschiedenen Ort locken wollen, um ihn dort zu überwältigen. Dann habe er geplant, ihm den Penis abzuschneiden und ihn zurückzulassen, bis er verblutet sei.

Nach seinem ersten Besuch bei den Budds habe er sich das notwendige Werkzeug besorgt: ein Hackebeil, eine Säge und ein Fleischermesser. Er habe die Werkzeuge in ein Tuch gewickelt und das Bündel neben einem Zeitungsstand versteckt, bevor er die Budds am Sonntag erneut aufgesucht habe.

Änderungen im Plan

Man müsste annehmen, dass ihn der leibhaftige Anblick von Edward Buzz und seines Freundes Willie, die ihm körperlich weit überlegen waren, von seinem Vorhaben abrücken ließ. Doch irgendwie redete sich Albert Fish ein, er könne die beiden starken Burschen dennoch überwältigen. Erst nachdem Grace aufgetaucht sei, habe er seine Pläne spontan geändert. Er entschloss sich, stattdessen das Mädchen in seine Gewalt zu bringen und zu töten.

Mit der arglosen Grace an der Hand machte er kurz am Zeitungsstand Halt, um sein Bündel mit den Werkzeugen aufzunehmen. Danach bestieg er mit dem Mädchen einen Zug in die Bronx, um von dort in die Ortschaft Worthington im Westchester County zu fahren. Für Grace kaufte er nur ein Ticket für eine einfache Fahrt. Grace Budd war von der 40-minütigen Zugfahrt begeistert. Sie war lediglich zweimal in ihrem Leben aus der Stadt herausgekommen. Für sie stellte der Ausflug ein spannendes Abenteuer dar.

Blauregen

Am Bahnhof in Worthington war Albert Fish bereits so sehr in seine Fantasien versunken, dass er seine Mordwerkzeuge im Zug vergaß. Tragischerweise fiel ausgerechnet Grace die Schusseligkeit ihres Begleiters auf. Sie erinnerte den alten Mann an sein Bündel.

Die beiden folgten einem abgeschiedenen Weg, bis sie ein verlassenes zweigeschossiges Gebäude inmitten eines Waldstücks erreichten. Die Einheimischen nannten das leer stehende Haus im Kolonialstil das »Wisteria Cottage« nach dem Blauregen, der überall wuchs. Das nun folgende Geschehen hatte Fish zu wesentlichen Teilen bereits in seinem Brief geschildert.

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Der Tatort

Grace Budd blieb zunächst vor der Tür und pflückte Blumen. Fish ging derweil nach oben ins Schlafzimmer, breitete seine Werkzeuge aus und entkleidete sich. Dann rief er das Mädchen herauf. Die nichts ahnende Grace hatte ihm einen Blumenstrauß mitgebracht. Fish würgte sie zu Tode, als sie angesichts des nackten Alten zu fliehen versuchte.

Zerstückelt

Albert Fish schnappte sich einen leeren Farbeimer, legte den Hals des Mädchens auf den Eimerrand und sägte den Kopf ab, sodass das meiste Blut in den Eimer lief. Den blutbefüllten Behälter schmiss er anschließend in den verwilderten Garten. Dann zog er dem enthaupteten Leichnam die Kleider aus und machte sich daran, den Körper mithilfe des Fleischmessers und Beils zu zerteilen.

Einen Teil des Fleisches verpackte er in Zeitungspapier, um es mit nach Hause zu nehmen. Die übrigen Leichenreste beließ er an Ort und Stelle. Einige Tage später kehrte er nochmals zu dem Landhaus zurück. Er warf die zurückgebliebenen Leichenteile über eine Mauer hinter dem Haus. Die Schlachterinstrumente ließ er auf die gleiche Weise verschwinden.

Am Ende dieses ersten Verhörs fragte ihn William King, weshalb er das Mädchen so bestialisch zerstückelt habe. »Wissen Sie«, antwortete Albert Fish, »so konnte man mir nie etwas anhängen. Wo keine Leiche, da kein Mörder.«

In diesem Punkt hatte er sich allerdings geirrt. Sein Mitteilungsdrang hatte ihn letztlich überführt. William King befragte ihn danach: Warum war er so unvorsichtig gewesen, den Brief an die Budds abzuschicken? Fish sagte, er habe keine Erklärung hierfür. »Ich konnte nicht anders. Ich musste diesen Brief einfach schreiben. Es war wie ein Zwang, der mich überkam.«

Beweise

Am nächsten Tag rückte Detective King mit seinen Kollegen zum »Wisteria Cottage« aus, um Fishs Angaben zu überprüfen. Sie fanden alles so vor, wie es der geständige Mörder beschrieben hatte. Albert Fish stand daneben, während die Polizisten die sterblichen Überreste der 10-jährigen Grace Budd bargen. Er zeigte keinerlei Emotionen.

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Polizeibeamte durchkämmen das Gelände

Obwohl es eigentlich nahelag, verzichteten die Beamten zu diesem Zeitpunkt darauf, Fish nach den kannibalistischen Akten auszufragen, die er im Brief beschrieben hatte. Die Gründe hierfür sind unklar. Möglicherweise befürchtete die Polizei, ein Anwalt würde die Aussagen später vor Gericht benutzen, um nachzuweisen, dass Albert Fish geisteskrank und insofern nicht zurechnungsfähig war. Vielleicht aber hielten die Polizisten das Geständnis in diesem Punkt auch einfach nur für unglaubwürdig – noch.

Biografie Albert Fish

Albert Fish war kein Unbekannter für die Polizei. Seine Strafakte reichte bis in Jahr 1903 zurück. Seinerzeit wurde er wegen schweren Diebstahls zu einer Haftstrafe in Sing Sing verurteilt. Danach hatten die Behörden ihn noch sechs weitere Male aufgrund geringfügigerer Delikte verhaftet, darunter Bagatelldiebstähle und Briefe mit obszönem Inhalt. Zu einer Anklage kam es in keinem dieser Fälle. Man hatte ihn allenfalls zur Beobachtung vorübergehend in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen.

Albert Fish 1903
Albert Fish, 1903

Albert Fish äußerte sich selbst zu seiner Biografie: »Ich wurde am 19. Mai 1870 in Washington, D.C., geboren. Wir lebten auf der B Street, zwischen Second und Third Street. Mein Vater war Captain Randall Fish, ein Freimaurer. Er liegt auf dem Congressional Cemetery begraben. Er war Kapitän eines Flussdampfers, der auf dem Potomac River zwischen Washington und Marshall Hall in Virginia verkehrte. Mein Vater starb am 15. Oktober 1875. Er erlitt in der alten Pennsylvania Station, wo Präsident Garfield erschossen wurde, einen Herzinfarkt und kippte tot um.«

Der Vater Randall Fish war 43 Jahre älter als die Mutter und bereits 75, als sein Sohn Albert zur Welt kam. Der jüngste Sohn der Fishs hatte noch drei Geschwister: Walter, Edwin und Annie. Der Tod von Randall Fish brachte Alberts Mutter in finanzielle Nöte. »Ich kam danach in das St. John‘s Waisenhaus in Washington. Dort blieb ich, bis ich fast neun war. Das Waisenhaus hat mich auch verkorkst. Wir wurden gnadenlos geprügelt. Ich sah Jungs Dinge tun, die sie nicht hätten tun sollen.«

1880 ergatterte Albert Fishs Mutter eine Anstellung im Staatsdienst und holte ihren Sohn wieder zu sich. Um 1890 zog Fish nach New York um. »Ich war ein guter Anstreicher. Innenanstriche, Hausanstriche, ganz egal was. Ich besorgte mir eine Wohnung und holte meine Mutter von Washington herüber. Wir lebten 76 West 101st Street. Da lernte ich dann auch meine spätere Frau kennen.«

Die Heirat kam 1898 auf Betreiben seiner Mutter zustande. Albert Fish war damals 23, seine Frau erst 14. Das Paar hatte sechs gemeinsame Kinder. Im Januar 1917 verließ ihn seine Frau wegen eines anderen Manns: »Sie nahm alle Möbel mit sich. Ließ noch nicht mal eine Matratze für die Kinder zurück.«

Albert Fish war nun alleinerziehender Vater. »Ich sorge mich immer noch um meine Kinder«, schniefte er. Sein Kinder waren inzwischen alle erwachsen. »Man sollte annehmen, dass sie ihren alten Herrn einen Besuch im Gefängnis abstatten. Aber das haben sie nicht getan.«

 

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