(2) Ron Levin

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Ron Levin war in Los Angeles bekannt wie ein bunter Hund. Sein Markenzeichen war ein grüner Rolls Royce, in dem er täglich durch Beverly Hills fuhr. Er war Stammgast in den teuersten Restaurants. Und er mischte ständig bei einer Vielzahl von Geschäften mit. Ron Levin war jedoch auch bekannt dafür, dass er wegen Betrug und Diebstahl mehrfach im Knast gelandet war. Er war alles andere als ein seriöser Geschäftsmann.

Für Joe Hunt war diese dunkle Vergangenheit der ausschlaggebende Grund, sein Glück bei Levin zu versuchen. Er glaubte, leichtes Spiel mit dem Ex-Knacki zu haben. Der Mann würde Angst davor haben, nochmals mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Hunt würde ein Druckmittel besitzen, mit welchem er dem Mann drohen konnte, falls er lästig wurde.

Hunt übersah ein wichtiges Detail. Levins kriminelle Vergangenheit bewies, dass er überhaupt kein Interesse hegte, eigenes Geld zu investieren. Er suchte lediglich nach Möglichkeiten, anderen Menschen möglichst viele Dollars aus der Tasche zu ziehen. Hunts glitzernde Fassade und seine schillernden Erzählungen über vermeintlich tolle Anlagemöglichkeiten liefen also komplett ins Leere. Levin lehnte das Angebot ab.

Joe Hunt ließ nicht locker. Bei einer anderen Gelegenheit zeigte er stolz einen Scheck über mehrere Hunderttausend Dollar vor. Den habe er gerade von einem begeisterten Investor erhalten. Das sei Levins große Chance. Noch könne er zu einem günstigen Preis einsteigen. Die Möglichkeit bestände angesichts des zunehmenden Erfolgs nicht mehr lange. Levin lachte nur herzhaft und gratulierte Hunt zu seinem Coup, einen naiven Anleger übertölpelt zu haben. In Wahrheit war Joe Hunt noch nicht einmal das gelungen. Er hatte den Scheck gefälscht, um Levin aufs Glatteis zu führen.

Wieder im Geschäft

Am Ende schien sich Hunts beharrliches Werben dennoch auszuzahlen. Levin schlug ihm eines Tages von sich aus einen Deal vor. Er würde Joe Hunt fünf Millionen Dollar zur Verfügung stellen, mit denen er an der Börse handeln könne. Würde es ihm gelingen, das Geld zu vermehren, seien sie im Geschäft. Dann habe er bewiesen, dass sein Renditeversprechen mehr als nur heiße Luft sei. Außerdem würden sie jeden Dollar Gewinn, den Joe Hunt mit den fünf Millionen Dollar mache, fair untereinander aufteilen, fifty fifty.

Joe Hunt war Feuer und Flamme. Levin richtete bei einer Investmentfirma ein Konto ein. Die Kreditlinie umfasste die versprochene Geldsumme. Bedingung des Geschäfts war, dass Hunt alle Börsentransaktionen über dieses Konto und den zuständigen Broker abwickeln musste, damit jeder Vorgang dokumentiert war.

Zu Beginn verzockte Joe Hunt vier Millionen mit hochriskanten Wetten an der Börse. Als die Lage aussichtslos erschien, gab ihm ein befreundeter Broker ein paar hilfreiche Tipps. Innerhalb von sieben Wochen verwandelte er die verbliebene Million in satte 14 Millionen Dollar. Dann schloss Levin das Konto.

Joe Hunt war wieder im Geschäft. Seine Gewinnbeteiligung belief sich auf 4,5 Millionen Dollar. Außerdem würde Levin nun beim »Billionaire Boys Club« einsteigen. Er erzählte seinen »Jungs« stolz von dem Riesenprofit, den er für die Firma an Land gezogen hatte. Die Sieger hatten sich einen Vorgriff auf den baldigen Reichtum verdient. Joe Hunt schmiss eine wilde Party für die Belegschaft. Hunt, Karny und Dotsi mieteten sich standesgemäße Häuser in feinster Lage am Wilshire Boulevard an.

Lektion erteilt

Als Hunt nach Wochen immer noch nichts von Levin gehört hatte, wunderte er sich, wo sein Scheck über 4,5 Millionen Dollar blieb. Er rief bei Levin an. Der ließ sich beharrlich verleugnen. Hunt kontaktierte den Broker. Dieser eröffnete dem verblüfften Hunt, dass die Transaktionen nur auf dem Papier stattgefunden hatten. Kein einziger Dollar war jemals an der Börse gelandet. Das Geschäft war bloß ein Bluff gewesen. Levin hatte Hunt eine Lektion erteilt.

Nicht nur das. Er hatte ihn währenddessen auch noch ausgenutzt. Levin hatte sich die Ausdrucke der Scheintransaktionen aushändigen lassen. Sie basierten ja auf tatsächlichen Kursentwicklungen. Diese Unterlagen hatte er bei einer Bank als Sicherheit eingereicht, um sich einen realen Kredit zu erschwindeln. Hier hatte ein Blender den anderen Blender aber mal so richtig hinters Licht geführt.

Der empörte Hunt stellte Levin zur Rede. Levin wiegelte ab. Er hätte die Kreditsumme für den Erwerb eines Einkaufszentrums in Chicago benutzt. Er versprach Hunt, dem »Billionaire Boys Club« einen Anteil an den Einkünften zu überlassen. Hunt dachte, damit wäre er wieder im Geschäft. Bis er feststellen musste, dass dieses Einkaufszentrum überhaupt nicht existierte.

Ernsthafte Schwierigkeiten

Hunt hatte Levin ursprünglich unterschätzt, Levin beging nun einen ähnlichen Fehler. Er dachte, er hätte Hunt besiegt und damit wäre die Sache erledigt. Aber Joe Hunt war wie erwähnt nicht der Typ, der eine Niederlage akzeptierte. Zudem war jetzt nicht nur sein Ego angeschlagen. Joe Hunt befand sich in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten.

Hunt musste Farbe bekennen und seinen »Jungs« die Wahrheit beichten über das fehlgeschlagene Geschäft. Laut späteren Zeugenaussagen drohte er bei dieser Gelegenheit, dass Ron Levin dafür bezahlen würde. Dann habe er hinzugefügt: »Mit seinem Leben.« Dave May, ein Mitglied des »Billionaire Boys Club«, zweifelte an diesem Tag zum ersten Mal an der Integrität von Joe Hunt. Sein Zwillingsbruder Tom hingegen war nach wie vor ein glühender Anhänger von Hunt. Dave May behielt seine Zweifel vorerst für sich und wollte abwarten, wie sich die Dinge weiterentwickelten.

Der Sicherheitschef

Etwa zur selben Zeit machte Dean Karny Joe Hunt mit einem Mann bekannt, der sich Jim Graham nannte, aber in Wirklichkeit Jim Pittman hieß. Der muskelbepackte Pittman behauptete, früher professionell Football gespielt und an diversen Wettkämpfen für Gewichtheber teilgenommen zu haben. Zuletzt hatte er allerdings für einen Sicherheitsdienst in Delaware gearbeitet. Die dortige Polizei hatte Haftbefehl gegen ihn erlassen, weshalb er sich nach Kalifornien abgesetzt hatte. Pittman kannte sich mit Waffen und Sprengstoff aus. Genau der Mann, den Joe Hunt für seine Privatfehde mit Ron Levin brauchte. Offiziell fungierte Pittman fortan als Sicherheitschef des »Billionaire Boys Club«.

Fehlbetrag

Dave May hatte inzwischen das Rechnen für sich entdeckt. Löblich für einen aufstrebenden Investmentmanager. Er addierte die Ausgaben der Firma, die ihm bekannt waren: Büromiete, Leasingkosten etc. Unterm Strich summierten sich die monatlichen Ausgaben auf 70.000 Dollar. Der »Billionaire Boys Club« nahm nicht mal annähernd so viel Geld ein. Dave May dämmerte allmählich, dass Joe Hunt die Gelder der Investoren veruntreute. Und wenn Hunt auffliegen würde, wären auch alle anderen Mitglieder des »Billionaire Boys Club« geliefert. Mitgefangen, mitgehangen.

Joe Hunt hatte derweil einen Plan ausgeheckt, wie er von Ron Levin zumindest einen Teil des Geldes erhalten könnte, das ihm seiner Ansicht nach zustand. Zunächst würde er Levin dazu bringen, ihm eine beträchtliche Geldsumme auszuhändigen. Dann würde er ihn umbringen. Angewandte »Paradox-Philosophie« nach Joe Hunt.

Planung eines Mordes

Hunt setzte einen Vertrag zwischen Ron Levin und dem »Billionaire Boys Club« auf. Das Schriftstück würde plausibel erklären, warum Levin Hunt das Geld ausgehändigt hatte. Nach dem Mord wollte Hunt das Dokument in Levins Haus zurücklassen. Zudem verfasste er einen ausführlichen Briefwechsel zwischen ihm und Ron Levin. Die Briefe sollten dokumentieren, dass das Geschäft von langer Hand vorbereitet worden war. Hunt würde auch diese Schreiben in Levins Wohnung platzieren.

Der Plan sah vor, dass Joe Hunt überraschend vor Levins Haustür auftauchen würde, bewaffnet mit Champagner und Essen vom feinsten Delikatessenhändler weit und breit. Es sollte wie eine Friedensgeste wirken. Levin würde ihn hineinbitten. Eine Weile darauf würde dann Jim Pittman klingeln. Sobald Levin die Tür öffnete, würde Jim auf Hunt zustürmen und ihn mit einer Pistole bedrohen. Er würde von Joe Geld zurückverlangen, dass er ihm angeblich schulde. Joe würde Levin erzählen, dass Jim als Geldeintreiber für die Mafia arbeite. Levin müsse Jim einen Scheck ausstellen, sonst würde er sie beide kaltmachen. Hatte Ron Levin erst einmal den Scheck unterschrieben, würden sie ihn umbringen.

Am 6. Juni 1984, einem Mittwoch, kam der Plan zur Ausführung. Hunt wusste, dass Levin für den folgenden Tag einen Geschäftstermin in New York anberaumt hatte. Niemand würde ihn zunächst vermissen. Um die Täuschung perfekt zu machen, würden sie eine Reisetasche mit seinen Klamotten packen und verschwinden lassen. Nach dem Mord würde Jim Pittman nach New York fliegen und dort Levins Kreditkarte in einem Hotel benutzen.

Ron Levin verschwindet

Joe Hunt und Jim Pittman brachten Ron Levin tatsächlich dazu, einen Scheck über 1,5 Millionen Dollar auszustellen. Anschließend fesselten sie ihn mit Handschellen, brachten ihn ins Schlafzimmer und zwangen ihn, sich auf eine Steppdecke zu legen. Wer von den beiden schließlich den wehrlosen Mann erschoss, konnte nie geklärt werden. Sie wickelten Levins Leiche in die Steppdecke ein und packten ihn in den Kofferraum von Hunts BMW, der vor der Tür parkte.

Joe Hunt machte den Vorschlag, Levins Leiche im Soledad Canyon verschwinden zu lassen. In dem abgeschiedenen Gebiet, etwa eine Fahrtstunde von Los Angeles entfernt gelegen, war er häufiger zur Jagd gewesen. Dort trieb sich kein Mensch herum. Niemand würde dort den Leichnam finden, allenfalls ein paar Tiere auf der Suche nach etwas Aas.

Unliebsame Erfahrungen

Bis hierher hatte Joe Hunts Plan funktioniert. Ab nun ergaben sich Probleme. Jim Pittman musste in New York die für ihn unliebsame Erfahrung machen, dass Levins Kreditkarte überzogen war. Er versuchte aus dem Luxushotel zu fliehen, aber die Hotelbediensteten konnten ihn stellen. Er kam in Haft. Joe Hunt nahm den nächsten Flieger nach New York und hinterlegte Kaution für ihn. Dann musste Hunt noch schlechtere Neuigkeiten verkraften: Levins Scheck über 1,5 Millionen Dollar war nicht gedeckt.

Joe Hunt besprach die Angelegenheit mit Dean Karny. Der zeigte sich zwar erstaunt über das Gebaren seines Geschäftspartners, kam jedoch nicht auf die Idee, die Polizei einzuschalten. Stattdessen gingen die beiden die Liste der Mitarbeiter durch. Sie entschieden sich für acht Personen, von denen sie glaubten, dass sie ihnen bedingungslos vertrauen könnten. Diesen Kreis weihte Joe Hunt ein. Natürlich verkaufte er ihnen den Mord als das »perfekte Verbrechen«. Perfekt war es allenfalls in seiner narzisstischen Birne. Joe Hunt hatte keine Ahnung, welches Unwetter sich schon bald über ihm zusammenbrauen sollte.

Dean Karny bezeugte später, dass Joe Hunt in allen Details erzählt habe, was mit Ron Levin passiert sei. Zum Beispiel habe er geschildert, dass er und Pittmann Levin im Soledad Canyon noch mehrfach ins Gesicht geschossen hätten. Damit wollten sie eine Identifizierung erschweren. Dabei sei ein Stück Gehirn herausgespritzt und auf Levins Brust gelandet. Karny vermochte sich an diese Einzelheit so genau zu erinnern, weil sie ihn danach in seinen Träumen verfolgt hatte. Hunt hingegen habe die Geschichte völlig entspannt, fast schon begeistert geschildert.

Kalte Füße

Die acht Mitglieder des »Billionaire Boys Club«, die Hunt eingeweiht hatte, blieben cool. Keiner machte Hunt einen Vorwurf, niemand rannte zur Polizei. An diesem Verhalten sollte die Öffentlichkeit später schwer zu knabbern haben. Was ging in den Köpfen dieser Burschen vor sich? Hunt hatte soeben einen eiskalten, heimtückischen Mord gestanden und für diese Kerle war alles in Ordnung?

Nur David May schien zu wissen, was die Stunde geschlagen hatte. Er war zu dem Treffen nicht eingeladen gewesen, hatte aber von anderen den Inhalt des Gesprächs erfahren. Er wandte sich an seinen Vater und bat ihn um Hilfe. Er gab zu, dass er sich in Joe Hunt getäuscht habe. Mays Vater zog einen Anwalt hinzu.

Der Anwalt hörte sich die Geschichte an und gab David May den Ratschlag, zunächst mal gar nichts zu unternehmen. Es existierten keine Beweise für den Mord, keine Zeugen und vor allen Dingen keine Leiche. Die Polizei würde nichts unternehmen können. Und am Ende würde ihn Joe Hunt möglicherweise noch verklagen. Eine Anzeige mache nur Sinn, wenn David May Beweismittel besorgen könne. Am besten etwas Schriftliches. Er sollte einfach an seinen Arbeitsplatz zurückkehren und so tun, als wisse er von nichts. Auf keinen Fall dürfe er das Misstrauen von Hunt erregen, bis er etwas gegen ihn in der Hand habe.

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