(8) Das Motiv des »Mad Bomber«

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Im Verlauf des Verhörs gingen die Ermittler mit George Metesky eine Liste von 32 bekannten Anschlägen durch, die sie dem »Mad Bomber« zurechneten. Metesky erinnerte sich exakt an jedes einzelne Attentat. Er nannte das präzise Datum, das genaue Versteck und die Beschaffenheit der jeweiligen Rohrbombe. Allerdings sprach er immer bloß von »Bauteilen«, die er platziert habe. Das Wort »Bombe« nahm er kein einziges Mal in den Mund.

Zur Überraschung der Beamten gab George Metesky zu, fünfzehn weitere Sprengkörper gelegt zu haben. Diese Bomben habe er allesamt vor 1951 in Gebäuden versteckt, die zu Con Edison gehörten. Nachdem die Zeitungen darüber aber nicht berichtet hätten, habe er sich darauf verlegt, die Sprengsätze an öffentlichen, stark frequentierten Bereichen anzubringen. Er habe keine andere Möglichkeit gesehen, auf sein Anliegen hinzuweisen. Offensichtlich waren die 15 Bomben entweder niemals entdeckt oder aber zumindest nicht gemeldet worden. Vielleicht fürchtete Con Edison ja die schlechte Publicity.

Der Stromriese mauert

Das Verhalten des Stromkonzerns während der polizeilichen Untersuchungen sprach jedenfalls dafür. Natürlich versuchten die Beamten des NYPD im Nachlauf des Ermittlungsverfahrens herauszubekommen, woran es gelegen hatte, dass sie den »Mad Bombe« so viele Jahre vergeblich gejagt hatten. Ein wichtiger Grund war, dass Consolidated Edison über Jahre hinweg behauptet hatte, dass die Aufzeichnungen bezüglich Mitarbeitern, die vor 1940 entlassen wurden, längst vernichtet worden seien.

Dass diese Akten sehr wohl noch existierten, erfuhren die Beamten erst am 14. Januar 1957 durch einen Insidertipp. Das NYPD verlangte sofortigen Zugang zu den Dokumenten. Doch der Konzern mauerte weiterhin. Man berief sich darauf, dass es sich um vertrauliche Papiere handele. Eine Herausgabe der Unterlagen könne gegen geltendes Recht verstoßen. Diese Frage müsse erst die Rechtsabteilung des Unternehmens klären, bevor man der Polizei Einblick in die Akten gewähren könne. Später bezeichnete der Vorstandssprecher von Consolidated Edison diese Darstellung seitens des NYPD als ein »Missverständnis«.

Zum Glück hatte sich eine fähige Mitarbeiterin des Konzerns über diese Bedenken hinweggesetzt, den entscheidenden Hinweis geliefert und damit möglicherweise größeres Unheil abgewendet. Denn die Ermittler stießen bei der Hausdurchsuchung auf Bauteile einer Bombe, die an Sprengkraft alles übertroffen hätte, was der »Mad Bomber« bisher zum Einsatz gebracht hatte. Als man George Metesky nach dem Verwendungszweck befragte, äußerte er, dass er die Bombe im New York Coliseum, dem internationalen Kongresszentrum, habe verstecken wollen. Spätestens dann hätten die Medien in aller Welt über den »Mad Bomber« berichtet.

George Metesky – Lebenslauf

George Metesky war 1903 geboren und diente nach dem Ersten Weltkrieg bei den U.S. Marines. Dort machte er eine Ausbildung zum Elektriker. Nach Ende der Militärzeit kehrte er in seine Heimatstadt Waterbury zurück und nahm einen Job als Mechaniker bei einer Tochterfirma des Energiekonzerns Consolidated Edison an. Bereits zu dieser Zeit lebte der ledige Metesky mit seinen beiden ebenfalls unverheirateten Schwestern zusammen.

1931 arbeitete George Metesky als Maschinist an einem Generator im New Yorker Stadtteil Hell Gate. Eines Tages stand er just neben einem Heizkessel, als dieser infolge einer Fehlzündung einen Strahl heißer Gase ausstieß. Der Strahl war so stark, dass er Metesky zu Boden riss und ihm Verbrennungen zufügte. Zudem atmete er die heißen Dämpfe ein. George Metesky war ein halbes Jahr arbeitsunfähig geschrieben und kassierte in dieser Zeit Krankengeld. Nach 26 Wochen Krankschreibung kündigte ihm sein Arbeitgeber Consolidated Edison.

Ausgetrickst

Wie es George Metesky bereits zuvor in den Briefen beschrieben hatte, erkrankte er zunächst an einer Lungenentzündung, die sich anschließend zu einer chronischen Tuberkulose auswuchs. Metesky betrachtete die Erkrankung als unmittelbare Folge seines Arbeitsunfalls. Sein ehemaliger Arbeitgeber bestritt diesen Zusammenhang und verweigerte die Auszahlung einer Unfallversicherung. Laut den Anwälten der Firma hatte Metesky ohnehin die Frist für einen ordnungsgemäßen Antrag versäumt, um in den Genuss der Versicherungssumme zu kommen. Metesky wehrte sich gegen diese Entscheidung vor Gericht. Seine Klage wurde aber dreimal abgewiesen, zuletzt 1936.

George Metesky fühlte sich ungerecht behandelt – ausgetrickst von cleveren Anwälten, über den Tisch gezogen von einem mächtigen Konzern. So war er beispielsweise überzeugt, dass Consolidated Edison drei ehemalige Kollegen, die vor Gericht gegen ihn ausgesagt hatten, entweder massiv unter Druck gesetzt oder aber mit Bestechungsgeldern geschmiert hatte. Er witterte einen groß angelegten Komplott, dem er zum Opfer gefallen war. Der Gedanke an eine Verschwörung entwickelte seine Eigendynamik. Nach einigen Jahren litt Metesky an ernsthaftem Verfolgungswahn, wie die psychiatrischen Gutachter bestätigten.

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