Der zersägte Oberstleutnant Roos

0

Mönchengladbach, 1905. Oberstleutnant Roos ist durchaus wohlhabend, aber bewahrt kaum Bargeld in seinem Haus auf. Seine Mörder meinen, es besser zu wissen. Die Verbrecher sind völlig gewöhnliche Menschen, ohne Vorstrafen, eher gut beleumundet. Mit einer Eiseskälte sondergleichen misshandeln und zerstückeln sie ihr Opfer und gehen anschließend zur Tagesordnung über, als sei nichts geschehen.

Der Strohwitwer

Der Berufssoldat Roos hatte sich aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig pensionieren lassen und hauste im Herbst 1905 alleine in seiner Mönchengladbacher Villa. Roos war verheiratet, seine Frau lebte jedoch in Paris. Der 46-jährige Strohwitwer hatte eine Aufwartefrau angestellt, die ihm den Haushalt schmiss. Die Bedienstete war allerdings aufgrund ihres Alters damit überfordert, sich gleichzeitig um das Haus, die Küche und den Garten zu kümmern. Sie schlug dem Oberstleutnant ihren Sohn und ihre Schwiegertochter als Nachfolger vor. Der Hausherr war einverstanden. Er kannte Frau Blömers schon so lange, dass er keinen Grund hatte, ihrer Empfehlung zu misstrauen.

Außerdem konnten sich die Referenzen seiner neuen Bediensteten sehen lassen. Frau Blömers hatte mehrere Jahre als Dienstmädchen in verschiedenen Haushalten in Mönchengladbach gearbeitet und von allen Arbeitgebern gute Zeugnisse ausgestellt bekommen. Ihr Gatte Adolf Blömers, den sie 1900 geheiratet hatte, hatte als Korporal in der holländischen Armee gedient. Damit sammelte er schon mal Pluspunkte bei einem altgedienten Offizier. Oberstleutnant Roos war so angetan von dem Ehepaar, dass er den beiden anbot, bei ihm im Erdgeschoss eine Wohnung zu beziehen.

Arbeitsscheues Gesinde

Das Wohlgefallen hielt nicht lange vor. Das Ehepaar Blömers hatte zwei kleine Kinder zu ernähren. Es war klar, dass der Lohn, den der Oberstleutnant zu zahlen bereit war, nicht für die Familie ausreichte. Adolf Blömers musste sich eine Arbeit suchen. Allein, er fand keine. Daraufhin schaltete sich Roos ein, ließ seine Beziehungen spielen und vermittelte seinem Untermieter mehrere Jobangebote. Adolf Blömers hielt es nirgends lange aus. An jedem Job hatte Blömers etwas auszusetzen. Roos erkundigte sich bei den Arbeitgebern nach den Gründen für das Scheitern. Der Blömers sei ein äußerst arbeitsscheuer Geselle, meinten diese.

Zu allem Überdruss quartierte sich in dieser Zeit auch noch Leonard Blömers, der Bruder von Adolf, in der Erdgeschosswohnung ein. Der gelernte Möbelpolierer war ebenso arbeitslos und abgebrannt wie sein Bruder. Er wolle nur so lange bleiben, bis er einen neuen Job gefunden habe, versprach er. Der Oberstleutnant legte sich auch für den zweiten Blömers ins Zeug und verschaffte ihm mehrere Vorstellungsgespräche – ohne Erfolg. Die akute Arbeitsallergie war bei den Blömers scheinbar erblich bedingt.

Nun platzte dem Oberstleutnant der Kragen. Zunächst hielt er den Blömers Gardinenpredigten über Pflicht und Fleiß, dann wies er Leonard Blömers die Tür: Er sei nicht mehr länger im Hause erwünscht und solle sich schleunigst eine neue Bleibe suchen. Der Richter fragte später die Blömers, wieso sie ihr Opfer so brutal malträtiert hätten. Woher diese unfassbare Wut rühre. Sie führten es auf diesen Konflikt zurück. Sie hätten sich gemaßregelt, abgekanzelt, getriezt, gedemütigt gefühlt. Diese ständigen Vorwürfe. Diese Besserwisserei. Das habe sie unglaublich wütend gemacht. Dass der Oberstleutnant allen Grund für seine Kritik hatte, kam ihnen nicht in den Sinn.

Auf der Suche nach dem Geheimschatz

Stattdessen heckten die Blömers eine andere Idee aus, wie man alle Probleme mit einem Schlag lösen könne. Man bräuchte bloß ein paar Tausender Startkapital, dann würde man schon so richtig durchstarten im Leben. Leonard Blömers, dem neben Mittellosigkeit nun auch noch die Obdachlosigkeit drohte, machte seinem Bruder und seiner Schwägerin einen folgenschweren Vorschlag, wie das zu bewerkstelligen sei. Bei dem Ollen sei doch ganz sicher was zu holen. Der habe bestimmt jede Menge Goldtaler gehortet. Wenn sie die erst einmal eingesackt hätten, müssten sie sich nicht mehr so abstrampeln für die paar Kröten. Was die beiden Brüder Blömers augenscheinlich eh nicht taten, aber Kriminelle haben nun mal ihre ganz eigene Sicht der Dinge.

An einem Tag, an dem der Oberstleutnant nicht zu Hause war, schlichen sich Adolf und Leonard Blömers in dessen Wohnung. Sie durchkämmten die üblichen Geldverstecke und wurden fündig. In einem Pult hatte Roos rund dreihundert Mark in bar gebunkert. Nicht gerade das Vermögen, von dem die Blömers träumten. Doch Leonard Blömers schloss messerscharf, dass der Oberstleutnant noch mehr versteckt haben müsse. Um den vermeintlichen Schatz zu finden, müssten sie nur Gelegenheit bekommen, das gesamte Haus auf den Kopf zu stellen. Mit anderen Worten: Roos müsse weg. Sie hätten gar keine andere Wahl, redete er seinem Bruder und seiner Schwägerin ein. Selbst wenn sie sich bloß die armseligen 300 Mark greifen würden, würde der sie doch gleich bei den Polypen verpfeifen.

Die Giftmischer

Alfred Blömers und seiner Frau leuchtete die Argumentation wohl ein. Es blieb die Frage nach dem »Wie«. Einer der Brüder machte den Vorschlag, Roos zu vergiften. Frau Blömers könne ihm das Zeug doch unter den Tee mischen und anschließend servieren. Frau Blömers entgegnete trocken, dazu müsse man das Gift erst einmal besorgen. Das sollten doch, bitte schön, die Herren übernehmen, wenn das alles so kinderleicht sei.

Daraufhin zogen die Brüder Blömers los und versuchten ihr Glück in Düsseldorf. Sie klapperten eine Apotheke nach der anderen ab. Vergeblich. Die Apotheker verlangten von den beiden schrägen Vögeln zunächst mal eine amtliche Bescheinigung zu sehen, die sie zum Besitz von hochtoxischen Substanzen berechtigte. Die Blömers kehrten mit leeren Händen nach Mönchengladbach zurück, dafür mit einer Stinkwut im Bauch.

Großer Räuberrat

Diese Drecksau machen wir noch heute Abend kalt, tönten sie auf dem Rückweg. Dem hauen wir die Rübe ein, sobald er uns die Tür aufmacht. Tatsächlich hatten sie bereits die Treppe zur Wohnung von Roos erklommen und standen vor der Eingangstür, als sie im letzten Moment noch kalte Füße bekamen.

Samstags waren die beiden Möchtegerngiftmischer erfolglos durch die Düsseldorfer Altstadt getingelt, am Sonntag tagte im Erdgeschoss der Villa der große Räuberrat. Wichtigster Tagesordnungspunkt: Mehrere Flaschen Wein köpfen und sich ordentlich Mut ansaufen. Im Morgengrauen hatten sie einen todsicheren Schlachtplan ausgeheckt, den sie sofort in die Tat umsetzen wollten. Noch einen Rückzieher würde es nicht geben. Dieses Mal würde der Oberstleutnant dran glauben müssen.

weiter zu —> (2) Ein grausamer Mord in Mönchengladbach

Weitere Kapitel zum Fall Oberstleutnant Roos 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein