(6) Um ein Haar

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Die Ermittlungsbeamten erwirkten dennoch einen Haftbefehl gegen Charles Albright und einen Durchsuchungsbeschluss für sein Haus und Auto. Am 22. März 1991 verhaftete man ihn. Bei der anschließenden Durchsuchung schienen die Beamten auch fündig zu werden. Unter anderem stellte man einen Revolver Kaliber 44 Magnum und einen Satz Schablonenmesser der Marke X-Acto sicher. Zudem fand man Kondome von derselben Marke, wie sie vom Täter neben zwei Opfern auffällig platziert worden waren. Das Kriminallabor konnte aber weder bei der Schusswaffe noch bei den Messern nachweisen, dass es sich bei diesen Gegenständen um die gesuchten Tatwerkzeuge handelte.

Charles Albright, Texas Eyeball Killer, Smith & Wesson Colt .44 Magnum
Smith & Wesson 44 Magnum Model 629
Photo © by Motorrad67

Bei anderem Spurenmaterial war man hingegen erfolgreicher. Das Labor hatte auf einem gelben Regenmantel, den man dank einer Zeugin am mutmaßlichen Tatort des dritten Mordes sichergestellt hatte, einige Blutstropfen entdeckt. Sie stimmten tatsächlich mit der Blutgruppe von Shirley Williams überein. Vermutlich handelte es sich um den Mantel, den andere Augenzeugen in der Mordnacht an ihr wahrgenommen hatten.

Der Teufel ist ein Eichhörnchen

Dem Mantel haftete noch weiteres Spurenmaterial an. Neben Erde, Gras, Textilfasern und menschlichen Haarsträhnen fand sich ein Haar, das das Interesse der Ermittler in besonderem Maße weckte. Es gelang nämlich zunächst nicht, seine Herkunft festzustellen. Nicht nur in dem Sinne, von welcher Person es ursprünglich stammte. Sondern zu welcher Spezies diese Strähne überhaupt gehörte.

Die äußere Schicht wirkte unter dem Mikroskop wie ein Mosaik. Der innere Kern des Haares, die sogenannte Medulla, war vom Umfang sehr viel dicker als bei Menschenhaar. Der zuständige Labortechniker verglich das Fundstück mit den Haaren von Haustieren und den gängigsten Wildtieren der Umgebung. Er hatte keinen Erfolg. Auch eine Recherche in den Fachbüchern brachte ihn nicht weiter. Er fertigte eine Fotografie der mikroskopischen Vergrößerung und schickte sie an Kollegen. Nach einer Woche erhielt er eine Antwort. Es handelte sich um das Schwanzhaar eines Eichhörnchens.

Inzwischen hatte derselbe Labortechniker auch den Inhalt der Staubsaugerbeutel, die die Ermittler bei der Durchsuchung von Albrights Haus und Fahrzeug gefüllt hatten, überprüft. Darin fand er ein identisches Eichhörnchenhaar. Das Haar eines Eichhörnchens in einer normalen Wohnung war schon sehr ungewöhnlich. Aber ein exaktes Duplikat, das augenscheinlich vom selben Tier stammte, an einem anderen Ort sicherzustellen, der vermutlich Tatort eines Mordes war, bedeutete einen Volltreffer. Wie sollte es da keinen Zusammenhang geben?

Der Labortechniker unterrichtete die Kriminalbeamten von dem Fund. Man spekulierte, was geschehen war. Charles Albright und Shirley Williams waren zu der Wiese herausgefahren, um dort Sex zu haben. Die beiden zogen sich die Kleider aus und legten diese nebeneinander. Während sie zugange waren, schlich ein Eichhörnchen über die Klamotten. Nach dem Mord schnappte Charles Albright sich seine Jacke und schmiss sie zu Hause auf den Boden. Dabei löste sich das Haar des Eichhörnchens.

Die Theorie war gut. Sie hatte bloß einen Makel. Nach dem damaligen Stand der forensischen Wissenschaft war nicht auszuschließen, dass andere Eichhörnchen identische Haare hatten. Es war unwahrscheinlich, kam aber in der Natur vor.

Eine DNA-Analyse, die das zweifelsfrei hätte klären können, gab es zu dem Zeitpunkt zwar schon. Doch das Verfahren war erst wenige Jahre zuvor erstmals vor Gericht zugelassen worden, steckte im Hinblick auf die Analysemöglichkeiten noch in den Kinderschuhen und wurde in der kriminalistischen Praxis noch selten angewendet. Zudem galt die Methode damals als sehr zeitaufwendig und teuer – zu teuer, um damit Haare von Eichhörnchen zu testen.

Viele Treffer bei den Haarspuren

Das Kriminallabor landete bei seinen Haaranalysen weitere bemerkenswerte Treffer. In den Staubsaugerbeuteln fanden sich nämlich acht Haarsträhnen, die mit dem Haar von Shirley Williams übereinstimmten. Sechs weitere Haare von Williams hafteten der blauen Decke an, die Polizeibeamte auf der Wiese neben dem gelben Regenmantel entdeckten.

Auf derselben Decke befanden sich drei Schamhaare, die man Charles Albright zuordnen konnte. Ein weiteres Schamhaar des Beschuldigten sicherte man im Nacken von Shirley Williams. Ein Kopfhaar von Charles Albright hatte sich im gelben Regenmantel verfangen. Weitere Haare von ihm wurden in einer Wunde im Gesicht von Williams, auf ihrem Rücken und an ihrer linken Hand gefunden. Drei Kopfhaare von Susan Peterson tauchten auf einer Decke auf, die man in Albrights Pick-up fand. Ebenso vier Haare, die vermutlich von Mary Pratt stammten.

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