(6) Die Ermittlungen

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Die Reporter vom »Los Angeles Examiner« waren etwas fixer als die Polizei. Sie klapperten mit der Täterbeschreibung die Hotels von San Diego ab und wurden noch am Samstag, dem 18. Januar 1947, fündig. Der Mann hieß Robert »Red« Manley und lebte in Los Angeles. Der 25-Jährige war verheiratet und von Beruf Vertreter. Er wurde am Samstagabend verhaftet. Harry Hansen und Finis Brown grillten ihn zwei Tage und zwei Nächte. Sie führten mehrere Lügendetektortests durch. Die Mühe war umsonst. Denn Manley besaß ein wasserdichtes Alibi.

Seine Frau, seine Schwiegereltern sowie Bekannte bezeugten, dass der Verdächtige die Mordnacht zu Hause verbracht hatte. Ein Ehepaar aus der Nachbarschaft war zum Spieleabend eingeladen gewesen. Der vermeintliche Mörder galt nun nur noch als wichtiger Augenzeuge, der zu den letzten Personen gehörte, die Elizabeth Short lebend gesehen hatten.

Manleys Aussage

Robert Manley berichtete, er habe am 8. Januar 1946 beruflich in San Diego zu tun gehabt. Short sei ihm an einer Straßenkreuzung aufgefallen. Eine schöne Frau ohne rechtes Ziel. Er habe angehalten und gefragt, ob er sie irgendwohin mitnehmen könne. Elizabeth Short habe sich zunächst zurückhaltend gegeben. Sie habe den Kopf abgewendet und ihn ignoriert. Aber er habe nicht locker gelassen und sie weiter bequatscht. Er habe ihr versichert, dass er ein harmloser Typ sei und sie nur nach Hause fahren wolle.

Danach habe ihm Short von ihrem Rauswurf erzählt. Sie habe nicht gewusst, wo sie unterkommen solle. Sie hätten zunächst ihr Gepäck abgeholt und anschließend in einem Motel in San Diego übernachtet. Manley beteuerte, er habe sie am nächsten Tag, dem 9. Januar, auf ihren eigenen Wunsch nach Los Angeles mitgenommen.

Sie hätten einen Zwischenstopp am Busbahnhof eingelegt. Dort habe sie ihre beiden Koffer in einem Schließfach hinterlegt. Anschließend habe er sie vor dem »Biltmore Hotel« in der Innenstadt abgesetzt. Short habe ihm erzählt, dass sie vorhabe, eine ihrer Schwestern in Berkeley zu besuchen. Sie sei mit ihr im Hotel verabredet. Gegen 18.30 Uhr habe er sich von ihr verabschiedet und sei nach Hause gefahren.

Robert Manley beschrieb den Ermittlern die Kleidung, die Elizabeth Short zu diesem Zeitpunkt trug, wie folgt: eine weiße Bluse mit Rüschen; ein schwarzes, kragenloses Kostüm; hochhackige Wildlederpumps; Nylonstrümpfe; weiße Handschuhe; ein langer, beiger Mantel.

Mehrere Hotelangestellte bestätigten diese Angaben. Elizabeth Short habe sich etwa zwei Stunden in der Hotellobby aufgehalten. Sie habe während dieser Zeit mehrfach eine der Telefonkabinen aufgesucht. Schließlich habe sie das »Biltmore« durch den Ausgang zur Olive Street verlassen. Der Hotelportier erinnerte sich, dass Short die Straße in südlicher Richtung hinuntergegangen sei.

Die Lobby des "Biltmore Hotel"
Die Lobby des „Biltmore Hotel“

Cleo Short

Harry Hansen und Finis Brown mussten nach einem neuen Täter Ausschau halten. Sie nahmen Cleo Short, den Vater der Toten, ins Verhör. Er wohnte inzwischen in Los Angeles, nur fünf Kilometer entfernt vom Fundort der Leiche. Er sagte aus, dass er seit drei Jahren keinerlei Kontakt zu Elizabeth gehabt habe. Er beklagte sich, das schlampige Mädchen habe sich nie um seine Wäsche und Küche gekümmert.

Am Ende der Vernehmung weigerte er sich sogar, formell die Leiche seiner Tochter zu identifizieren. Die Mutter des Mädchens musste dafür extra von der Ostküste anreisen. Der Mann mochte ein selbstsüchtiges Ekelpaket sein, aber er war nicht der Mörder seines eigenen Kindes, wie die weiteren Untersuchungen ergaben.

Die Polizei befragte in den folgenden Tagen, Wochen und Monaten insgesamt mehrere Tausend Leute, die in irgendeiner Weise Kontakt zu Elizabeth Short hatten. Die Aktenordner füllten sich rasend schnell. Unter den Befragten befand sich eine Vielzahl von Männerbekanntschaften der Toten. Durch die ausführliche Berichterstattung in der Presse meldeten sich zudem zahllose Spinner, die nach Aufmerksamkeit lechzten.

Weitere Ermittlungsansätze

Die Beamten probierten andere Ermittlungsansätze aus. Hansen und Brown fragten sich: Wo waren die Kleider und persönlichen Gegenstände der Toten abgeblieben? 40 Polizisten putzten Klinken in einem Umkreis von 2,5 Kilometern rund um den Fundort der Leiche. Sie befragten Anwohner, ob sie verdächtige Beobachtungen gemacht hatten. Sie durchwühlten Mülleimer. Sie öffneten die Gullis. Sie überprüften sogar die Waschsalons der Umgebung, ob jemand hier kürzlich blutige Wäsche gesäubert habe. Es trudelten ein paar neue Hinweise ein, von denen sich jedoch keiner als Treffer entpuppte.

Der Leichenbeschauer hatte die Ermittler darauf hingewiesen, dass die Art und Weise, wie der Mörder die Leiche zerteilt hatte, auf medizinische Kenntnisse des Täters hindeuten würde. So gerieten einerseits eine Reihe von Ärzten ins Visier von Hansen und Brown, zum anderen die medizinische Fakultät der University of South California. Sie war in der Nähe des Leichenfundorts ansässig. Alle Überprüfungen verliefen im Sande.

 

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