(2) Fleischgewordenes Drama

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Die Fingerabdrücke führten in der Tat zur raschen Lösung des Rätsels um die Identiät der unbekannten Toten. Eine Zeitung aus dem Hearst-Konzern bot der Mordkommission an, die Karte mit den Abdrücken noch in derselben Nacht zu einem Schwesterblatt in Washington zu senden. Die Kollegen konnten die Unterlagen direkt im Anschluss zum FBI bringen.

Identifizierung der unbekannten Toten

In diesem Fall zahlte sich die Zusammenarbeit mit der Presse für die Polizei aus. Die Zeitung verfügte über ein hochmodernes Bildfunkgerät, das sich »Soundphoto« nannte – im Prinzip ein Vorgänger der heutigen Faxgeräte. Das LAPD war noch Jahre davon entfernt, sich eine vergleichbare technische Ausstattung leisten zu können. Binnen zwei Stunden waren die Dokumente im Hauptquartier des FBI.

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Fingerabdrücke von Elizabeth Short

Das FBI hortete in seinem Archiv nicht nur die Abdrücke von Straftätern, sondern von Millionen Amerikanern, die für den Staat oder als Zivilpersonen für das Militär tätig gewesen waren. Die Suche entpuppte sich als Volltreffer. Am frühen Morgen des 16. Januar wurde der zuständige FBI-Agent fündig. Die Tote hieß Elizabeth Short und hatte während des Krieges auf einem Militärstützpunkt in Nordkalifornien gearbeitet.

Das FBI schickte ihre Akte per Soundphoto nach Los Angeles. Als die Reporter das Foto der jungen Toten sahen, wussten sie, sie waren einer ganz heißen Geschichte auf der Spur. Das 22-jährige Opfer war eine attraktive Frau gewesen. Der alte Reporter-Spruch »sex sells« galt über den Tod hinaus.

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Elizabeth Short neben ihrer Mutter Phoebe

 

Brutaler Konkurrenzkampf

Die Journalisten hatten Blut geleckt. Sie riefen umgehend bei Phoebe Short an, der Mutter des Mordopfers. Sie erzählten ihr, ihre Tochter habe einen Schönheitswettbewerb gewonnen. Dann quetschten sie aus der armen Frau so viele persönliche Informationen über Elizabeth Short heraus, wie nur irgend möglich war. Erst am Ende des Telefonats setzten sie die Mutter darüber in Kenntnis, dass ihre Tochter ermordet worden war. Das waren die Schattenseiten der engen Kooperation von Polizei und Medien.

Die Presse scherten solche moralischen Bedenken nicht. In Los Angeles herrschte damals ein brutaler Konkurrenzkampf zwischen den Zeitungen des Medien-Tycoons William Randolph Hearst und den Blättern der Chandler-Dynastie, zu denen die »Los Angeles Times« zählte. Das Hearst-Imperium war der Konkurrenz am 16. Januar eine Nasenlänge voraus. Am Nachmittag erschienen die ersten Ausgaben mit einer Geschichte auf Seite eins, die ihren Lesern Gewalt, Sex und Schönheit versprach. Die Story würde wochenlang die Titelseiten füllen.

Die »schwarze Dahlie«

Elizabeth Short verkörperte das weibliche Ideal der 1940er: wohlproportionierte Beine, geschwungene Hüften und eine kleine Stupsnase. Sie färbte ihre lockigen braunen Haare mal hennarot, mal pechschwarz. Sie malte ihre Lippen blutrot an und steckte sich weiße Blüten ins Haar. Das kräftige Make-up, ihre alabasterweiße Haut und die leuchtend blauen Augen ließen sie auf den Fotos wie eine Porzellanpuppe wirken. Diese Frau war fleischgewordenes Drama. Die Zeitungen würden Zusatzauflagen drucken müssen, um die Neugier ihrer Leserschaft zu stillen.

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Elizabeth Short

Der Spitzname, den ihr die Presse posthum verpasste, trug nicht unwesentlich dazu bei, dass das Mordopfer im ganzen Land zur Berühmtheit wurde: die »schwarze Dahlie«. Die Reporter liebten es, griffige Namen für Opfer und Täter zu erfinden. Im Fall von Elizabeth Short reichte eine Recherche im Küstenort Long Beach. Elizabeth Short hatte dort im Sommer vor ihrem Tod einige Tage verbracht.

Der Reporter Bevo Means befragte die Angestellten eines Drugstores nach der Toten. Short hatte sich hier mehrfach aufgehalten. Sie erzählten, dass damals der Film-Noir-Klassiker »Blue Dahlia« [Link zu Wikipedia] ein großer Hit war. Weil Short ständig schwarze Kleider trug, nannte einer der Bediensteten sie scherzhaft „Black Dahlia“. Bevo Means hatte seine Schlagzeile.

 

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