(3) »Zum Goldenen Handschuh«

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Der saufende, kettenrauchende Fritz Honka mit den entstellten Gesichtszügen, der fehlenden Zahnreihe und einem IQ, der minimal über der Debilitätsgrenze lag, war nicht gerade der Hauptgewinn in der Beziehungslotterie. So viel war Honka selber klar. Und er hasste diesen Zustand. Spätestens nach seiner zweiten Trennung von Inge 1967 reagierte er sehr wütend, wenn ihn jemand spüren ließ, wie unzulänglich er war.

Der Hamburger Berg

Anschluss fand Honka in den Schnapskaschemmen am Hamburger Berg, einer Seitenstraße der Reeperbahn auf St. Pauli. Direkt in der Parallelstraße hatte im Übrigen die mehrfache Kindsmörderin Elisabeth Wiese, die »Engelmacherin von St. Pauli«, gelebt und getötet. Wenn Honka frühmorgens von der Schicht kam, kehrte er in Läden wie dem »Goldenen Handschuh«, dem »Elbschloß-Keller« oder dem »Hong-Kong« ein.

Diese Kneipen gibt es nach wie vor. Sie sind 365 Tage im Jahr rund um die Uhr geöffnet. Zur Ehrenrettung sei hinzugefügt: Honka und Konsorten sind 40 Jahre her. So weit ich das aus der Ferne zu beurteilen vermag, richten sich die Lokale heute eher an ein junges und touristisches Publikum.

Fritz Honka hatte es damals insbesondere die Kneipe »Zum Goldenen Handschuh« angetan. Goldener Handschuh und Fritz Honka waren ein feststehender Begriff. Später, als es der Stammgast zur zweifelhaften Berühmtheit brachte, taufte der Volksmund den Laden kurzerhand in »Honka-Stuben« um.


Der „Goldene Handschuh“. Direkt gegenüber ist der Elbschloß-Keller (Bild mit der gedrückten linken Maustaste bewegen). Das Hong-Kong ist weiter nördlich in der Straße auf der linken Seite.

 

Fanta-Korn für »Fiete«

Hier kannte ihn jeder unter dem Spitznamen »Fiete«. Fiete Honka pfiff sich am Abend bis zu zehn Fanta-Korn rein. Er stand meist am Rande herum, qualmte eine »Sheffield Super-lang« nach der anderen und beobachtete stumm das Geschehen.

Der Laden galt in den 1970ern als Treffpunkt für in die Jahre gekommene Prostituierte, Trinker und Obdachlose. Die BILD-Zeitung wusste wie immer noch mehr: Für fünf Mark und einen Kurzen legten die Damen angeblich auch mal unter dem Tisch Hand an, wenn es dem Kunden pressierte, wie die unverwüstlichen Reporter geflissentlich berichteten. In diesem Milieu fühlte sich Honka sicher, ja, sogar den anderen überlegen. Auch er war ein Säufer. Aber man sah es ihm nicht auf den ersten Blick an.

Er trug immer saubere Kleidung und ein gepflegtes Menjou-Bärtchen. Meistens erschien er ohnehin in seiner Wachmann-Uniform. Dann führte er eine Gaspistole bei sich. Die brauche er wegen der Arbeit, sagte er, wenn er sie stolz vorzeigte. Er erzählte von seiner Wohnung in Ottensen. Das war schon mehr als die meisten anderen in dem Laden zu bieten hatten.

Der Lebemann mit den Spendierhosen

Fritz Honka ließ im »Goldenen Handschuh« gern den spendablen Lebemann heraushängen. Er gab den Bedienungen ein großzügiges Trinkgeld. An einige der Trinkerinnen wanzte er sich heran, indem er sie zu Schnaps, Bier und Sekt einlud.

Irgendwie gelang es ihm, dies im Verborgenen zu handhaben. Denn niemand konnte sich später daran erinnern, dass Honka jemals die Kneipe in Begleitung einer Frau verlassen hatte. Von seinen Opfern weiß man, dass sie keine feste Bleibe hatten. Die Aussicht auf eine Unterkunft und kostenlosen Fusel bis zum Abwinken mochte da schon verlockend genug gewesen sein.

Fritz Honka sagte später aus, dass er ursprünglich in den „Goldenen Handschuh“ und die anderen Kneipen gegangen sei, um unter Menschen zu sein. Um jemanden zu finden, mit dem er reden konnte und der ihm zuhörte.

Der General

Die Frauen, die er jedoch nach Hause abschleppte, waren verzweifelte, betrunkene und gescheiterte Existenzen. Dass sie Honka folgten, weil er ein begnadeter Erzähler war, darf man bezweiflen. Sie endeten auf Honkas Kinderpuppen-Coach und starrten die nackten Körper von dreihundert Pin-up-Girls an, die an den Wänden klebten, während sich der schnaufende Fritze Honka über sie beugte.

Wenn er mit seiner Abschleppmasche nicht erfolgreich war, kaufte er sich in den einschlägigen Bordellen und billigen Stundenhotels rund um die Reeperbahn Sex. Später, als die Zeitungen Honkas Geschichte groß herausbrachten, meldeten sich eine Reihe von Informanten bei den Reportern, die Honka gekannt haben wollten. Der kleine Nachtwächter habe gerne kniehohe Lederstiefel und einen schwarzen Lackmantel getragen. Die Huren hätten ihn »General« nennen müssen. Und er habe harten Sadomaso-Sex verlangt.

Fritz Honkas Hände

Ob an diesen Geschichten wirklich etwas dran war, lässt sich nicht beantworten. Als Honkas Verbrechen publik wurden, herrschte bei den Medien gerade Sommerflaute. Honka bestimmte in Ermangelung anderer Themen wochenlang die Schlagzeilen. Die Präsenz in den Medien lockte jede Menge Wichtigtuer auf den Plan. Die Reporter druckten alles, um die Maschinerie am Laufen zu halten. Alsbald pumpten sie den abgehalfterten Säufer aus Ottensen zum »Blaubart von Mottenburg« und »Mörder mit den Schaufelhänden« auf.

Nichts beflügelte die Fantasie der Leser mehr, als ein Mörder, der seine Leichen zerstückelte. Tatort war ausgerechnet Hamburg, »die deutsche Pressestadt«, um Götz George in »Schtonk« zu zitieren. Die BILD-Zeitung hatte quasi Heimspiel. Sie schoss sich auf Honkas Hände ein, die von Gelenkrheuma deformiert waren.

Das seien keine menschlichen Hände, sondern in Wahrheit regelrechte »Tatwerkzeuge« gewesen, ausgestattet mit »riesigen Fingernägeln, die zu breiten, langen Krallen nach vorne gewachsen sind«. Damit sei Honka den Frauen »brutal unter ihren dünnen Rock gefahren«, habe »blindlings zugeschlagen« oder gar »an den Leichen rumgeschnippelt«. Wer da nicht mit zittrigen Händen den Morgenkaffee schlürfte, war zu abgebrüht für diese Welt.

Der geborene Nachtwächter

Ein Detail, das wiederholt in den Geschichten über Fritz Honka auftauchte, stimmte wohl tatsächlich. Der Nachtwächter hatte einen ausgeprägten Ordnungs- und Sauberkeitsfimmel. Zum einen deutete er das später selber in den Verhören an. Zum anderen bestätigten die Beamten, die den Tatort untersuchten, dass Honka die Oberhemden und andere Kleidung akkurat im Schrank gestapelt hatte.

Zudem erzählten Bekannte von ihm, dass er nicht nur im »Goldenen Handschuh« vollkommen in seiner Rolle als Nachtwächter aufging. Sobald sich ihm die Gelegenheit bot, jemanden zurechtzuweisen, nutzte er sie. Wehe, jemand hatte sich unbefugterweise auf ein von ihm bewachtes Grundstück verirrt. Oder einfach nur den Wagen falsch geparkt. Dann schritt Fritze Honka ein.

Die unbeschwerten Tage hemmungsloser Schikane waren für Fritz Honka vorbei. Denn inzwischen hatten andere Personen das Kommando über sein Leben übernommen: die Polizei.

 

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2 Kommentare

  1. Es war nicht der Volksmund der das Schild Honka Stuben aufhängte,es waren die Inhaber der herunter gekommenen Kaschemme die sich bis heute damit rühmen das er seine Opfer dort kennen lernte,was sind das für Menschen?!

  2. Respekt Christian Bockelmann!
    Genau so geht es mir grad auch. Ich suche einen Artikel, der genau das Aufhängen des Schildes mal hinterfragt. Ich bin schon seit ner Stunde am Suchen – Nirgendwo irgendwas in der Richtung. Wahnsinn, dass es einen Kommentar einer einzelnen Person braucht, und dann gibt es noch nicht mal irgendwelche Antworten, geschweige Zustimmungen. In was für ner Welt leben wir eigentlich? Also mehr Abschaum geht nicht.

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