Zum Zeitpunkt, als man John Wayne Gacy den Prozess machte, wussten die Behörden von 33 Opfern. Doch nur 22 von ihnen waren bis dahin identifiziert worden. Inzwischen kennt man die Namen von 26 Opfern, aber die Identität von sieben Toten ist bis heute ein Rätsel geblieben. Deshalb ermittelt die Polizei nach wie vor in diesem Fall. Die Fortschritte in der DNA-Analyse geben Anlass zur Hoffnung, dass diese Suche auch nach mehr als 35 Jahren noch zum Erfolg führen kann.
Die Ermittler waren mit dem Problem konfrontiert, dass die Toten bereits verwest waren. Die Durchsuchung von Gacys Haus und der sterblichen Überreste seiner Opfer ergab nur wenige konkrete Hinweise auf die Identität. Zwei der Opfer konnte man identifizieren, weil sie vor ihrem Verschwinden bei Gacy beschäftigt gewesen waren.
Timothy O‘Rourke hatte kurz vor seinem Tod geäußert, ein Bauunternehmer habe ihm einen Job in Aussicht gestellt. In anderen Fällen hatte Gacy persönliche Gegenstände der Toten aufbewahrt. Michael Bonnin wurde zum Beispiel identifiziert, weil man seinen Angelschein bei Gacy gefunden hatte.
Die namentlich bekannten Opfer
Doch 1979 existierte noch kein DNA-Analyseverfahren. Damals konnte die Polizei nur auf eine einzige medizinische Methode zurückgreifen, um die Namen der Opfer eindeutig zu bestimmen. Die Beamten verglichen die Gebisse der Leichen mit Röntgenbildern von vermissten Personen ab, die sich in der Vergangenheit einer zahnärztlichen Untersuchung unterzogen hatten. Die Namen der Opfer soweit heute bekannt:
- Timothy McCoy (15), 3. Januar 1972
- John Butkovitch (17), 29. Juli 1975
- Darrell Sampson (18), 6. April 1976
- Randall Reffett (15), 14. Mai 1976
- Samuel Stapleton (14), 14. Mai 1976
- Michael Bonnin (17), 3. Juni 1976
- William Carroll (16), 13. Juni 1976
- Rick Johnston (17), 6. August 1976
- Kenneth Parker (16), 24. Oktober 1976
- Michael Marino (14), 24. Oktober 1976*
- William Bundy (19), 26. Oktober 1976
- Gregory Godzik (17), 12. Dezember 1976
- John Szyc (19), 20. Januar 1977
- Jon Prestidge (20), 15. März 1977
- Matthew Bowman (19), 5. Juli 1977
- Robert Gilroy (18), 15. September 1977
- John Mowery (19), 25. September 1977
- Russell Nelson (21), 17. Oktober 1977
- Robert Winch (16), 10. November 1977
- Tommy Boling (20), 18. November 1977
- David Talsma (19), 9. Dezember 1977
- William Kindred (19), 16. Februar 1978
- Timothy O’Rourke (20), 16.-23. Juni 1978
- Frank Landingin (19), 4. November 1978
- James Mazzara (21), 24. November 1978
- Robert Piest (15), 11. Dezember 1978
(*zu den Problemen hinsichtlich der Identifizierung von Michael Marino siehe weiter unten)
Die nicht identifizierten Opfer
Obwohl die Polizei alle bekannten Vermisstenanzeigen überprüfte und Gesichtsrekonstruktionen in Auftrag gab, konnten sieben Opfer nicht identifiziert werden. In diesen Fällen ließen sich nur das Alter und der Todeszeitpunkt ungefähr schätzen:
- Männliches Opfer 14-18 Jahre, verstorben Januar 1974
- Männliches Opfer 22-30 Jahre, verstorben 13. Juni – 6. August 1976
- Männliches Opfer 15-19 Jahre, verstorben 13. Juni – 6. August 1976
- Männliches Opfer 17-21 Jahre, verstorben 6. August – 5. Oktober 1976
- Männliches Opfer 21-27 Jahre, verstorben 6. August – 24. Oktober 1976
- Männliches Opfer 22-32 Jahre, verstorben Dezember 1976 – 15. März 1977
- Männliches Opfer 17-21 Jahre, verstorben 15. März – 5. Juli 1977
William Bundy
Am 11. Oktober 2011 gab Thomas Dart, Sheriff des Cook County, auf einer Pressekonferenz bekannt, dass der Kriminalpolizei inzwischen von allen unbekannten Opfern eine DNA-Probe vorliege. Er forderte Angehörige und Polizeidienststellen im ganzen Land auf, sich bei seiner Dienststelle zu melden, sofern die vermisste Person im Zeitraum zwischen 1970 und 1979 verschwunden war.
Bereits im November 2011 konnte die Polizei des Cook County den ersten Erfolg verbuchen. Eine DNA-Analyse hatte ergeben, dass sich unter den Opfern der 19-jährige William Bundy befand. Er war am 26. Oktober 1976 verschwunden, als er sich auf den Weg zu einer Party begab.
Wie die Ermittlungen ergaben, hatte William Bundy gelegentlich auf dem Bau gearbeitet. Bisher war aber nichts davon bekannt gewesen, dass er Kontakt zu John Gacy hatte. Seine Leiche konnte 1979 nicht identifiziert werden, weil sein Zahnarzt sich bereits zur Ruhe gesetzt und seinen gesamten Aktenbestand vernichtet hatte.
Das Marino-Problem
Am 25. Oktober 2012 überprüfte ein Labor die Gewebeprobe eines Toten, den die Behörden 1980 als Michael Marino identifiziert hatten. Das Ergebnis fiel negativ aus – keine Übereinstimmung. Die DNA-Analyse war auf Bitten von Marinos Mutter zustande gekommen. Sherry Marino hatte seit 1980 bezweifelt, dass sich ihr Sohn unter Gacys Opfern befand. Die Polizisten hatten ihr seinerzeit seinen vermeintlichen Leichnam gezeigt. Die Kleidung war ihr völlig unbekannt.
Die Nachuntersuchung im Herbst 2012 ergab zudem, dass auch das Zahnbild der Leiche nicht mit Röntgenbildern übereinstimmte, die ein Zahnarzt im März 1976 von Marinos Gebiss angefertigt hatte. Doch bei den Ermittlungen 1980 hatte dieser Zahnvergleich noch zur Identifizierung von Michael Marino geführt. Wie war das möglich? Hatten die Behörden geschlampt?
Man befragte den Kieferorthopäden, der 1980 die Vergleiche durchgeführt hatte. Er schwor, dass er in jedem Fall pingelig genau vorgegangen sei. An den Fall Marino konnte er sich noch sehr genau erinnern. Der Kieferorthopäde wusste sogar noch aus dem Gedächtnis die auffälligen Merkmale zu benennen, anhand derer er Marino identifiziert hatte. Der Befund stimmte mit den realen Röntgenbildern von 1976 überein.
Vertauschte Leichen?
Die Ermittler spekulierten über eine andere Möglichkeit. Hatte man vielleicht die sterblichen Überreste zweier Leichen bei der Beerdigung vertauscht? Hatte man Marinos Mutter möglicherweise das Skelett eines unbekannten Toten gezeigt?
Die Kriminalbeamten beharrten auf ihrer Einschätzung, dass Michael Marino zu John Gacys Opfern zählte. Ihrer Ansicht nach gab es dafür ein weiteres stichhaltiges Indiz. Man hatte den Leichnam direkt neben dem Skelett von Kenneth Ray Parker ausgegraben, der am gleichen Tag wie Marino verschwunden und eng mit ihm befreundet gewesen war. Welche logische Erklärung sollte es sonst für diese Tatumstände geben?
Sherry Martino überzeugte diese Argumentation nicht. Sie erwirkte im Dezember 2014 einen richterlichen Beschluss, der die Behörden dazu zwang, auch den Leichnam von Kenneth Parker zu exhumieren und einen DNA-Test an ihm durchzuführen. Die Mutter von Michael Marino erhoffte sich dadurch den Nachweis, dass weder Parker noch ihr Sohn John Gacy zum Opfer fielen und in Wahrheit noch lebten. Bisher ist noch nichts über die Ergebnisse der Untersuchung bekannt geworden.
weiter zu —> (15) Hat Gacy noch weitere Opfer getötet?
Weitere Kapitel zum Fall John Wayne Gacy
- »Pogo der Killer-Clown« – John Wayne Gacy Jr.
- (2) Die Fassade bröckelt
- (3) Der dickliche Sadist
- (4) Das Spiel ist aus
- (5) Leichen im Keller
- (6) Archäologische Ausgrabungen
- (7) Eine Kindheit in Chicago
- (8) Ein Mann auf dem Weg nach oben
- (9) Flecken auf der weißen Weste
- (10) Neuanfang in Chicago
- (11) Gacys erste Morde
- (12) Ein entfesselter Serienkiller
- (13) Serienmörder mit Platzproblemen
- (14) Probleme bei der Identifizierung der Leichen
- (15) Hat Gacy noch weitere Opfer getötet?
- (16) Hatte Gacy Komplizen?
- (17) Das Ende von Pogo dem Killer-Clown
- Bücher zu John Wayne Gacy
- Filme zu John Wayne Gacy