Am Ende bleibt eine Frage offen: War das wirklich alles? Oder hat Rodney James Alcala, der „Dating Game Killer“, noch mehr Opfer auf dem Gewissen? 2010 wandte sich die Polizei von Huntington Beach an die Öffentlichkeit. Sie ließ rund 120 der tausend Fotos, die man 1979 in der Lagerbox in Seattle entdeckt hatte, in Zeitungen und im Internet veröffentlichen. Denn in zwanzig Jahren war es den Polizeibehörden nicht gelungen, einen Großteil der abgebildeten Personen zu identifizieren. Und die Beamten gaben sich nicht der Illusion hin, dass Rodney Alcala mit Informationen freiwilig herausrücken würde.
In einigen wenigen Fällen war auf der Rückseite ein Name oder eine Adresse vermerkt gewesen. So hatte Rodney Alcala z.B. Judy Cole (19) und Alice Feiring (13) 1977 zu einem Fotoshooting überredet. Glücklicherweise stellte sich in diesen Fällen heraus, dass die Personen noch lebten. In sechs Fällen meldeten sich Leute, die auf den Bildern Angehörige wiederzuerkennen glaubten, die seit langer Zeit als vermisst galten. Die daran anknüpfenden Ermittlungen der Polizei verliefen aber ergebnislos. Die meisten Abgebildeten sind nach wie vor nicht identifiziert. Es bleibt ein Rätsel, ob sich darunter weitere Opfer Rodney Alcalas befinden.
Pamela Jean Lambson
Darüber hinaus gilt Rodney Alcala in einigen bisher noch nicht geklärten Mordfällen als Hauptverdächtiger. Die Polizei des kalifornischen Marin County ist zum Beispiel überzeugt, dass Alcala die 19-jährige Pamela Jean Lambson ermordet hat. Die junge Frau verschwand am 7. Oktober 1977 nach einem Trip zu dem berühmten Ausflugsziel »Fisherman’s Wharf« [Link zu Wikipedia-Artikel] in San Francisco. Bekannte von Lambson berichteten der Polizei, dass sie dorthin aufgebrochen sei, um einen Mann zu treffen. Der habe ihr zuvor versprochen, Fotos von ihr zu schießen.
Ihre nackte Leiche fand man einen Tag später am Rande eines einsamen Wanderpfads am Mount Tamalpais im Marin County. Pamela Lambson war vergewaltigt, erwürgt und erschlagen worden. Rodney Alcalas Modus Operandi war praktisch identisch. Aber das DNA-Material, das die Polizei am Tatort gesichert hatte, taugte aufgrund der langen Lagerung nicht mehr für einen DNA-Vergleich. Die Polizei des Marin County ist dennoch von Alcalas Schuld überzeugt und hat die Akte Lambson im März 2011 geschlossen. Der Fall ist aus Sicht der zuständigen Kriminalbeamten geklärt. Alcala schweigt zu den Vorwürfen.
Antoinette Whitaker und Joyce Gaunt
Zudem steht Alcala unter Verdacht, im Juli 1977 die 13-jährige Antoinette Whitaker und im Februar 1978 die 17-jährige Joyce Gaunt ermordet zu haben. Die Leiche von Antoinette Whitaker wurde auf einem Baugrundstück im Nordosten von Seattle gefunden, die sterblichen Überreste der geistig behinderten Joyce Gaunt im Seward Park, der ebenfalls in Seattle gelegen ist. Seitdem man das Schließfach entdeckt hat, weiß die Polizei, dass Rodney Alcala einen Bezug zu Seattle hatte.
Cherry Greenman
Außerdem untersucht das in Seattle ansässige Sheriffbüro des King County, ob Alcala in Verbindung mit dem Mord an Cherry Greenman zu bringen ist, die 1976 im Alter von 19 Jahren aus Waterville, Washington, verschwand. Die King County Police hatte ursprünglich den »Green River Killer« Gary Ridgway für diese Tat im Verdacht.
UPDATE
Christine Ruth Thornton
Im Sommer 2016 verzeichnete die landesweite Fahndung nach potenziellen weiteren Opfern Alcalas mittels seiner Fotosammlung einen ersten konkreten Erfolg. Kathy Thornton glaubte ihre seit 1977 vermisste Schwester Christine wiederzuerkennen, die auf einer Reise von Texas nach Montana spurlos verschwunden war.
Ein erster Kontakt zur zuständigen Polizeibehörde in Huntington Beach verlief jedoch ergebnislos. Kathy Thornton sandte daraufhin eigenes DNA-Material an die University of North Texas. Die Universität beteiligte sich an dem landesweiten Projekt NAMUS. Bei NAMUS handelte es sich um eine Datenbank, in der die DNA von vermissten Personen oder deren direkten Verwandten zusammengeführt wird. Polizeidienststellen aus den ganzen USA konnten die Daten mit der DNA von Toten abgleichen, die sich bisher nicht identifizieren ließen.
Im Falle Christine Thornton landete man einen Volltreffer. Die Polizei von Sweetwater County aus dem südwestlichen Wyoming führte einen ungelösten Mordfall in den Akten, zu dem die sterblichen Überreste einer jungen, schwangeren Frau zählten. Ihre Gebeine wurden 1982 nahe der Stadt Granger aufgefunden, lange nachdem sie zu Tode gekommen war. Ein Abgleich der Knochen-DNA mit den Daten von Kathy Thornton ließ keinen Zweifel offen: Die Tote war ihre 1977 verschwundene Schwester.
Die Polizei verglich anschließend das von Alcala geschossene Foto der Toten mit dem Leichenfundort. Ergebnis: Das Foto musste in der unmittelbaren Umgebung entstanden sein, vermutlich kurz vor ihrer Ermordung. Die Beamten vernahmen darüber hinaus Rodney Alcala. Er gab zu, dass er der Fotograf des Bildes war. Er stritt jedoch ab, Christine Thornton getötet zu haben.
Obwohl Polizei und Schwester Kathy überzeugt sind, dass Rodney Alcala Christine Thorton ermordet hat, wird wohl in diesem Fall kein Verfahren gegen ihn eröffnet. Zum Zeitpunkt der Polizeibefragung zeigte Alcala bereits Anzeichen einer Demenzerkrankung und befand sich ärztlicher Behandlung. Den Angehörigen von Christine Thornton bleibt nur die Gewissheit, dass ihr Mörder niemals mehr das Gefängnis als freier Mann verlassen wird.
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Hallo, vielen Dank für den detailliert sehr gut verfassten Artikel.
Ich lese Ihre Seite nachdem ich Ihr Buch Todesmeile gelesen habe, welches ich auch
Kaum aus der Hand legen konnte.
Der Alcala Fall war für mich neu, hierzu habe ich im Doe Network noch folgenden Artikel entdeckt aus 2015
http://www.doenetwork.org/closed/articles/1055ufwy_article.pdf
Viele Grüße
Stefan Moens
Sehr interessante Info, Herr Moens, vielen Dank! Wenn ich es richtig verstehe, ist die Polizei Alcala in diesem Fall durch eines der Fotos auf die Spur gekommen, das vermutlich aus dem Inventar der konfiszierten Lagerbox stammte. Dann hätte die Veröffentlichung dieser Bilder seinerzeit doch noch was gebracht. Ich gehe der Geschichte mal am Wochenende nach. Vielleicht hat es inzwischen noch weitere Entwicklungen gegeben.
Vielen Dank nochmals, auch für Ihr Lob natürlich!
Herzliche Grüße
Richard Deis
Hallo,
So habe ich es auch verstanden.
Die Schwester von Christine Thornton hat Sie auf einem Bild erkannt.
Die Überreste wurden in 1982 entdeckt und in 2015 dank DNA zugeordnet.
Was mich zudem wieder erschreckt ist der Umstand, dass zum wiederholten Mal ist auch Seattle im Focus ist.
Warum ausgerechnet dort die Lagerbox war ? Wie ich es verstanden habe war Alcala doch hauptsächlich in Kalifornien und New York unterwegs.
Viele Grüße und danke für die schnelle Reaktion.
Stefan Moens