Am 13. Oktober 1969, zwei Tage nach dem Mord an dem Taxifahrer Paul Stine, erhielt der „San Francisco Chronicle“ ein Bekennerschreiben vom Zodiac-Killer, das mit der Aufforderung „Bitte umgehend an den Herausgeber weiterleiten“ versehen war. Das Schreiben war am Vortag in San Francisco aufgegeben worden. Auf dem Briefumschlag klebte wieder einmal zu viel Porto.
Damit überhaupt keine Zweifel aufkommen konnten, ob der Täter für dieses Verbrechen infrage kam, legte der Mörder dem Brief ein eindeutiges Beweisstück bei – einen blutigen Fetzen Stoff, der nachweislich vom Hemd des Toten stammte.
Brief vom 13. Oktober 1969
Hier spricht der Zodiac.
Ich bin der Mörder des Taxifahrers drüben an der Ecke Washington Street und Maple Street letzte Nacht. Zum Beweis habe ich ein blutbeflecktes Stück seines Hemds beigelegt. Ich bin derselbe Mann, der die Leute in der North Bay umgelegt hat.
Die Polizei von San Francisco hätte mich letzte Nacht schnappen können, wenn sie den Park richtig durchsucht hätten. Stattdessen haben sie mit ihren Motorrädern Straßenrennen veranstaltet, um zu sehen, wer mehr Krach macht. Die Streifenwagenbesatzungen hätten einfach nur anhalten und ruhig abwarten müssen, bis ich aus meinem Versteck hervorgekommen wäre.
Schulkinder geben nette Ziele ab. Ich denke, ich sollte eines Tages mal einen Schulbus abknallen. Bloß die Vorderreifen platt schießen und mir dann die Kinder vornehmen, wenn sie heraus gerannt kommen.
Eine konkrete Drohung
Die konkrete Drohung, einen Schulbus anzugreifen, versetzte die Behörden natürlich in höchsten Alarm. Bei diesem Burschen war mit allem zu rechnen. Man verzichtete vorläufig darauf, die Öffentlichkeit zu informieren, um eine Panik zu vermeiden. Stattdessen fuhren nun bewaffnete Polizisten in den Schulbussen mit. Tagsüber kreisten verstärkt Helikopter am Himmel, um die Busrouten zu überwachen.
Zodiac verlangt Anwalt
Am 22. Oktober 1969 ging um 2.00 Uhr früh ein Anruf beim Polizeirevier von Oakland ein. Der männliche Anrufer behauptete: „Hier spricht der Zodiac. Ich möchte F. Lee Bailey sprechen. Wenn Sie mich nicht mit Bailey verbinden können, verschaffen Sie mir einen Kontakt zu Melvin Belli. Ich möchte einen der beiden in der Talkshow von Kanal 7 sehen. Ich werde mich dann telefonisch melden.“
Beide Personen gehörten zu den bekanntesten US-amerikanischen Anwälten jener Zeit. F. Lee Bailey war als Strafverteidiger von Dr. Sam Sheppard und dem möglichen „Boston-Strangler“ Albert DeSalvo berühmt geworden. Später sollte er noch als Anwalt von Patty Hearst und O.J. Simpson für Furore sorgen. Melvin Belli vertrat vor allem Hollywoodstars in Schadensrechtsangelegenheiten, hatte jedoch auch als Verteidiger von Jack Ruby von sich reden gemacht. Ruby hatte Lee Harvey Oswald, den mutmaßlichen Mörder von Präsident John F. Kennedy, vor laufenden Kameras erschossen.
Talkshow vom 22. Oktober 1969
Der Beamte verständigte umgehend seinen Vorgesetzten, der bei Bailey kein Glück hatte, aber immerhin Belli zu dieser späten Stunde an den Apparat bekam. Die Talkshow lief bereits im Morgenprogramm, sodass Eile geboten war. Melvin Belli fuhr ins Studio und wartete gemeinsam mit Moderator Jim Dunbar auf einen weiteren Anruf des angeblichen Zodiac.
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Melvin Belli
Insgesamt 35 Anrufer meldeten sich bei der Talkshow, von denen zwölf auf Sendung gingen. Ein gewisser „Sam“ behauptete, er leide unter heftigen Kopfschmerzen. Dieses Kopfweh habe eine konkrete Ursache. Er habe getötet. Er wolle nicht in der Gaskammer enden.
Melvin Belli versicherte dem Anrufer, dass er für seine Taten keine Todesstrafe zu befürchten habe. Sie sei derzeit vom Staat Kalifornien ausgesetzt. Er riet ihm, sich den Behörden zu stellen. Belli unterhielt sich auch noch mit „Sam“, als sie nicht mehr auf Sendung waren. Sie verabredeten sich zu einem geheimen Treffen in Daly City am gleichen Morgen. Der Anwalt wartete dort 45 Minuten – vergeblich.
Es konnte nie geklärt werden, ob es sich bei dem Anrufer tatsächlich um den mysteriösen Zodiac gehandelt hatte. Zum einen gab er im Telefonat keinerlei Details preis, die nur dem Täter bekannt gewesen wären. Zum anderen war der Polizeibeamte, der in der Nacht den ersten Anruf entgegengenommen hatte, noch nicht einmal sicher, dass die Telefonstimme in der Sendung mit dem anonymen Anrufer identisch war.
Karte vom 8. November 1969
Im November 1969 erhielt der „San Francisco Chronicle“ zwei weitere Briefe des Täters. Sie waren definitiv authentisch, denn ihnen war wieder ein Stück von Stines Hemd beigefügt. Am 8. November traf bei der Zeitung eine Jux-Karte ein, der ein 340 Zeichen umfassender Geheimcode beilag. Dieser Code konnte bis heute nicht geknackt werden.
Hier spricht der Zodiac.
Ich dachte mir, Sie könnten ein wenig Aufmunterung brauchen. Denn ich habe schlechte Neuigkeiten. Sie werden nämlich einige Zeit nichts mehr von mir hören.Dezember Juli August September Oktober = 7
Die Postkartennotiz enthielt eine Merkwürdigkeit. In den Monaten Dezember, Juli, September und Oktober hatte der Zodiac Killer getötet. Doch von einem Mord im August war bisher nichts bekannt. Zudem war seine Zählung verwirrend. Bei den ihm zugerechneten Attentaten waren fünf Menschen ums Leben gekommen. Hatte der Zodiac also im August zwei weitere Opfer getötet? Oder rechnete er die verletzten Opfer Michael Mageau und Bryan Hartnell mit?
Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten für die Sonderkommission 10 Kriminalbeamte und 50 Polizisten. Nachdem die Grußkarte beim „Chronicle“ eingetroffen war, klapperte die Polizei umgehend alle Geschäfte in San Francisco ab, die diese spezielle Karte verkauften. Die Beamten hofften, einer der Angestellten könnte sich an den Käufer erinnern. Die Hoffnung zerschlug sich.
Brief vom 9. November 1969
Nur einen Tag später, am 9. November, folgte das bis dato längste Schreiben des Zodiac. Es war eine 7-seitige Tirade gegen die Polizei von San Francisco. Der Verfasser gab seine Verfolger der Lächerlichkeit preis. Zudem konkretisierte er seine Drohung, ein Attentat auf einen Schulbus verüben zu wollen. Doch dieses Mal sprach er von einer Bombe, die er detailliert beschrieb.
Hier spricht der Zodiac.
Bis Ende Oktober habe ich 7 Menschen getötet. Ich bin echt sauer auf die Polizei, weil sie Lügen über mich verbreitet. Ich werde von nun an anders vorgehen, um weitere Sklaven einzusammeln. Ich werde das in Zukunft niemanden mehr ankündigen. Wenn ich meine Morde begehe, lasse ich sie wie einen normalen Raubmord, einen Mord im Affekt oder wie einen Unfall etc. aussehen.Die Polizei wird mich niemals zu fassen bekommen, weil ich zu clever für sie bin.
1. So wie auf den Phantombildern sehe ich nur aus, wenn ich mein Ding durchziehe. In der übrigen Zeit sehe ich völlig anders aus.
2. Ich habe bisher keine Fingerabdrücke zurückgelassen, auch wenn die Polizei etwas anderes behauptet. Ich habe durchsichtige Fingerkappen. Dazu trage ich zwei Schichten Modellbauklebstoff auf meine Fingerkuppen auf. Fällt kaum auf und ist sehr effektiv.
3. Meine Mordwerkzeuge habe ich im Postversand gekauft, bevor es verboten wurde. Bis auf eines. Das habe ich in einem anderen Staat gekauft. Wie Sie also sehen können, hat die Polizei kaum Ansatzpunkte für ihre Suche. Sollten Sie sich fragen, warum ich dennoch das Taxi abgewischt habe: Ich habe falsche Spuren für die Polizei gelegt, damit sie ihnen nachjagt. Wie man so sagt: Ich halte die Polizisten auf Trab, damit sie ihren Spaß haben. Es bereitet mir großes Vergnügen, die blauen Schweine zu ärgern. Heh, ihr blauen Schweine: Ich war im Park. Ihr habt Feuerwehrwagen benutzt, um den Lärm von euren Streifenwagen zu übertönen. Die Hunde kamen mir nie näher als zwei Blocks. Sie waren im Westen. Es waren nur zwei Gruppen, die parkten ungefähr 10 Minuten entfernt, als die Motorräder etwa 50 Meter entfernt vorbeifuhren von Süden nach Nordwesten.P.S.: 2 Bullen haben Mist gebaut, etwa 3 Minuten nachdem ich das Taxi verlassen habe. Ich ging den Hügel runter, als der Bullenwagen neben mir hielt. Einer rief mich ran. Fragte mich, ob ich jemand Verdächtigen gesehen hätte in den letzten 5 bis 10 Minuten. Ich sagte: ‚Ja, da war dieser Mann, der mit einer Waffe herumfuchtelte.‘ Und die Bullen gaben Gas. Bogen um die Ecke, wo ich sie hingeschickt hatte. Anderthalb Blocks weiter bin ich dann im Park verschwunden und wurde nie mehr gesehen. Müssen Sie in der Zeitung drucken.
Heh, ihr Bullenschweine, fuchst euch das nicht, wenn ich euch das unter die Nase reibe?
Wenn ihr Bullen tatsächlich glaubt, dass ich den Anschlag auf den Bus so verübe, wie ich es euch beschrieben habe, regnet es in euren Kopf rein. Man nehme einen Sack Dünger aus Ammoniumnitrat + 1 Gallone Heizöl und bedecke das Ganze mit einigen Säcken Kieselsteinen. Dann zündet man den Scheiß an. Wird garantiert alles wegblasen, was sich in der Nähe befindet.
Die Todesmaschine ist schon fertig. Ich hätte euch gerne Fotos geschickt. Aber ihr wärt so gemein und würdet sie bis zum Fotolabor zurückverfolgen und von da zu mir. Deshalb werde ich euch das Meisterwerk nur beschreiben. Ein nettes Detail ist, dass man alle Einzelteile im freien Handel kaufen kann, ohne dass jemand Fragen stellt.
1 Wecker mit Batterie – läuft ungefähr 1 Jahr
1 fotoelektrischer Schalter
2 Blattfedern aus Kupfer
2 Autobatterien mit 6 Volt
1 Taschenlampenbirne mit Reflektor
1 Spiegel
2 schwarze Kartonröhren, 18 Zoll groß, mit Schuhwichse innen und außenDas System habe ich von vorne bis hinten durchgetestet. Was ihr nicht wisst: Habe ich die Todesmaschine schon in Stellung gebracht oder verstecke ich sie noch in meinem Keller, um sie in Zukunft einzusetzen? Ich glaube, ihr habt nicht genügend Leute, um mich aufzuhalten, indem ihr vielleicht die Straßen überprüft und nach der Bombe sucht. Und es würde auch nichts nützen, die Busse neu zu streichen oder neue Fahrpläne herauszugeben, weil die Bombe veränderten Bedingungen angepasst werden kann.
Viel Spaß!! Im Übrigen könnte es ziemlich unschön werden, wenn ihr versucht, mich auszutricksen.
P. S.: Denkt dran, den markierten Teil auf Seite 3 abzudrucken, oder ich zieh mein Ding durch.
Um zu beweisen, dass ich der Zodiac bin: Fragt die Bullen in Vallejo nach meiner elektrischen Zielvorrichtung, die ich benutzt habe, als ich angefangen habe, meine Sklaven einzusammeln.
Die Streifenbeamten Fouke und Zelms widersprachen im Übrigen der Darstellung des Briefverfassers. Sie blieben bei ihrer Version, dass sie einen Mann wahrgenommen hatten, welcher der Beschreibung der drei Jugendlichen entsprach. Doch sie hätten ihn nicht angesprochen.
Weihnachtskarte für Melvin Belli
Im selben Jahr ging noch ein weiteres Schreiben des Zodiac ein. Der Empfänger war dieses Mal der Rechtsanwalt Melvin Belli. Am 20. Dezember 1969 erhielt Belli eine Weihnachtskarte, die in einem Umschlag steckte. Auch dieser Karte war ein Fetzen von Stines Hemd beigelegt.
Lieber Melvin,
hier spricht der Zodiac.
Ich wünsche dir frohe Weihnachten. Die eine Sache, um die ich dich bitten möchte, ist die: Bitte hilf mir. Ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden soll. Dieser Zwang lässt es nicht zu, dass ich mir Hilfe suche. Ich finde es immer schwieriger, ihn unter Kontrolle zu halten. Ich habe Angst, ich verliere wieder die Kontrolle und werde mir mein neuntes, vielleicht auch zehntes Opfer holen. Bitte hilf mir, ich habe das Gefühl, ich ertrinke. Im Moment sind die Kinder noch vor der Bombe sicher. Das Teil ist so massiv und der Schalter schwierig einzustellen, sodass ich noch mehr Zeit benötige. Aber je länger ich mich zurückhalten muss, umso mehr verliere ich die Kontrolle über mich. Und dann könnte die Bombe hochgehen. Bitte hilf mir, ich kann mich nicht mehr viel länger kontrollieren.
Theorien der Gutachter
Die Briefe des mutmaßlichen Täters wurden natürlich im Laufe der Ermittlungen ausführlich analysiert. Schriftgutachter und Sprachwissenschaftler setzten sich mit den Inhalten auseinander. Es gab zum Beispiel die Theorie, dass der Täter aus Großbritannien stammte oder sich längere Zeit dort aufgehalten hatte. Begriffe wie „the Kiddies“ und „Happy Christmas“ wurden im britischen Englisch verwendet, aber nicht in den USA.
Außerdem gingen die meisten Experten davon aus, dass seine offensichtlichen Orthografie- und Grammatikschwächen nur vorgeschoben waren, um den Eindruck zu erwecken, es handele sich beim Täter um einen ungebildeten Mann. Denn er war clever genug, seine Briefe zu codieren. Er verwendete häufig Symbole und Zeichen aus der Astrologie. Und speziell seine späteren Schreiben waren voll mit kulturellen Querverweisen, die nicht jedem Bürger geläufig waren.
Andererseits gab es hinsichtlich des Schriftbildes unterschiedliche Positionen unter den Gutachtern. Zunächst ging man davon aus, dass es sich um die originale Handschrift des Verfassers handelte. Aber die Schreibweisen wiesen mit der Zeit deutliche Unterschiede zueinander auf. Die Experten erklärten sich dieses Phänomen damit, dass der Täter die Ermittler auch in diesem Fall von Anfang an täuschen wollte. Die Beamten spekulierten, dass er die handschriftlichen Notizen anderer Personen benutzte und diese unter einem Vergrößerungsglas abzeichnete.
Wie auch immer: Es sollten mehr als vier Monate vergehen, bis sich der Zodiac erneut persönlich meldete. Dafür tauchten weitere Hinweise auf, dass die Mordserie möglicherweise schon einige Jahre zuvor begonnen hatte. Und im März des folgenden Jahres sollten eine junge Frau und ihr Baby nur knapp einer weiteren tödlichen Attacke entgehen.
weiter zu —> (7) Kathleen Johns
Weitere Kapitel zum Fall Zodiac
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- (15) Arthur Leigh Allen: Ein Buch macht ihn berühmt
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Im Dezember wurde der Code von 1970 geknackt, aber ohne großartig weitere Hinweise zu liefern: https://www.sueddeutsche.de/panorama/kriminalitaet-kalifornien-zodiac-killer-verschluesselte-botschaften-1.5147324