(7) Kathleen Jones

1

Am 22. März 1970, einem Sonntag, wollte die 22-jährige Kathleen Johns ihre kranke Mutter in Petaluma besuchen. Die im siebten Monat schwangere Frau fuhr nicht gerne alleine im Dunkeln und nahm ihre zehn Monate alte Tochter Jennifer mit. Johns fuhr von ihrem Wohnort San Bernardino in westlicher Richtung auf dem Highway 132, einer weniger stark befahrenen Schnellstraße.

Ein paar Schrauben locker

Gegen 23.15 Uhr näherte sich ihr von hinten ein anderes Fahrzeug. Sie befand sich zu diesem Zeitpunkt etwa auf Höhe der Stadt Tracy. Der Fahrer hupte und blendete mehrfach das Fernlicht auf. Kathleen Johns verlangsamte das Tempo, damit der Wagen überholen konnte. Als sich der Fahrer auf ihrer Höhe befand, rief er ihr durch das offene Seitenfenster zu, mit ihrem linken Hinterrad sei etwas nicht in Ordnung. Sie solle besser anhalten.

Kurz vor der Kreuzung mit dem Interstate 580 blieb Johns stehen. Der Fahrer hielt hinter ihr an. Ein ungefähr dreißig Jahre alter Mann mit gepflegtem Aussehen stieg aus. Er hielt einen Kreuzschlüssel in der Hand und bot der jungen Frau seine Hilfe an. Er behauptete, ihr linker Hinterreifen habe während der Fahrt auffällig geschlingert. Wahrscheinlich hätten sich die Schrauben gelockert.

Kathleen Johns blieb im Wagen sitzen, als der Mann sich an dem Rad zu schaffen machte. Wenige Augenblicke später kehrte er zur Fahrertür zurück und behauptete, die Schrauben angezogen zu haben. Er stieg in seinen braun-weißen Chevrolet-Kombi Baujahr 1957 und fuhr los. Johns folgte ihm.

Doch die Frau hatte kaum beschleunigt, als ihr Wagen abrupt zum Stillstand kam. Sie stellte den Motor ab und ließ den Schlüssel in der Zündung stecken. Sie stieg aus ihrem Wagen aus und schaute nach, was passiert war. Sie musste feststellen, dass sich der linke Reifen komplett von der Radaufhängung gelöst hatte.

Mitfahrgelegenheit

Der vermeintliche Helfer hatte den Unfall ebenfalls bemerkt und war vor ihr stehengeblieben. Er kehrte zu Fuß zu ihr zurück. Als er durch den Strahl ihrer Scheinwerfer schritt, konnte Kathleen Johns den Fremden erstmals richtig erkennen. Der Mann entschuldigte sich für das Malheur und bot ihr an, sie zur nächsten Tankstelle zu fahren. In der Ferne konnte die Frau die Neonreklame einer Raststätte erkennen. Deshalb willigte sie schließlich ein. Sie nahm ihr Baby aus der Wiege vom Beifahrersitz und stieg bei dem Fremden ein.


Ungefähr an dieser Stelle hielt Kathleen Johns ihren Wagen an. Links im Hintergrund ist die Tankstelle zu erahnen.

 

Doch als sie die Tankstelle passierten, hielt der Fremde nicht an. Er ignorierte auch mehrere weitere Ausfahrten, bis er seinen Wagen auf einen verlassenen Feldweg lenkte. Während dieser Fahrt sagte der Mann kein einziges Wort. Auch Kathleen Johns, der längst klar war, dass sie sich in Gefahr befand, blieb stumm.

90-minütige Irrfahrt

Erst auf dem verlassenen Feldweg brach der Mann sein Schweigen: „Du weißt, du wirst sterben. Du weißt, ich werde dich töten.“ Dann drohte er damit, das Baby aus dem Wagen zu schmeißen. Kathleen Jones versuchte, so gut es ging, die Ruhe zu bewahren. Sie konzentrierte sich darauf, einen Ausweg aus ihrer Situation zu finden. Sie beschloss, ihre erste Chance zur Flucht zu nutzen, die sich ihr bot.

Der Mann hielt nicht an und kehrte auf die Landstraße zurück. Es folgte eine 90-minütige Irrfahrt rund um Tracy, auf der der Fremde die meiste Zeit schwieg und lediglich seine Morddrohung wiederholte. Johns prägte sich alle Details ein, die ihr auffielen.

Gepflegter Mann mit Rumpelkarre

Zum Beispiel bemerkte sie die blitzblank geputzten Schuhe ihres Entführers. Der Mann trug eine Windjacke aus schwarzem und blauem Nylon und eine schwarze Wollhose mit breitem Schlag. Außerdem hatte er eine Brille mit einem breiten, schwarzen Rahmen aufgesetzt, an der ein elastisches Band befestigt war. Er hatte braune Haare und einen Bürstenschnitt. Er war schätzungsweise 1,75 m groß und wog zwischen 70 und 75 kg. Er besaß ein markantes Kinn.

Wenn der Mann sprach, bemerkte Kathleen Johns keinerlei Akzent. Sein Tonfall was monoton. Er zeigte keine Emotionen. Das Innere des Wagens stand jedoch im krassen Gegensatz zum gepflegten Erscheinungsbild des Mannes. Überall lagen Zeitungen und Kleider verstreut herum. Einige der Kleidungsstücke schienen Kindergröße zu haben.

Nur eine Gelegenheit

Nach etwa 90 Minuten hielt der Mann am Straßenrand an. Es war die Gelegenheit, auf die Kathleen Johns die ganze Zeit gewartet hatte. Sie sprang mit ihrer Tochter im Arm aus dem Auto. Sie lief über die Straße, überquerte einen Graben und rannte über eine Wiese mit hohem Gras zu einem Weinfeld. Dort legte sie sich flach auf den Boden und betete, dass ihre Tochter nicht zu schreien begann.

Der Mann stieg aus dem Auto und leuchtete mit einer Taschenlampe das Feld ab. In diesem Moment hielt ein Sattelschlepper an. Der Lkw-Fahrer hatte wohl mitbekommen, dass eine Frau in das Feld geflohen war und fragte, was los sei. Der Entführer sprang in seinen Wagen und raste davon.

Der Fahrer des Lastwagens ging durch das Feld und entdeckte Kathleen Johns. Die verängstigte Frau weigerte sich jedoch, zu dem Mann in den Lkw zu steigen. So hielt er andere Autofahrer an. Darunter befand sich eine Frau, zu der Johns schließlich in den Wagen stieg.

Das Phantombild

Die Frau fuhr Johns zum nächsten Polizeirevier. Sie erzählte dem wachhabenden Beamten, was vorgefallen war. Während der Befragung fiel ihr Blick auf ein Fahndungsplakat, das den Mörder von Paul Stine zeigte. Kathleen Johns stieß einen Schrei aus: „Das ist er! Das ist der Mann!“

Embed from Getty Images

Später fuhr der Beamte Kathleen Johns zurück zu ihrem Wagen. Doch das Fahrzeug stand nicht mehr an der angegebenen Stelle. Stattdessen fanden sie den Pkw rund 3 km entfernt auf dem Highway 132 vor – komplett ausgebrannt.


Der erste Punkt links markiert die Stelle, an der Kathleen Johns ihren Wagen angeblich parkte. Der rechte Punkt zeigt den Fundort des ausgebrannten Wracks an. Die Stadt Tracy befindet sich im Norden.

 

Kein endgültiger Beweis

Ob sich die Geschichte tatsächlich so abgespielt hat, wie es Kathleen Johns später in Interviews wiederholte, und ob es sich beim Täter um den Zodiac Killer handelte, ist bis heute umstritten. In den damaligen Polizeiberichten ist zum Beispiel nirgends die Rede davon, dass der Mann Johns in irgendeiner Weise bedroht habe.

In einem seiner weiteren Schreiben vom 24. Juli 1970 ging der Zodiac auf den Vorfall ein und bestätigte, der Entführer gewesen zu sein. Aber auch das ist kein endgültiger Beweis. Der „San Francisco Chronicle“ und der „San Francisco Examiner“ hatten im März ausführlich über die Entführung berichtet. Der anonyme Briefschreiber nannte wiederum keine Details, die auf Täterwissen schließen lassen.

 

weiter zu —> (8) Cheri Jo Bates

 

1 Kommentar

  1. > Ob sich die Geschichte tatsächlich so abgespielt hat, wie es Kathleen Johns später in Interviews wiederholte, […] ist bis heute umstritten.

    Gibt es denn eine naheliegende Erklärung warum Kathleen Johns in späteren Interviews von einer Bedrohung durch den Entführer sprach, die sich aber in den Polizeiberichten nicht widerspiegelte weil es sie gar nicht gegeben hatte? Ruhmsucht?

    Aber: Welchen Sinn macht eine Entführung, die Suche nach der flüchtigen Entführten in einem Feld, das Abrennen des Fahrzeugs der Entführten, wenn keine Bedrohungslage durch den Entführer vorliegt? Ist eine Entführung nicht an sich schon bedrohlich? Und welche Polizeiberichte sind gemeint: Die Vernehmungsakte der Entführten oder die (ausgedünnten) Berichte an die Presse?

    In einem Punkt hat Zodiak aber womöglich sogar mangelndes Täterwissen bewiesen: Er schreibt er hätte das Fahrzeug dort angezündet, wo er die Frau mit Kind entführt hat. Das Fahrzeug wurde vorher aber noch bewegt.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein