Am 27. September 1969, einem Samstag, verabredeten sich Cecelia Shepard (20) und Bryan Hartnell (22) zu einem Picknick am idyllischen Lake Berryessa, einem beliebten Ausflugsziel in der Umgebung von San Francisco. Das Paar war schon längere Zeit liiert und studierte am Pacific Union College.
Der ideale Ort für ein romantisches Date
Dort gab es eine lauschige Halbinsel, die nur über eine Sandbank mit dem Westufer verbunden war – der ideale Ort für ein romantisches Date. Am späten Nachmittag breiteten sie dort ihre Decke aus. Sie waren völlig ungestört und allein. Bryan Hartnell hatte seinen weißen Karmann Ghia etwa 500 Meter entfernt an der Landstraße geparkt.
Doch sie blieben nicht so ungestört, wie es ursprünglich den Anschein hatte. Zwischen 18.00 und 18.15 Uhr bemerkte Cecelia einen Mann, der oberhalb der Halbinsel stand. Er schien sie zu beobachten. Cecelia machte ihren Freund auf den Fremden aufmerksam, als dieser auf sie zukam. Fast so plötzlich, wie er auf der Bildfläche erschienen war, verschwand der Mann hinter einer Baumgruppe. Das Paar erhaschte noch einen kurzen Blick auf seinen Schatten, als er sich hinter einem anderen Baum verbarg.
Der Fremde in der Henkersmaske
Cecelia und Bryan zuckten mit den Achseln und wandten sich wieder ihrem Picknick zu. Wenige Augenblicke später erschien der Fremde erneut. Dieses Mal trug er jedoch eine Art schwarzer Henkersmaske, die ihm bis zur Hüfte reichte.
Am Kopf zeichneten sich vier scharfe Kanten ab wie an der Unterseite eines Sacks. Auf der Vorderseite war ein seltsames Symbol abgebildet – das Zodiac-Symbol, wie sich später herausstellen sollte. In die Kapuze waren zwei Löcher für die Augen eingelassen. Doch sie waren von einer dunkel getönten Brille verdeckt.
Zudem baumelt an der linken Seite ein Messer herab, dessen Klinge mindestens 30 cm maß. An der anderen Hüfte trug der Mann ein leeres Pistolenhalfter. In der rechten Hand hielt er die dazu passende Pistole, mit dem er nun das junge Paar bedrohte.
Ein entflohener Häftling
Der Fremde in dem unheimlichen Aufzug behauptete, ein entflohener Häftling zu sein. Er erzählte ihnen, er habe in Deer Lodge (Montana) eingesessen, wo er einen Wärter getötet und ein Fahrzeug gestohlen habe. Er verlangte Bryans Autoschlüssel und ihr Geld. Er plane, nach Mexiko zu fliehen.
Der Räuber zog mehrere Kabel einer zerschnittenen Plastikwäscheleine hervor und wies Cecelia an, ihren Freund damit zu fesseln. Sie gehorchte, band den Knoten aber nicht sonderlich fest zu. Dann fesselte der Mann das Mädchen. Als er die Knoten überprüfte, bemerkte er die losen Schnüre um Bryans Handgelenke und zog sie fester zu.
Stich um Stich
Nun drohte er dem Paar an, er würde es erstechen. Die jungen Leute versuchten, auf ihn einzureden. Sie bettelten um ihr Leben. Doch der Mann kniete sich hin und rammte Bryan die Klinge seines Messer in den Rücken. Anschließend wendete er sich Cecelia zu. Er stach sie ebenfalls mehrfach in den Rücken. Aber er hatte noch nicht genug. Er drehte das Mädchen um und stieß ihr das Messer in jede Brust, den Bauch und die Leiste. Cecelia wurde von insgesamt 24 Stichen getroffen.
Ohne Beute
Der Fremde ging wortlos fort und ließ die Autoschlüssel sowie das Geld auf der Decke zurück. Sobald er aus dem Blickfeld verschwunden war, schrien die beiden Opfer um Hilfe. Cecelia konnte sich von ihren Fesseln befreien und löste das Seil um Bryans Hände. Ein Angler in einem Boot auf dem See hörte den Lärm. Er fuhr an die Küste und informierte die Park Ranger.
Um 19.13 Uhr alarmierten die Ranger das Sheriffbüro von Napa. Die beiden Polizisten Ray Land und Dave Collins waren die ersten Beamten vor Ort. Sie fanden Bryan Hartnell in 300 Meter Entfernung von der Straße. So weit hatte sich der verletzte Mann schleppen können, bevor er aufgrund des Blutverlusts zusammenbrach. Er erzählte den Beamten noch von seiner Freundin, die auf der Insel zurückgeblieben war. Als die Polizisten zu Cecelia Shepard kamen, war sie noch bei Bewusstsein. Sie konnte den Beamten recht präszise Angaben zu dem Angriff und dem flüchtigen Täter machen.
Anonymer Anruf
Um 19.40 Uhr rief beim Sheriffbüro von Napa ein Mann an und meldete einen Doppelmord etwa drei Kilometer nördlich von der Hauptverwaltung des Parks. Als der Beamte fragte, wo sich der Anrufer gerade befinde, antwortete der Mann: „Ich bin der, der es getan hat.“
Die möglichen Routen des Täters vom Tatort zum Münzfernsprecher
Der Anruf konnte zu einem Münzfernsprecher in Napa zurückverfolgt werden. Er befand sich auf dem Gelände einer Autowaschanlage an der Main Street, wenige Querstraßen von der Polizeistation entfernt. Der Hörer baumelte vom Apparat herab. Die Polizei konnte am Telefon einen offensichtlich noch frischen Handabdruck sichern.
Schuhabdruck des Täters
Neben Hartnells Wagen konnte die Polizei einen Schuhabdruck der Größe 10 ½ (43-44) sicherstellen, der vermutlich vom Täter stammte. Das Profil konnte einem Schuhtyp namens Wing Walker zugeordnet werden, wie er damals üblicherweise von Angehörigen des Militärs oder Sicherheitskräften getragen wurde. Cecelia Shepard erlag ihren schweren Verletzungen am 28. September 1969. Bryan Hartnell überlebte den Angriff.
Botschaft des Mörders
Damit keinerlei Zweifel aufkamen, wer den Mord begangen hatte, hinterließ der Fremde in der Henkerskutte noch eine eindeutige Nachricht am Tatort. Er hatte sie mit einem Stift auf Hartnells weißen Kharman Ghia notiert.
Eine vorläufige Anmerkung meinerseits: Die verfügbaren Informationen zu diesem Fall sind sehr umfangreich. Deswegen kann ich das Detail nicht auf die Schnelle nachprüfen. Aber wenn ich die Geschichte richtig im Kopf habe, dann hatten die Zeitungen bis dato nur den Geheimcode des Täters abgedruckt und eine allgemein gehaltene Zusammenfassung der Briefe veröffentlicht. Der genaue Wortlaut und das Symbol, mit dem der Zodiac seine Briefe signierte, waren der Öffentlichkeit folglich noch unbekannt. Als dieses Zeichen dann auf der Tür von Hartnells Wagen auftauchte, war der Polizei natürlich sofort klar, dass die Botschaft authentisch war und wer der Mörder von Cecelia Shepard war.
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Weitere Kapitel zum Fall Zodiac
- Der Zodiac Killer
- (2) Blue Rock Springs
- (3) "Hier spricht der Zodiac"
- (4) Lake Berryessa
- (5) Presidio Heights
- (6) Ein blutiger Fetzen Stoff
- (7) Kathleen Jones
- (8) Cheri Jo Bates
- (9) Linda Edwards und Robert Domingos
- (10) Donna Lass
- (11) Mount Diablo
- (12) Zeitlicher Ablauf
- (13) Arthur Leigh Allen: Unter Verdacht
- (14) Arthur Leigh Allen: Die Ermittlungen
- (15) Arthur Leigh Allen: Ein Buch macht ihn berühmt
- (16) Arthur Leigh Allen: Tod eines Wandlungsreisenden
- (17) Weitere Verdächtige
- (18) Bücher und Filme zu Zodiac Killer
Wäre es nicht denkbar, dass der Täter zur damaligen Zeit ein Militärangehöriger war.
Dafür spricht die Militäruhr mit dem Zodiac Symbol, der Schuhabdruck eines Militärschuhs an einem der Tatorte, die auf einem Militärstützpunkt gekaufte Munition und dass der Täter Erfahrung mit Schusswaffen hatte.
Hallo Kurt,
Sie haben vollkommen recht: Die Spuren deuten auf einen militärischen Hintergrund hin. Meines Wissens sind die Ermittlungsbehörden und auch die meisten Forscher in den USA, die sich bis heute mit dem Fall beschäftigen, immer davon ausgegangen, dass der Täter zumindest eine militärische Vergangenheit hatte. Das Problem an diesem Ansatz: Zum Zeitpunkt der Morde herrschte in den Vereinigten Staaten noch allgemeine Wehrpflicht (wurde erst im Zuge des Vietnam-Kriegs abgeschafft). Das heißt, Großteile der männlichen Bevölkerungen hatten als Soldat gedient. In Kalifornien gab es damals unzählige militärische Einrichtungen, auch in der sogenannten Bay Area um San Francisco, also dem Schauplatz der Verbrechen. Für eine effektive Rasterfahndung hätte dieses Merkmal folglich nicht getaugt.
Herzliche Grüße
Richard Deis