(5) Presidio Heights

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Der 29-jährige Taxifahrer Paul Lee Stine konnte am 11. Oktober 1969 mit einem einträglichen Geschäft rechnen, als er am Abend in der Innenstadt von San Francisco nach Kundschaft Ausschau hielt. Es war Samstag und in den Ausgehvierteln rund um den Union Square war jede Menge Betrieb.

Um 21.30 Uhr winkte ihn ein Fahrgast an der Ecke Mason Street und Geary Street heran. Der Mann nannte als Fahrtziel Presidio Heights. Das Viertel grenzte direkt an die gleichnamige Militärbasis im Norden von San Francisco an. Der Fahrgast wollte von Stine an der Ecke Washington Street und Maple Streets abgesetzt werden.


An dieser Straßenkreuzung stieg der Mann in das Taxi.

 

Ein einziger Schuss

Bis heute ist unklar, warum Stine nicht an dieser Ecke anhielt, sondern noch eine Querstraße weiterfuhr. Dort blieb sein Wagen an der nordöstlichen Ecke der Kreuzung Washington Street/Cherry Street stehen. Plötzlich legte der Fahrgast seinen linken Arm von hinten um Stines Hals und drückte dem Taxifahrer den Lauf einer Pistole an die rechte Wange. Paul Stine wehrte sich. Der Täter feuerte einen einzigen Schuss ab. Sein Opfer sackte zusammen.

Wie die ballistischen Untersuchungen ergaben, hatte Stines Mörder eine halb automatische Pistole vom Kaliber 9mm verwendet. Allerdings handelte es sich nicht um die Waffe, die im Mordfall Darlene Ferrin benutzt wurde. Das kupferummantelte Geschoss war in Stines Schädel explodiert und in vier Fragmente zersplittert. Er erlag noch am Tatort seinen schweren Verletzungen und wurde um 22.30 Uhr offiziell für tot erklärt.

Souvenirs

Der Mörder stieg nun aus und begab sich auf den Fahrersitz. Er durchsuchte sein Opfer nach dessen Brieftasche und Schlüssel und nahm beide Gegenstände an sich. Außerdem trennte er ein Stück vom blutdurchtränkten Hemd des Taxifahrers ab und steckte den Fetzen ein. Laut eines Polizeiberichts ließ er im Gegenzug vermutlich ein Paar schwarzer Lederhandschuhe der Größe 7 im Wagen zurück.

Dann wischte der Täter den Innenraum des Fahrzeugs ab, vermutlich um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Als er aus dem Wagen ausstieg, säuberte er auch die Tür und den Griff mit einem Lappen. Dennoch blieben einige blutige Fingerabdrücke in diesem Bereich zurück, die die Polizei später dem Täter zuordnete.

Drei Teenager an einem Mansardenfenster

Dem Mann war nicht bewusst, dass er währenddessen von drei Teenagern auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus etwa 18 Meter Entfernung beobachtet wurde. Um 21.55 Uhr blickten die Jugendlichen aus einem Mansardenfenster des südöstlichen Eckhauses auf das Taxi hinab. Sie sahen, wie der Mann den Tatort zu Fuß auf der Cherry Street in nördlicher Richtung verließ.


Das Taxi stand vermutlich dort, wo der Zebrastreifen vor dem roten Pfosten endet. Die Mansardenfester, aus den die Jugendlichen den Täter beobachteten, sind am rechten Eckhaus hinter der Laterne gut zu erkennen. Der Täter wendete sich bei seiner Flucht nach links auf die Cherry Street.

 

Um 21.58 Uhr rief einer der Jugendlichen den Notruf der Polizei von San Francisco an. Er berichtete dem Beamten von seinen Beobachtungen und beschrieb obendrein den verdächtigen Fahrgast: ein weißer Mann, 25-30 Jahre alt, 1,72-1,75 m groß, stämmige Figur, rötlich braunes Haar, Bürstenhaarschnitt, eine Hornbrille mit breitem Rahmen, dunkle Kleidung.

Zodiac Killer - Phantombild
Erstes Fahndungsplakat nach den Angaben der Jugendlichen

Eine vertauschte Täterbeschreibung

Doch irgendwo zwischen Aufnahme der Anzeige und der Verständigung aller Streifenwagen musste ein Fehler passiert sein. Denn in der ersten Täterbeschreibung, die über Funk an die Streifenbesatzungen herausging, war plötzlich von einem flüchtigen Schwarzen statt eines flüchtigen Weißen die Rede. Dies sollte Konsequenzen haben.

Begegnung im Nebel

Denn bereits um 22.00 Uhr näherten sich die Streifenpolizisten Donald Fouke und Eric Zelms der Kreuzung Jackson Street und Cherry Street. Ihnen kam auf der Jackson Street ein weißer Mann von gedrungener Gestalt entgegen, der inmitten des aufziehenden Nebels auf dem nördlichen Bürgersteig Richtung Osten ging. Nach etwa fünf bis zehn Sekunden wandte sich der Passant einer Treppe zu, die zum Vordereingang eines der Häuser auf der nördlichen Seite der Straße führte.


Die Cherry Street mündet hier von rechts ein. Der Mann ging geradeaus auf dem linken Bürgersteig, als ihm der entgegenkommende Streifenwagen begegnete.

 

Wegen der falsch lautenden Täterbeschreibung hielten die Polizisten nicht an. Sie befragten ihn noch nicht einmal, ob er eine verdächtige Person bemerkt habe. Stattdessen bogen sie in die Cherry Street ein und fuhren zum Tatort.

Erst als sich Tage später im Zuge der Ermittlungen der Irrtum aufklärte, meldeten die beiden Streifenbeamten ihre Beobachtung in dieser Nacht. Ihre Beschreibung des Verdächtigen wies zumindest Ähnlichkeiten zu den Aussagen der Jugendlichen auf: ein weißer Mann, 35-45 Jahre alt, etwa 1,78 m groß, zwischen 80 und 90 kg schwer, auffallend breite Brust, mit hellem Bürstenhaarschnitt und Brille.
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Überarbeitetes Fahndungsplakat

Verhängnisvoller Fehler

Eine Schlamperei, ein stressbedingter Fehler oder ein Missverständnis hatte letztlich verhindert, dass die Polizei in dieser nebligen Nacht das Rätsel um den Zodiac-Killer lösen konnte. Denn man muss heute davon ausgehen, dass die Beamten Donald Fouke und Eric Zelms dem Mörder von Paul Stine, Cecelia Shepard, Darlene Ferrin, Betty Lou Jensen und David Faraday begegnet waren.

Für die Polizei von San Francisco deutete die Spurenlage zunächst jedoch auf einen Raubmord hin. Zwar war es ungewöhnlich, dass der Täter nicht sofort vom Schauplatz des Verbrechens geflohen war und sich stattdessen Zeit ließ, um ein Stück vom Hemd seines Opfers zu entfernen. Dies erhöhte aus seiner Sicht das Risiko, entdeckt zu werden. Die Polizei erklärte sich diesen Umstand damit, dass er den Stoff benötigte, um seine Fingerabdrücke abzuwischen. Doch der Mörder hatte dabei gänzlich Anderes im Sinn gehabt, wie sich einige Tage später zeigen sollte.

 

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