Eines der auffälligsten Merkmale des Zodiac-Killers war seine häufig Kommunikation mit der Öffentlichkeit und Polizei, die sich möglicherweise über einen Zeitraum von zehn Jahren erstreckte. Die meisten Briefe oder Karten gelten dabei als authentisch, auch wenn die Schreiben sich in Art und Weise häufig unterscheiden. Auf die Briefe aus dem Jahr 1969 bin ich schon unter (3) „Hier spricht der Zodiac“ und (6) Ein blutiger Fetzen Stoff eingegangen. Nun folgt der Briefwechsel ab 1970.
Brief vom 20. April 1970
Der Brief umfasste zwei Seiten und ging erneut an den „San Francisco Chronicle“. Die erste Besonderheit war ein weiterer Geheimcode, der bis heute nicht entschlüsselt werden konnte. Der Code bestand aus lediglich 13 Symbolen. Der Verfasser versprach, dass der Code seinen Namen enthalte.
Er behauptete, inzwischen zehn Menschen auf dem Gewissen zu haben. Für einen kürzlich getöteten Polizisten übernehme er aber nicht die Verantwortung. Vermutlich bezog er sich dabei auf den Fall Brian McDonnell. Der Polizeibeamte war am 16. Februar 1970 bei einem Bombenanschlag auf ein Polizeirevier in San Francisco ums Leben gekommen.
Auf der zweiten Briefseite präsentierte der Zodiac nochmals ein Diagramm seiner Bombe, mit der er angeblich einen Schulbus in die Luft sprengen wollte. Dieses Mal behauptete er, eine Fernbedienung und Lichtschranke einsetzen zu wollen. Experten schauten sich die Konstruktion an und kamen zu dem Schluss, dass sie funktionstüchtig sei.
Karte vom 28. April 1970
Eine Woche später erhielt der „San Francisco Chronicle“ eine Grußkarte vom Hersteller Jolly Roger. Das Bildmotiv auf der Deckseite war an Don Quijote/Sancho Panza angelehnt. Mit dem Unterschied, dass Rosinante in diesem Fall ein Drachen war.
Der Text ließ durchblitzen, dass es sich bei dem Zodiac nicht um den tumben, ungebildeten Narren handelte, als der er sich mit seinen zahlreichen Rechtschreibfehlern und umgangssprachlichen Redewendungen präsentierte. Das Schreiben enthielt mehrere Anspielungen, die nicht jedem Ottonormalbürger geläufig gewesen sein mögen.
So forderte er zum Beispiel, dass die Bewohner von San Francisco Buttons mit seinem Emblem spazieren tragen sollten. Dabei zitierte er einen Spruch „Melvin eats Blubber“ („Melvin isst Walfischspeck/trinkt Tran“), der von Irwin Weisfeld stammte. Weisfeld war Mitte der 60er Jahre bekannt für seine flotten Sponti-Sprüche, die Teil der damaligen Gegenkultur waren. Doch der Originalspruch lautete „Melville eats Blubber“ und bezog sich auf den Autor Herman Melville, dessen berühmtestes Buch „Moby Dick“ war. Aber die Abänderung in Melvin bekam einen gewissen Pfiff, weil sich der Zodiac zuvor persönlich an den bekannten Anwalt Melvin Belli gewandt hatte.
Brief vom 26. Juni 1970
Auch der nächste Brief landete wieder beim „San Francisco Chronicle“. Der Zodiac beschwerte sich darüber, dass niemand seine Buttons getragen habe. Zur Strafe habe er einen Mann in seinem parkenden Fahrzeug mit einer 38er erschossen. Die Zahl seiner Opfer habe sich dadurch auf 12 erhöht.
Es gab in San Francisco nur ein Verbrechen in den zurückliegenden zwei Monaten, das auf die Beschreibung passte. Am 19. Juni wurde der Polizeibeamte Richard Radetich um 5.25 Uhr aus nächster Nähe von drei Schüssen tödlich getroffen. Er saß zu diesem Zeitpunkt in seinem Streifenwagen und schrieb gerade ein Knöllchen, als ihn der Täter durch das Fahrerfenster erschoss. Er hinterließ eine Frau und eine acht Monate alte Tochter.
Vermutlich bezog sich der Verfasser auf dieses Verbrechen. Die Zeitungen hatten aber sehr detailliert über den Fall berichtet, weil die Öffentlichkeit entsetzt auf den Mord an dem jungen Familienvater reagiert hatte. Weitere Fakten lieferte der Briefeschreiber nicht. Es ist durchaus denkbar, dass sich der Mörder – wie in anderen Briefen – mit Morden brüstete, die er gar nicht begangen hatte. Die Kommunikation mit der Presse gab ihm die Möglichkeit, Angst und Terror zu verbreiten, ohne tatsächlich noch morden zu müssen.
Dem Brief war darüber hinaus eine Karte und ein weiterer Geheimcode beigelegt. Auf der Karte hatte der Zodiac sein Kreuzsymbol mitten auf dem Mount Diablo östlich von San Francisco platziert und das Kreuz als eine Art Kompass zweckentfremdet. Er versprach, dass der verschlüsselte Teil die Koordinaten enthielt, wo er seine seit langem angekündigte Bombe versteckt hatte. Der Code konnte nicht entziffert werden. Aber zu einer Bombenexplosion, bei der ein Schulbus involviert war, kam es glücklicherweise ebenfalls nicht.
Brief vom 24. Juli 1970
In dem Brief an den „San Francisco Chronicle“ bezieht der Zodiac Stellung zur Entführung von Kathleen Johns und ihres Babys. Zunächst beschwert er sich erneut über die mangelnde Bereitschaft der Bürger, seine Buttons zu tragen. Zur Strafe für den Ungehorsam habe er die Frau über Stunden entführt und am Ende ihren Wagen verbrannt. Aber diese Aspekte des Verbrechens, das bereits vier Monate zurücklag, waren durch die Zeitungsberichte bereits bekannt. Ob er in diesem Fall der Täter war, ist fragwürdig.
Brief vom 26. Juli 1970
Nur zwei Tage später erhielt der „San Francisco Chronicle“ erneut Post vom Zodiac. Der Brief hat drei Hauptthemen. Erstens reitet er mal wieder darauf herum, dass niemand seine Buttons tragen will. Zweitens fantasiert er darüber, wie er seine 13 „Sklaven“ quälen und foltern will. Und drittens macht er eine Art Liste, wen er noch töten will. Die Liste nennt keine konkreten Namen, sondern nur Personengruppen, die dem Verfasser offensichtlich schwer auf den Geist gehen.
Der Tonfall des Schreibens ist auf den ersten Blick wirr und phasenweise schwer verständlich. Es enthält aber mal wieder Anspielungen, die nicht jedem Zeitgenossen geläufig waren. So ist der „wirre Teil“ mit der Liste seiner zukünftigen Opfer mehr oder weniger ein Zitat aus der satirischen Operette „Der Mikado“ von William Schwenck Gilbert und Arthur Sullivan, die 1885 in London Premiere feierte.
Im Postskriptum nimmt der Zodiac nochmals Bezug auf seinen Mount Diablo-Brief vom 26. Juni 1970. Der verschlüsselte Teil enthalte angeblich Radianten, mit deren Hilfe man das Versteck seiner Bombe herausfinden könne. Kryptologie, Astrologie, Mathematik, Bombenbau, Literatur und Operetten – man sollte meinen, dass jemand mit so unterschiedlichen Interessensgebieten auffallen müsste. Tat er aber nicht.
Karte vom 5. Oktober 1970
Diese Karte, die an den „San Francisco Chronicle“ adressiert war, enthielt 13 Löcher, die der Zodiac mit einem Papierlocher in den Rand gestanzt hatte. Da er im Brief zuvor von 13 Opfern gesprochen hatte, bezog man die Anzahl der Löcher auf diesen Umstand.
In der Mitte war ein blutrotes Kreuz eingefügt. Laut einer Untersuchung des FBI hat der Verfasser dazu dünnes Papier zurechtgeschnitten, rot gefärbt und dann auf die Karte aufgeklebt.
Die Karte verwendet als erstes Zodiac-Schreiben eine Collage-Technik. Zwei Sätze beziehen sich auf die vermeintliche Opferzahl von 13. Die auf dem Kopf stehende Botschaft lautet grob übersetzt: „P.S.: Es heißt, die Bullenschweine wären mir auf der Spur. Scheiße, ich bin bruchsicher. Wie hoch ist das Preisschild [um meinen Hals] jetzt?“
Die Formulierung „bruchsicher“ (im Englischen: crackproof) klingt nicht nur im Deutschen in diesem Zusammenhang seltsam, was zu einigen Spekulationen führte, warum er ausgerechnet diesen Begriff verwendet, der auch in anderen Schreiben auftaucht.
Karte vom 27. Oktober 1970
Beim nächsten Kontakt wandte sich der Zodiac direkt an den Reporter Paul Avery (falsch geschrieben „Paul Averly“) vom „San Francisco Chronicle“. Die sogenannte Halloween-Karte zeigte zwei Skelette und dazu mehrere Schlüsselwörter des Zodiac:
- Sklaven
- Paradies
- durch das Messer
- durch die Pistole
- durch das Seil
- durch das Feuer
Auf der Hand eines Skeletts war die Zahl 14 eingetragen. Zusammen mit der Grußbotschaft der Karte („Peek a boo you are doomed!“) klang dies wie eine verschlüsselte Nachricht, dass Avery das nächste, nämlich 14. Opfer des Zodiac sei.
Sowohl auf dem Briefumschlag als auch im Innenteil fand sich ein seltsames Symbol, das Anlass für viele Spekulationen bot. Eine Art V, dessen rechter Schenkel ein liegendes F darzustellen schien. Dazu vier Punkte.
Drei weitere Besonderheiten:
- Der Kürbis in Höhe der Genitalien des Skeletts wurde vom Verfasser nachträglich aufgeklebt.
- Auf dem Briefumschlag sind die drei Buchstaben LAV aus dem Namen Paul Averly unterstrichen.
- Die Briefmarke bezieht sich auf die Apollo-Expeditionen der amerikanischen Raumfahrt und zeigt den Text: „In the beginning God …“
Brief vom 13. März 1971
Auffällig an diesem Brief ist zunächst der Adressat: Statt an den „San Francisco Chronicle“ geht das Schreiben dieses Mal an die „Los Angeles Times“. Und während zuvor die Briefe und Karten in San Francisco aufgegeben wurden, ist dieser Brief in Pleasanton abgestempelt, das rund 60 km östlich von San Francisco liegt.
In dem Brief äußert der Zodiac: „Ich muss ihnen zugutehalten, dass sie über meine Tätigkeit in Riverside gestolpert sind.“ In den Monaten zuvor hatte der Chronicle-Reporter Paul Avery die möglichen Verbindungen zwischen den Zodiac-Verbrechen und dem ungeklärten Mord an Cheri Jo Bates in Riverside nahe Los Angeles im Oktober 1966 öffentlich gemacht. Der Zodiac schien also die Verantwortung für diese Tat übernehmen zu wollen. Zudem gab er wieder einen aktuellen Stand seiner angeblichen Opferzahl bekannt. Im März 1971 waren es 17.
Karte vom 22. März 1971
Diese Karte an den „San Francisco Chronicle“ habe ich bereits beim Fall Donna Lass genauer besprochen. Sie wird als Hinweis darauf interpretiert, dass der Zodiac für das spurlose Verschwinden der 25-jährigen Krankenschwester vom Lake Tahoe verantwortlich war. Die Echtheit der Karte ist jedoch umstritten. Möglicherweise handelt es sich um die Fälschung eines Beamten der Zodiac-Sonderkommission.
Brief vom 29. Januar 1974
Bis zum nächsten Brief vergingen nahezu drei Jahre. Diese auffällige Lücke gab natürlich Anlass zu Spekulationen. Hatte sich der Zodiac in dieser Zeit im Gefängnis oder einer psychiatrischen Klinik befunden? Der Brief wird zudem von etlichen Experten als letztes authentisches Schreiben des Zodiac angesehen. Adressat war erneut der „San Francisco Chronicle“.
Der Text beginnt mit dem Satz: „Ich habe mir ‚Der Exorzist‘ angesehen und denke, es ist die beste satirische Komödie, die ich jemals gesehen habe.“ Die meisten anderen Zuschauer haben den amerikanischen Film aus dem Jahre 1973 wohl eher als Klassiker des Horror-Genres wahrgenommen.
Zudem zitierte der Zodiac erneut eine Zeile aus der Operette „Der Mikado“, erhöhte seine Opferzahl laut eigener Angaben auf 37 und fügte am Ende des Briefes ein weiteres rätselhaftes Symbol ein. Auffällig: Statt des üblichen Zodiac-Symbols findet sich vor der Zahl 37 dieses Mal das Wort „Ich“ („Me“).
Brief vom 14. Februar 1974
Die kurze Nachricht an den „San Francisco Chronicle“ ist hinsichtlich ihrer Authentizität umstritten. Es gibt beim Schriftbild deutliche Unterschiede zu den vorherigen Schreiben. Zudem fehlen typische Erkennungszeichen wie das Zodiac-Symbol und andere Zeichen sowie seine Opfer-Zählung.
Im Text nimmt der Verfasser Bezug zur Symbionese Liberation Army (SLA), die im Februar 1974 in aller Munde war. Die terroristische Guerillagruppe hatte am 4. Februar 1974 die 19-jährige Patty Hearst entführt, Milliardärstochter und Enkelin des berühmten Verlegers William Hearst. Der Chronicle-Reporter Paul Avery hatte ausführlich über den Fall berichtet. Der Schreiber behauptet, dass die Abkürzung SLA das altnordische Wort für „töten“ sei.
Karte vom 8. Mai 1974
Die Karte wurde im Alameda County abgestempelt und ging an den „San Francisco Chronicle“. Der Text enthielt wieder Anzeichen des für den Zodiac typischen, verdrehten Humors. Die Authentizität ist dennoch umstritten. Dies liegt unter anderem daran, dass der Verfasser die Karte mit „Ein Bürger“ unterschrieb.
Der „Bürger“ beschwerte sich über eine Werbeanzeige für den 1973 veröffentlichten Kinofilm „Badlands – Zeschossene Träume“ mit Martin Sheen und Sissy Spacek in den Hauptrollen. Der Film beruhte auf der wahren Geschichte des 18-jährigen Massenmörders Charles Starkweather, der mit seiner 14-jährigen Freundin Caril Ann Fugate im Dezember 1957 und Januar 1958 zehn Menschen getötet hatte, darunter die Eltern und Schwester von Fugate. Der Verfasser des Briefes hielt die Glorifikation der Morde für unangebracht und mahnte seitens der Zeitung einen Verzicht auf die Werbeanzeige an.
Brief vom 8. Juli 1974
Der Brief wurde im kalifornischen San Rafael abgestempelt und ging an den „San Francisco Chronicle“. Auch in diesem Fall ist die Urheberschaft umstritten. Der Schreiber, der sich als „rotes Phantom“ bezeichnet, verlangt die Absetzung des Chronicle-Kolumnisten Marco Spinelli. Was ihn genau erzürnt hat, verrät der Autor nicht. Er wirft ihm lediglich permanente Überheblichkeit vor.
Zum damaligen Zeitpunkt lief in einigen Kinos in der Umgebung von San Francisco ein früher Stummfilm unter dem Titel „Red Phantom“, der im Original „El Espectro Rojo“ hieß. Deshalb mutmaßen die Experten, dass der Schreiber sich hier seine Eigenbezeichnung „rotes Phantom“ abgeschaut hat – insbesondere da in dem Film ein Skelett auftritt.
Karte vom 27. Dezember 1974
Diese Weihnachtskarte erhielt Mary Pilker, die Schwester der 1970 spurlos verschwundenen Donna Lass. Sollte diese Karte authentisch sein, setzt dies natürlich voraus, dass der Zodiac etwas mit dem Verschwinden der Krankenschwester zu tun hat. Alleine deshalb ist die Echtheit umstritten.
Auch das Schriftbild war völlig anders als bei den übrigen Botschaften des Zodiac. Doch die Formulierung „Guardian of the Pines“ („Wächterin der Kiefern“) konnte man als Verweis auf die Karte vom 22. März 1971 verstehen, in der ebenfalls Kiefern namentlich erwähnt und als Hinweis betrachtet wurden, wo der Mörder die Leiche von Donna Lass verscharrt hatte.
Brief vom 24. April 1978
Dieser Brief an den „San Francisco Chronicle“ gilt gemeinhin als Fälschung. Rund vier Jahre nach seiner letzten Kommunikation meldet sich der angebliche Zodiac mit der Nachricht „Ich bin wieder da“ zurück.
Als Urheber hatten viele Experten Dave Toschi in Verdacht. Toschi war einer der leitenden Kriminalbeamten im Zodiac-Fall. Durch den Brief habe er das öffentliche Interesse an den ungelösten Verbrechen wieder erneuern wollen. Außerdem gab es ein auffälliges Lob der Person Toschi in dem Brief: „Dieses Bullenschwein Toschi ist gut, aber ich bin cleverer und besser.“ Es gab auch eine interne Untersuchung, aber die Verdachtsmomente gegen Toschi ließen sich nicht erhärten.
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Weitere Kapitel zum Fall Zodiac
- Der Zodiac Killer
- (2) Blue Rock Springs
- (3) "Hier spricht der Zodiac"
- (4) Lake Berryessa
- (5) Presidio Heights
- (6) Ein blutiger Fetzen Stoff
- (7) Kathleen Jones
- (8) Cheri Jo Bates
- (9) Linda Edwards und Robert Domingos
- (10) Donna Lass
- (11) Mount Diablo
- (12) Zeitlicher Ablauf
- (13) Arthur Leigh Allen: Unter Verdacht
- (14) Arthur Leigh Allen: Die Ermittlungen
- (15) Arthur Leigh Allen: Ein Buch macht ihn berühmt
- (16) Arthur Leigh Allen: Tod eines Wandlungsreisenden
- (17) Weitere Verdächtige
- (18) Bücher und Filme zu Zodiac Killer