Ellen Aaronson wendet sich laut eigener Aussage am Dienstag, dem 14. Juni 1994, erstmals telefonisch an die Polizei, um eine Aussage zu machen. Der vernehmende Polizeibeamte Dennis Kilcoyne vermerkt aber den 15. Juni auf dem Protokoll. Da die Uhrzeiten, die Ellen Aaronson bei ihrer ersten Befragung angibt, von ihren Schilderungen vor Gericht abweichen, hackt Staatsanwältin Marcia Clark gehörig auf diesem Punkt herum.
Ihr Credo: Wem sollten die Geschworenen eher glauben – einem Polizeibeamten oder einer jungen Frau, die sich möglicherweise ins Rampenlicht drängen will? Die Verteidigung kontert dies, in dem sie das zweite Gesprächsprotokoll zwischen dem Beamten Kilcoyne und der Zeugin hervorkramt. Dort ist als Gesprächsdatum der 3.Juli 1967 eingetragen – das Geburtsdatum von Ellen Aaronson.
Tatsächlich hat die zweite Befragung am 8. Juli 1994 stattgefunden. An diesem Tag ist Ellen Aaronson zur Zwischenuntersuchung als Zeugin der Verteidigung vorgeladen. Sie wird jedoch nicht aufgerufen. Da sie inzwischen bestimmte Fakten und Zeiten überprüfen konnte, hält sie es für wichtig, ihre ursprüngliche Aussage zu korrigieren. Sie wendet sich erneut an den Polizisten Kilcoyne.
Am 12. September 1994 wird sie zudem über eine Stunde lang vom leitenden Ermittler Phil Vannater und der Staatsanwältin Marcia Clark befragt. Am 11. Juli 1995 sagt sie als Zeugin der Verteidigung im Strafprozess aus.
Wo macht Ellen Aaronson ihre Beobachtung?
Ellen Aaronson hat am Tatabend ein Blind Date mit einem jungen Mann namens Danny Mandel. Die beiden jungen Leute teilen denselben Arzt, der sie miteinander verkuppelt hat. Aaronson wohnt in Brentwood. Mandel holt sie zu Hause ab. Anschließend besuchen sie ein Restaurant in der näheren Umgebung. Der Heimweg zu Aaronsons Wohnung führt sie dann direkt am Tatort vorbei.
Was beobachtet Ellen Aaronson?
Ellen Aaroson lebt seit dreieinhalb Jahren zusammen mit zwei Mitbewohnerinnen in der Darlington Avenue. Ihr Date Danny Mandel taucht kurz nach 20.00 Uhr auf. Aaronson schlägt vor, dass sie das Restaurant »Mezzaluna« auf dem San Vicente Boulevard aufsuchen. Das Lokal ist nur wenige Minuten entfernt. Deshalb beschließen sie, das Auto stehen zu lassen und die Strecke zu Fuß zurückzulegen.
Sie gehen die Darlington Avenue in nordöstlicher Richtung und biegen links in die Granville Avenue ab. Die Granville Avenue mündet in die Gorham Avenue. Direkt auf der anderen Straßenseite befindet sich bereits das »Mezzaluna«. Sie gehen einmal um das Gebäude herum, da der Haupteingang am San Vicente Boulevard liegt. Gegen 20.30 Uhr betreten sie das Lokal. Etwa zur gleichen Zeit verlässt im Übrigen das spätere Mordopfer Nicole Brown Simpson zusammen mit ihrer Familie das »Mezzaluna«.
Aaronson und Mandel bestellen Pasta, trinken aber keinen Alkohol. Um 21.50 Uhr tritt die Kellnerin an ihren Tisch und bittet das Paar, abrechnen zu dürfen, da ihre Schicht ende. Ellen Aaronson kann sich später an diese Zeitangabe so genau erinnern, weil sie in diesem Moment auf ihre Armbanduhr geschaut habe. Ungefähr zur gleichen Zeit verlässt das zweite Mordopfer, der Kellner Ronald Goldman, das »Mezzaluna«.
Danny Mandel übernimmt die Rechnung und bezahlt mit Kreditkarte. Auf dem Kreditkartenbeleg ist vermerkt: 20.55 Uhr. Wie Rückfragen beim Personal im »Mezzaluna« ergeben, geht die Uhr am Lesegerät für die Kreditkarten um eine Stunde nach. Also ist die Abrechnung um 21.55 Uhr erfolgt. Nachdem die Kellnerin Danny Mandel fünf Minuten später die Quittung ausgehändigt hat, bleibt das Paar noch 10-15 Minuten sitzen. Sie brechen vermutlich gegen 22.10 oder 22.15 Uhr auf.
Sie verlassen das Restaurant durch einen Seitenausgang, der zur Gorham Avenue hinausführt. Sie bleiben auf dem nördlichen Bürgersteig der Gorham. Ellen Aaronson fragt ihr Date, ob sie auf dem direkten Weg zu ihrem Apartment zurückkehren sollen, wo Mandel seinen Wagen geparkt hat, oder ob er noch Lust auf einen Spaziergang habe. Danny Mandel ist mit einem kleinen Umweg einverstanden.
Laut Aussage von Ellen Aaronson folgen sie der Gorham Avenue, bis diese in den South Bundy Drive übergeht. Aaronson ist diesen Weg kurz vor ihrem Auftritt vor Gericht nochmals mit einem von Simpsons Anwälten nachgegangen, der die Zeiten gestoppt hat. Gemäß dieser Rekonstruktion haben Aaronson und Mandel den Eingang zu 875 South Bundy Drive um 22.26 Uhr passiert.
Als sie am Schauplatz des Doppelmordes vorbeikommen, hört Ellen Aaronson weder ein Bellen noch sonstige Geräusche. Es ist niemand zu sehen. Auf dem Bürgersteig sind auch keine Blutspuren oder blutige Tatzenabdrücke zu erkennen, die der Akita von Nicole Brown rund um den Tatort hinterlassen hat.
Das Paar folgt dem South Bundy Drive bis zur Kreuzung mit der Darlington Avenue. Die Wegstrecke vom Tatort bis zur Wohnung von Ellen Aaroson beträgt vier Minuten. Um 22.30 Uhr treffen sie dort ein. Danny Mandel kommt noch auf ein Glas Wasser mit hinein.
Um 22.35 Uhr kehrt eine der beiden Mitbewohnerinnen von Aaronson nach Hause zurück. Die zweite Mitbewohnerin taucht kurz vor 23.00 Uhr auf, just als Danny Mandel sich verabschiedet. Die beiden Frauen kehren gemeinsam ins Haus zurück und schalten den Fernseher ein. Die 11-Uhr-Nachrichten beginnen.
Welchen Zweifel gibt es an ihrer Aussage?
Marcia Clark bringt in ihrem Buch »Without a Doubt« deutlich zum Ausdruck, dass sie sowohl Aaronson als auch Mandel für Wichtigtuer hält, die nach ein wenig öffentlicher Aufmerksamkeit lechzen. Das Date im »Mezzaluna« kann die Staatsanwältin nicht bestreiten. Dies ist durch mehrere Zeugenaussagen und den Kreditkartenbeleg hinreichend dokumentiert.
Doch Marcia Clark ist der Ansicht, Aaronson habe hinsichtlich der Route, die das Paar an diesem Abend genommen habe, geschwindelt. Den Spaziergang am Tatort vorbei habe es in Wahrheit nie gegeben. Die beiden hätten den wesentlich kürzeren Weg über die Granville oder Westgate Avenue genommen.
Man weiß es nicht. Marc Storfer, Francesca Harman, Denise Pilnak, Judy Telander und Robert Heidstra blicken alle auf den Tatortbereich am South Bundy Drive, während sich Ellen Aaronson und Danny dort angeblich entlangbewegen. Keinem dieser Zeugen ist ein junges Paar aufgefallen.
Ellen Aaronson schildert in ihrer Aussage vom 14. Juni respektive 15. Juni 1994, sie habe am Tatort auf ihre Uhr geschaut, die 23.00 Uhr angezeigt habe, und laut ausgerufen: »Oh, schon so spät!« Aaronson bestreitet vor Gericht, diese Angabe gemacht zu haben. Der Polizeibeamte Dennis Kilcoyne habe sie falsch wiedergegeben.
Andererseits haben sich Ellen Aaronson und Danny Mandel nach ihrem denkwürdigen ersten Date niemals wiedergesehen. Laut Aaronson haben sie noch zweimal telefoniert, beide Male eher kurz. Mandel weiß auch zunächst nichts davon, dass Aaronson als Zeugin zur Zwischenuntersuchung vorgeladen ist. Er will eigentlich überhaupt nichts mit der Untersuchung zu tun haben, weil er fürchtet, »in irgendetwas verwickelt zu werden«.
Die Frage ist: Konnten die beiden unter diesen Umständen ihre Aussagen so gut miteinander abstimmen, dass der Schwindel vor Gericht nicht auffliegt? Denn Mandel stellt einige eher nebensächliche Details etwas anders da. Das ist teilweise aber nachvollziehbar, weil er niemals zuvor in Brentwood gewesen ist. Im Kern erzählt er jedoch die gleiche Geschichte wie Aaronson.