(12) Vincent Bugliosi

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Am 18. November 1969 beauftragte man den 35-jährigen stellvertretenden Bezirksstaatsanwalt Vincent T. Bugliosi mit den Ermittlungen im Fall der Tate- und LaBianca-Morde. Auf Bugliosi wartete eine schwierige Aufgabe. Er musste nicht nur den Tätern nachweisen, dass sie die Verbrechen begangen hatten. Er musste darüber hinaus schlüssig darlegen, dass Charles Manson sie zu den Morden angestiftet hatte.

Denn wie die Ermittlungen ergaben, hatte Manson sich zwar am Tatort der LaBianca-Morde aufgehalten. Doch er hatte keines der Opfer getötet. Und bei den Tate-Morden war er noch nicht einmal vor Ort gewesen. Bugliosi musste die Geschworenen irgendwie überzeugen, dass Charles Manson seine Anhänger nach seinem Willen manipulierte und kontrollierte. Und dass er ein hinreichendes Motiv hatte, die Morde anzuordnen.

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Staatsanwalt Vincent Bugliosi

Kaum Beweise

Im November 1969 hielt die Staatsanwaltschaft jedoch kaum Beweise in der Hand, die diese Theorie stützten. Es gab die Äußerungen von Susan Atkins. Aber sie gründeten auf Hörensagen. Die Verteidiger von Manson könnten die Aussage von Virginia Graham in Zweifel ziehen, indem sie darauf hinwiesen, dass sich die Zeugin durch die Aussage vielleicht Vorteile in ihrem eigenen Verfahren versprach.

Die Geschichten, die Al Springer und Danny DeCarlo zu erzählen hatten, waren noch dünner. Zwar war die Schilderung der Ermordung von Donald »Shorty« Shea zweifelsohne interessant. Es fehlte allerdings jede Spur von der Leiche des Mordopfers. Diese sollte man im Übrigen erst im Dezember 1977 entdecken.

Die Täter

Bis zum 3. Dezember wusste Bugliosi noch nicht einmal, welche Mitglieder der Manson Family an den jeweiligen Morden beteiligt gewesen waren. Danach kristallisierte sich heraus, dass Charles »Tex« Watson, Susan Atkins, Patricia Krenwinkel und Linda Kasabian die Mörder von Sharon Tate und ihren Gästen gewesen waren. In der darauffolgenden Nacht waren die Täter Charles Manson, Charles Watson, Patricia Krenwinkel und Leslie Van Houten im Haus der LaBiancas gewesen. Susan Atkins, Linda Kasabian und Steve »Clem« Grogan hatten draußen im Wagen gewartet.

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Charles „Tex“ Watson

Vincent Bugliosi bot Susan Atkins einen Deal an. Er würde für sie nicht die Todesstrafe fordern, sofern sie vor Gericht aussagte. Diese Strategie schien zunächst aufzugehen. Während der Anhörung vor der Grand Jury wiederholte Atkins ihre Geschichte, die sie auch ihren Zellengenossinnen Virginia Graham und Ronnie Howard erzählt hatte. Sie zeigte dabei keinerlei Anzeichen von Schuldgefühl oder Reue. Die Geschworenen starrten die Frau ungläubig an. Nach zwanzigminütiger Beratung gab die Jury der Anklage gegen Charles Manson und seine Mitverschwörer statt.

Zudem vermeldete das Kriminallabor erste Erfolge. Der Fingerabdruck an der Schlafzimmertür von Sharon Tate stammte von Patricia Krenswinkel. Auf der Spahn Ranch hatte man ein Nylonseil und Munition vom Kaliber .22 sichergestellt, die mit den Spuren am Tatort übereinstimmten. Danny DeCarlo sagte darüber hinaus aus, dass er bei Schießübungen auf der Spahn Ranch einen Colt Buntline gesehen habe.

Eine verschollene Tatwaffe taucht auf

Auch ein anderes wichtiges Beweisstück tauchte wieder auf. Nachdem Bernard Weiss in der Zeitung von der Entscheidung der Grand Jury gelesen hatte, rief er beim LAPD an. Er erkundigte sich nach der Pistole, die sein 10-jähriger Sohn Anfang September gefunden hatte. Offensichtlich suchte die Staatsanwaltschaft doch nach einer Tatwaffe, die dem Fundstück ähnelte. Sollte man die Kollegen nicht darüber informieren?

Weiss erhielt eine eher unfreundliche Antwort. Zunächst verband man ihn mehrfach weiter im Präsidium. Als sich schließlich einer der Beamten des Anrufers erbarmte, erhielt Weiss die Auskunft: »Wir behalten Waffen nicht so lange. Wenn sich niemand meldet, schmeißen wir sie ins Meer.« Weiss konnte nicht glauben, was er da hörte. Er versuchte dem Polizisten begreiflich zu machen, dass es sich möglicherweise um ein wichtiges Beweisstück im Tate-Fall handelte. Die unwirsche Antwort des Beamten lautete: »Hören Sie, wir können nicht jedem Mist, den die Leute hier abgeben, nachgehen. Wir sind schließlich nicht das Fundbüro. Wir haben Besseres zu tun.«

Bernard Weiss ließ die Angelegenheit nicht auf sich beruhen. Er rief umgehend beim Fernsehen an und erzählte den Reportern, was ihm widerfahren war. Das Fernsehen rief beim LAPD an. Und auf wundersame Weise tauchte die Waffe wieder auf. Sie lag immer noch in der Asservatenkammer des Polizeireviers in Van Nuys.

Nachdem man die Pistole einer ballistischen Untersuchung unterzogen hatte, stand fest, dass es sich tatsächlich um die Tatwaffe handelte. Nun mussten die Ermittler nur noch nachweisen, dass Charles Manson die Waffe besessen hatte. Man trieb den ursprünglichen Besitzer Randy Star auf, der den Revolver gekauft hatte. Star sagte aus, er habe die Waffe Charles Manson gegeben.

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Staatsanwalt Vincent Bugliosi präsentiert den Medien Indizien

Weitere Spuren führen zur Spahn Ranch

Ein weiterer wichtiger Zeuge meldete sich bei der Polizei. Nach den LaBianca-Morden hatten sich die Täter an einer Tankstelle gesäubert. Der Pächter hatte die jungen Leute beobachtet und sich das Kennzeichen ihres Wagens eingeprägt. Das Fahrzeug war auf einen Angestellten der Spahn Ranch zugelassen. Wie die Befragungen ergaben, hatte er den Wagen in der Tatnacht Charles Manson und einigen seiner Anhängern geliehen.

Ein Fernsehteam der ABC erfuhr von der Aussage des Tankstellenpächters und stellte auf eigene Faust Ermittlungen an. Die Reporter entdeckten blutige Kleidungsstücke, die die Täter auf der Flucht weggeschmissen hatten. Allerdings fand die Polizei nie die Messer, mit denen die Opfer an beiden Tatorten zigfach niedergemetzelt worden waren. Die Beamten konnten lediglich die Waffe von Susan Atkins sicherstellen, die sie in der Polanski-Villa liegen gelassen hatte. Das Messer war unter das Sitzkissen eines Stuhls gerutscht.

Die Frage nach dem Motiv

Die Staatsanwaltschaft musste den Tätern nicht notwendigerweise ein Motiv nachweisen. Staatsanwalt Vincent Bugliosi war jedoch anderer Meinung. Er hielt das Tatmotiv für ein wichtiges Glied seiner Beweisführung, da Charles Manson bei den Tate-Morden nicht anwesend gewesen war und die LaBiancas aller Voraussicht nach nicht persönlich getötet hatte. Ohne Motiv würde der Hauptschuldige möglicherweise mit einer glimpflichen Strafe davonkommen.

Bugliosi nahm an, dass Mansons Helter-Skelter-Szenario das zentrale Mordmotiv darstellte. Manson glaubte nach Dafürhalten des Staatsanwalts tatsächlich daran, einen Rassenkrieg auslösen zu können. Der erste Tatort sei dabei bewusst gewählt gewesen. Manson habe gegen Terry Melcher eine persönliche Wut gehegt. Deshalb habe er sein früheres Haus zum Ziel der Attacke auserkoren. Außerdem habe er sich auf dem Gelände hervorragend ausgekannt und sei den späteren Mordopfern bereits vorher begegnet, wie die Ermittlungen ergeben hatten.

Charles Manson begegnet Sharon Tate

Charles Manson war am 23. März 1969 uneingeladen auf dem Grundstück 10050 Cielo Drive aufgetaucht. Zu diesem Zeitpunkt ging er noch davon aus, dass Terry Melcher dort lebte. Doch inzwischen hatte der Besitzer gewechselt. Rudi Altobelli hatte das Haus von Melcher gekauft. Altobelli war ein einflussreicher Hollywoodagent, der Stars wie Katherine Hepburn und Henry Fonda vertrat. Er befand sich die meiste Zeit auf Reisen und hatte deshalb das Haupthaus an die Polanskis untervermietet. Altobelli selbst nutzte das Gästehaus, wenn er sich in Los Angeles aufhielt.

Am Tag, als sich Manson auf das Gelände schlich, waren unter anderem vier der fünf späteren Mordopfer anwesend: Sharon Tate, Jay Sebring, Abigail Folger und Wojziech Frykowski. Der Fotograf Shahrokh Hatami entdeckte Manson, als dieser durch eines Fenster ins Haus starrte. Hatami schoss an diesem Tag Fotos von Sharon Tate, die einen Tag später zu Dreharbeiten nach Rom abreisen wollte.

Der Fotograf ging vor die Tür und stellte den unbekannten Eindringling zur Rede. Manson behauptete, er suche nach jemandem. Der Name sagte Hatami jedoch nichts. Er informierte Manson darüber, dass das Haus den Polanskis gehöre, und schickte ihn zum Gästehaus. Vielleicht könne ihm dort jemand weiterhelfen.

In diesem Moment tauchte Sharon Tate hinter Hatami in der Tür auf. Sie wollte wissen, was los sei. Hatami erklärte ihr die Situation. Manson wendete sich wortlos ab und ging zum Gästehaus hinüber. Nach etwa zwei Minuten kehrte er zurück und verließ das Grundstück.

Charles Mansons Unterhaltung mit Rudi Altobelli

Doch am gleichen Abend erschien Manson nochmals am Cielo Drive. Dieses Mal suchte er direkt das Gästehaus auf. Rudi Altobelli kam gerade aus der Dusche. Altobelli erkannte Manson wieder. Er hatte ihn im Jahr zuvor bei Dennis Wilson kennengelernt. Wilson hatte ein paar der Aufnahmen aufgelegt, die er mit Manson eingespielt hatte. Altobelli hatte Manson sogar ein paar lauwarme Komplimente gemacht, obwohl er sie nicht ernst meinte. Der Typ war ihm irgendwie unangenehm gewesen.

Manson erkundigte sich nach Terry Melcher. Altobelli erklärte ihm die Situation. Als Manson ihn nach Melchers neuer Adresse fragte, log Altobelli ihn an. Er wusste, wo Melcher in Malibu lebte, wollte Manson die Information aber nicht geben. Manson äußerte den Wunsch, sich mit Altobelli einmal ausführlicher unterhalten zu dürfen. Der Hollywoodagent wimmelte den lästigen Besucher ab. Er reise am nächsten Tag außer Landes und würde vermutlich nicht vor Ablauf des Jahres zurückkehren.

Am nächsten Tag bestieg Rudi Altobelli zusammen mit Sharon Tate den Flieger nach Rom. Tate hatte den fremden Eindringling vom Vortag noch nicht vergessen. Sie fragte Altobelli, ob er dem »unheimlichen Typen« ebenfalls begegnet sei. Altobelli beruhigte seine Klientin. Das sei nur ein Möchtegernmusiker, der von einem Plattenvertrag träume. Er habe ihm ausdrücklich untersagt, nochmals die Mieter auf seinem Grundstück zu belästigen.

 

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Vincent Bugliosi ermittelt gegen die Manson Family
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Am 18. November 1969 beauftragt man den 35-jährigen Staatsanwalt Vincent T. Bugliosi mit den Ermittlungen im Fall der Tate- und LaBianca-Morde.
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