(2) Die Opfer vom Cielo Drive

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Die Polizei konnte rasch alle Opfer des Massakers im Haus der Polanskis identifizieren. Die meisten von ihnen waren prominent. Sehr prominent sogar. Den Behörden dämmerte, dass diese Untersuchung ein gewaltiges Medienecho auslösen würde. Unter den Toten befand sich die Hausbesitzerin, die 26-jährige Filmschauspielerin Sharon Tate. Sie war im achten Monat schwanger. Ihr ungeborenes Kind war das sechste Opfer der Bluttat.

Sharon Tate

Sharon Tates berufliche Karriere hatte sich bereits frühzeitig abgezeichnet. Schon als Kind hatte sie zahlreiche Schönheitswettbewerbe gewonnen. Alsbald war sie ein gefragtes Fotomodell. Doch Tate hatte den Ehrgeiz, nicht nur als Model zu arbeiten, sondern darüber hinaus als Filmschauspielerin Anerkennung zu finden. 1963 nahm sie der Produzent Martin Ransohoff unter seine Fittiche. Er vermittelte ihr Rollen in den Serien »The Beverly Hillbillies« und »Petticoat Junction« sowie in den Filmen »Nur für Offiziere« (1964) und »… die alles begehren« (1965).

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Sharon Tate 1965

1965 bekam Sharon Tate das erste Angebot für eine Hauptrolle neben David Niven und Deborah Kerr im Film »Die schwarze 13«. In dem Film spielte sie ein Mädchen vom Lande mit magischen Kräften. Die Dreharbeiten fanden im Sommer 1966 in London statt. In dieser Zeit lernte sie ihren späteren Ehemann Roman Polanski kennen. Er hatte gerade den Film »Ekel« mit Catharine Deneuve abgedreht und galt seitdem in der Filmbranche als kommender Regiestar.

Polanski besetzte Sharon Tate als Hauptrolle in seinem Klassiker »Tanz der Vampire«. Während der Dreharbeiten wurden die beiden ein Liebespaar. Nach dem Abschluss der Dreharbeiten zu Polanskis Film »Rosemaries Baby« heirateten die beiden am 20. Januar 1968.

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Hochzeit Sharon Tate und Roman Polanski

Stilikone der 1960er

In Europa galten Roman Polanski und Sharon Tate bereits vor der Hochzeit als Glamourpaar und waren ein beliebtes Ziel für die Berichterstattung der Boulevardpresse. Denn Tate zierte weiterhin die Covers zahlreicher Modemagazine und im Sommer 1967 auch das Titelbild des Playboys. Die für die damaligen Zeit teils gewagten Aufnahmen machten sie weltweit berühmt und zur Stilikone der Jugend in den »Swinging Sixties«.

Doch während Roman Polanski von Erfolg zu Erfolg eilte, stagnierte Tates Filmkarriere. Sie drehte zwar 1969 zwei weitere Filme ab (»Rollkommando« und »Zwölf plus eins«), aber man besetzte sie wegen ihres Aussehens und der Bekanntheit ihres Namens, nicht wegen ihres schauspielerischen Talents.

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Sharon Tate – Setfoto ihres letzten Films „12 + 1“

Rückzug aus der Öffentlichkeit

Nach der Heirat, die unter großem Medieninteresse stattfand, zog sich Sharon Tate zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück. Ihr war der Rummel um ihre Person zu viel geworden. Die Polanskis verlegten ihren Lebensmittelpunkt nach Los Angeles. Im Februar 1969 mieteten sie das Haus am Cielo Drive. Das abgeschiedene Grundstück in den Bergen oberhalb von Beverly Hills ließ ihnen genügend Privatsphäre.

Im Sommer 1969 reiste Sharon Tate zu ihrem Mann nach London, wo er mit den Dreharbeiten zu einem neuen Film beschäftigt war. Sie wollte ihr Baby jedoch zu Hause, in der Nähe ihrer Familie, zur Welt bringen. Aufgrund ihrer Schwangerschaft rieten ihr die Ärzte von einer Flugreise ab. So buchte sie eine Schiffspassage auf der RMS Queen Elizabeth. Am 20. Juli 1969 traf sie in Los Angeles ein. Roman Polanski hatte versprochen, spätestens am 12. August zurückzukehren. Zwei Wochen später war der errechnete Geburtstermin des gemeinsamen Kindes.

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Sharon Tate 1969

Der letzte Abend

Am Abend des 8. August verabredete sich Sharon Tate mit einigen Freunden im »El Coyote Cafe«, ihrem Lieblingsrestaurant. Zum Essen erschienen der renommierte Hairstylist Jay Sebring, Abigail Folger, eine wohlhabende Erbin des Kaffeekonzerns Folgers, sowie ihr Lebensgefährte Wojciech Frykowski. Die Vierergruppe beschloss, den weiteren Abend im Haus der Polanskis fortzusetzen.

Gemäß dem Obduktionsbericht waren sie dort gegen Mitternacht ermordet worden. Sharon Tate wurde durch fünf Messerstiche in Brust und Rücken tödlich verletzt. Die Stiche trafen ihr Herz und ihre Leber und lösten starke innere Blutungen aus. Die übrigen elf Verletzungen waren nicht lebensgefährlich gewesen.

Abigail Folger

Die Leiche der 25-jährigen Abigail »Gibby« Folger, die man auf dem Rasen gefunden hatte, war mit 28 Stichwunden übersät. Folger gehört aufgrund ihrer Herkunft zur High Society von Kalifornien. Ihr Vater war Peter Folger, Direktor der Folger Coffee Company. 1967 hatte sie ihren Abschluss in Harvard gemacht. Im selben Jahr packte sie die Sinnkrise. Sie reiste kreuz und quer durch die USA und pendelte von Party zu Party. Nebenbei arbeitete sie für verschiedene Verlage.

Dadurch lernte sie 1968 im Rahmen einer Buchpräsentation den polnischen Autor Wojciech Frykowski kennen. Frykowski war erst seit einem Monat in den USA und sprach kein Wort Englisch. Die beiden verständigten sich zunächst auf Französisch und wurden schnell ein Paar. Frykowski war mit seinem Landsmann Polanski befreundet und stellte ihn Abigail Folger vor.

1968 unterstützte Gibby Folger als Wahlkampfhelferin den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Robert F. Kennedy. Zurück in Los Angeles engagierte sie sich intensiv in Wohlfahrtsprojekten. Unter anderem war sie als Sozialarbeiterin in den Gettos von Los Angeles tätig und kümmerte sich um Not leidende Kinder.

Doch das ehrenamtliche Engagement deprimierte sie zunehmend. Sie hatte das Gefühl, als würde ihre Arbeit nichts bewirken. An den grundlegenden Problemen konnte sie nichts verändern. Freunden erzählte sie, sie könne die Bilder und Erlebnisse, die sie tagtäglich beobachtete, nicht vergessen, wenn sie nach Haus zurückkehre. Zudem belastete sie die Beziehung mit Frykowski. Beide waren drogenabhängig. In den letzten Sitzungen mit ihrem Psychotherapeuten hatte Folger zu erkennen gegeben, dass sie vorhabe, ihr Leben von Grund auf zu verändern.

Wojciech Frykowski

Ihr Freund Wojciech Frykowski war 32 Jahre alt. Laut Polanski war der gebürtige Pole »mit geringem Talent, aber einem Übermaß an Charme gesegnet.« Frykowski bezeichnete sich als Schriftsteller, schlawinerte sich jedoch als eine Art Frauenheld durchs Leben. Es war ein Rätsel, wodurch er seinen Unterhalt finanzierte, denn seine Arbeit warf praktisch keinerlei Einnahmen ab. Vermutlich lebte er von dem Geld, dass ihm seine Freundin Abigail Folger zusteckte. Dies tat seiner Beliebtheit keinen Abbruch. Frykowski war ein extrovertierter, charmanter Bursche und ein gern gesehener Partygast.

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Wojciech Frykowski

Frykowskis Leichnam hatte man unweit seiner Lebensgefährtin auf dem Rasen gefunden. Der Gerichtsmediziner stellte eine Vielzahl an Verletzungen fest, die seinen Tod herbeigeführt hatten. Jemand hatte Frykowski mit dreizehn Schlägen den Kopf zertrümmert. In seinem Körper fanden sich zwei Patronen. Auf ihn war also auch geschossen worden. Zusätzlich zählte der Pathologe insgesamt 51 Stichwunden.

Jay Sebring

Der vierte Tote Jay Sebring war hinsichtlich seines Lebensstils gewissermaßen der Gegenentwurf zu Wojciech Frykowski. Sebring war ein äußerst gefragter Friseur in Los Angeles. Er hatte sich das Image aufgebaut, der Hairstylist der Hollywoodstars zu sein. Zu seiner Kundschaft zählten Frank Sinatra, Paul Newman und Steve McQueen.

Teil seines Geschäftserfolgs war, dass er sich ausschließlich auf Männerfrisuren spezialisiert hatte. Inzwischen schlug er noch mehr Kapital aus seiner Tätigkeit. Er hatte eine Firma gegründet, die Haarpflegeartikel entwickelte und vertrieb. Außerdem war er dabei, in verschiedenen Großstädten der USA Hair Styling Shops als Franchise-Unternehmen unter seinem Label aufzubauen. Abigail Folger hatte ihm für die Verwirklichung dieser Pläne Geld geliehen.

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Jay Sebring und Sharon Tate, ca. 1966

Jay Sebrings Leiche hatte neben Sharon Tate im Wohnzimmer gelegen. Der Gerichtsmediziner stellte sieben Stichverletzungen und eine Schusswunde fest.

Steven Parent

Als letztes Opfer identifizierte man den jungen Mann im weißen Rambler. Er hatte nicht zur Partygesellschaft gehört. Es handelte sich um den 18-jährigen Steven Earl Parent, der noch bei seinen Eltern in El Monte lebte. Parent war mit dem Verwalter William Garretson befreundet. Gegen 23.30 Uhr war er auf dem Gelände vorgefahren und hatte an Garretsons Tür geklopft.

Steven Parent hatte im Juni die High School abgeschlossen und verdiente sich mit Ferienjobs Geld dazu, um im Herbst das College zu besuchen. Außerdem war Parent ein Hi-Fi-Freak. Er wollte seinem Kumpel ein neues Radio präsentieren, das er sich zugelegt hatte.

Garretson hatte jedoch kein Interesse an der Vorführung. Er unterhielt sich nur kurz mit dem jungen Mann und schickte ihn wieder nach Hause. Vermutlich nur wenige Minuten später war Steven Parent durch vier Schüsse aus einer Pistole Kaliber .22 gestorben.

Die Tatwaffen

Sowohl Steven Parent als auch Jay Sebring und Wojciech Frykowski waren mit der gleichen Waffe getötet worden – einem Revolver Kaliber .22. Bis auf den 18-jährigen Teenager wiesen alle Leichen zudem zahlreiche Messerstiche auf. Neben der Leiche von Sharon Tate hatten die Beamten ein Klappmesser der Marke Buck sichergestellt.

Die Haushälterin konnte sich nicht erinnern, diese Waffe jemals im Haushalt der Polanskis gesehen zu haben. Die Untersuchungen im Labor würden zeigen, ob es sich bei dem Messer um eine der Tatwaffen handelte.

 

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In der Nacht vom 8.8.1969 tötet die Manson Family Sharon Tate, Abigail Folger, Wojciech Frykowski und Jay Sebring. Wer waren die Opfer?
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