(6) Biografie Gary Heidnik

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Kindheit

Gary Michael Heidnik wurde am 22. November 1943 in Eastlake geboren, einem Vorort von Cleveland in Ohio. Achtzehn Monate später kam Garys Bruder Terry zur Welt. Ein weiteres halbes Jahr danach ließen sich die Eltern Ellen und Michael Heidnik scheiden. Zunächst wurde das Sorgerecht für die Kinder der Mutter und deren neuem Mann zugesprochen. Sobald Gary Heidnik jedoch eingeschult wurde, erlebte er die nächste schwerwiegende Veränderung in seinem jungen Leben. Fortan wohnten beide Söhne beim Vater, der ebenfalls ein zweites Mal geheiratet hatte.

Gary geriet regelmäßig in Streit mit seiner Stiefmutter. Sein Vater Michael Heidnik hielt körperliche Züchtigungen für ein probates Erziehungsmittel und machte reichlich Gebrauch davon. Er beließ es nicht bei körperlichen Misshandlungen. Gary Heidnik war Bettnässer. Michael Heidnik hängte die befleckte Bettwäsche aus dem Fenster. Die Nachbarn sollten mitbekommen, was für ein Versager sein ältester Sohn war. Der Vater gefiel sich darin, den Jungen bloßzustellen.

Während seiner Kindheit zog sich Gary Heidnik beim Sturz von einem Baum schwere Kopfverletzungen zu. Der Unfall war so heftig, dass er dauerhafte Spuren an Kopf und Gesicht hinterließ. Heidniks deformiertes Äußeres ließ ihn zur beliebten Zielscheibe des Spotts seiner Mitschüler werden. Sein Bruder Terry Heidnik glaubte, der Unfall sei der Auslöser gewesen, dass sich Gary zunehmend seltsamer verhielt. Allerdings verbrachte Terry Heidnik einen Großteil seines Lebens in psychiatrischen Kliniken und unternahm diverse Selbstmordversuche. Möglicherweise waren Gary Heidniks Verhaltensauffälligkeiten also doch familiär bedingt.

Militär

In der 8. Klasse äußerte Gary Heidnik den Wunsch, Offizier zu werden. Sein Vater schickte ihn auf die renommierte Militärakademie in Staunton, Virginia. Gary blieb zwei Jahre auf dieser Schule und erhielt hervorragende Noten. Dann verließ er die Militärakademie mitten im Schuljahr und kehrte zu seinem Vater zurück. Die Gründe dafür blieben im Dunkeln. Heidnik deutete in den Verhören an, dass er die Entscheidung nach einem Besuch bei einem Psychologen der Akademie fällte. Er ließ sich aber nicht näher darüber aus, was die eigentliche Ursache für seinen Entschluss war. Im Jahr darauf besuchte er zwei verschiedene High Schools. Der Unterricht langweilte ihn und er schied nach wenigen Wochen wieder aus. Mit 18 Jahren meldete er sich schließlich zur Army.

Gary Heidnik passte sich rasch den militärischen Strukturen an, blieb aber ein Einzelgänger. Die Grundausbildung schloss er mit exzellenten Bewertungen ab. Danach bewarb er sich für eine Spezialausbildung bei der Militärpolizei, wurde jedoch abgelehnt. Stattdessen schickte man ihn nach San Antonio (Texas), wo er zum Sanitäter ausgebildet werden sollte. Erneut fiel er mit guten Leistungen auf. Nebenbei zog Heidnik einen florierenden Kreditverleih auf. Er pumpte seinen Kameraden Geld und kassierte Zinsen. Es sollte sich noch herausstellen, dass er in diesem Bereich über besondere Talente verfügte.

Mit dem lukrativen Nebenverdienst war es damals allerdings zunächst einmal vorbei. Denn die Army versetzte ihn in die Bundesrepublik nach Kaiserslautern. Dort holte er innerhalb weniger Wochen seinen Highschool-Abschluss nach. Er erreichte eine Traumnote: Er holte 96 von 100 möglichen Punkten. Der Serienmörder Jeffrey Dahmer hatte im Übrigen einen nahezu identischen Werdegang beim Militär – Sanitäterausbildung in San Antonio, Stationierung in der Pfalz.

Erste Anzeichen einer psychischen Erkrankung

Oberflächlich betrachtet liefen die Dinge hervorragend für Gary Heidnik. Doch bereits im August 1962 klagte er über Schwindelanfälle, Sehstörungen und Brechreiz. Der Arzt, der ihn untersuchte, fand rasch die Ursache. Heidnik hatte sich eine Magen-Darm-Grippe eingefangen. Aber der Befund des Neurologen enthielt eine weitaus beunruhigendere Diagnose. Heidnik zeigte Symptome, die auf eine geistige Erkrankung hinwiesen.

Als Gary Heidnik später in Haft saß, prüfte sein Gutachter Dr. Jack Apsche die Krankengeschichte des Serienmörders. Ihm fiel auf, dass der Arzt der Army einerseits lediglich Symptome diagnostiziert hatte, ohne allerdings Heidnik offiziell als schizophren einzustufen. Andererseits hatte er ihm starke Beruhigungsmittel verschrieben, die eigentlich zur Behandlung von ernsthaften Psychosen vorgesehen waren. Diese Mittel setzte man gewöhnlich bei Patienten ein, die unter akuten Halluzinationen litten.

Umschulung zum Krankenpfleger

Die Army schickte Heidnik wenige Wochen nach der ärztlichen Untersuchung zurück in die Vereinigten Staaten. Drei Monate später entließ man ihn aus gesundheitlichen Gründen aus dem Militärdienst. Der offizielle Befund lautete nun: »schizoide Persönlichkeitsstörung«. Heidnik bekam eine Invalidenrente in voller Höhe zugesprochen, obwohl er nur 14 Monate gedient hatte.

Gary Heidnik zog nach Philadelphia und nahm an einer Fortbildung zum staatlich geprüften Pfleger teil, die er erfolgreich abschloss. Er arbeitete danach als Krankenpfleger an der Uniklinik, wurde aber schließlich wegen mangelhafter Leistungen gefeuert. Er heuerte bei einem Veteranenkrankenhaus in der Nähe von Philadelphia an und qualifizierte sich dort im Bereich psychiatrische Pflege weiter. Auch hier eckte er mit seinen Vorgesetzten an. Die Klinikleitung legte ihm nahe, den Dienst freiwillig zu quittieren.

Gary Heidnik
Gary Heidnik

Später schrieb sich Heidnik an der University of Pennsylvania ein und belegte eine Vielzahl an Kursen in den Fächern Chemie, Biologie, Anthropologie und Geschichte, ohne jedoch einen Studienabschluss zu erlangen. Gary Heidnik steckte in den 1960ern beruflich in der Sackgasse. Es mangelte ihm aber weder an Intelligenz noch an Talent. Die eigentliche Ursache für sein Scheitern waren seine zunehmenden psychischen Probleme.

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