Der Würger von Boston – Teil 2

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Der »Boston Strangler« hatte 1962 sieben Morde begangen. So plötzlich er auf der Bildfläche aufgetaucht war, so plötzlich verschwand er wieder Anfang 1963. Bis zum Frühling gab es keinerlei Anzeichen, dass der Täter erneut zugeschlagen hatte.

Die Polizei bemühte sich derweil, das Umfeld der getöteten Frauen genauer zu untersuchen. Hatten sich die Opfer untereinander gekannt? Existierten sonstige Berührungspunkte? Hatten sie dieselben Orte oder Geschäfte aufgesucht? Waren sie Mitglied des gleichen Vereins, einer Versicherung oder einer Kirche? Wie hatte der Täter seine Opfer gefunden? Jeder Bekannte der Frauen wurde überprüft, alle polizeibekannten Sexualstraftäter durchleuchtet. Doch es ergab sich keine heiße Spur.

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Beverly Samans

Dann wurde am 9. Mai 1963 die 26-jährige Beverly Samans tot in ihrer Wohnung in der University Road im Stadtteil Cambridge aufgefunden. »Der Boston Strangler zurück! 26-jährige Frau erdrosselt!«, titelten die Zeitungen. Der berüchtigte Würger von Boston hatte Beverly Samans auf dem Bett die Hände gefesselt, einen Knebel in den Mund geschoben und vergewaltigt. Anschließend hatte er sie mit einem weißen Schal und einer Nylonstrumpfhose gewürgt.

Doch war der »Boston Strangler« tatsächlich der Täter? Denn der Tod war nicht durch Erdrosseln eingetreten. Todesursache waren vier Stiche in den Hals. Zudem hatte der Mörder Beverly Samans zwölf Mal in die rechte Brust gestochen. Fünf Stiche waren bis zur Lunge durchgedrungen, die übrigen Verletzungen eher oberflächlicher Art. Auf die Ermittler wirkte das Spurenbild so, als habe der Mann mit dem Messer eine Zielscheibe auf die Brust einritzen wollen.

Welchen Reim sollten sich die Polizisten auf diese ungewöhnliche Spurenlage machen? Beverly Samans, die an der Universität von Boston studierte, war eine begabte Konzertsängerin, die von einer Karriere an der Oper träumte. Dank ihrer Gesangsausbildung besaß sie eine außergewöhnlich feste und ausgeprägte Halsmuskulatur. Die Beamten vermuteten, dass der Täter deshalb nicht in der Lage gewesen war, sie zu erwürgen, und stattdessen zum Messer gegriffen hatte.

Die Ermittler gingen also davon aus, dass der »Boston Strangler« erneut zugeschlagen hatte. Doch dann ergab sich plötzlich eine neue Lage. Wenige Tage nach dem Mord verhaftete die Polizei den 28-jährigen Daniel Pennachio wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Der Mann hatte sich in der Öffentlichkeit entblößt. Wie sich bei der Vernehmung herausstellte, besuchte Pennachio eine Fördereinrichtung für geistig behinderte Menschen. Beverly Samans war dort als Musiktherapeutin tätig gewesen, Pennachio ihr Schüler.

Den verdutzten Beamten gestand der Mann nun, dass er seine Lehrerin ermordet habe. Er habe sie zu Hause besucht und sie hätten sich zunächst normal unterhalten. Er erinnerte sich, dass Beverly Samans gerade an einer Hausarbeit für die Uni geschrieben habe. Die Polizei hatte in der Tat entsprechende Unterlagen auf ihrem Schreibtisch vorgefunden, dazu ein eingespanntes und teilweise beschriebenes Blatt Papier in der Schreibmaschine. Das Opfer war vom Täter offensichtlich mitten während der Arbeit überrascht worden.

Pennachio schilderte schließlich den Mord. Er habe ihr einen Knebel in den Mund geschoben, weil sie so laut geschrieben habe. Er habe ihr ein Kleidungsstück über den Kopf gezogen, weil er ihren Blick nicht ertragen habe, während er sich an ihr verging. Er habe ihr ein Messer mehr als ein Dutzend Mal in den Leib gerammt. Alles Details, welche die Polizei bisher nicht an die Presse weitergegeben hatte.

Und dennoch waren die Ermittler nicht überzeugt, dass Daniel Pennachio der Mörder von Beverly Samans war. Er wirkte auf sie wie ein notorischer Lügner und Aufschneider, der sich nur wichtigmachen wollte. In Ermangelung anderer Tatverdächtiger hätte die Polizei den geständigen Pennachio später gerne nochmals genauer unter die Lupe genommen. Aber das war nicht mehr möglich. Denn wenige Wochen nach seiner Aussage starb Pennachio bei einem Tauchunfall.

Evelyn Corbin

Maria Evelina Corbin, Evelyn genannt, verpasste gewöhnlich keinen Sonntagsgottesdienst. Das änderte sich am 8. September 1963. An diesem Morgen war dichter Nebel vom Meer heraufgezogen, der das kleine Städtchen Salem, bekannt für seine Hexenjagden im 17. Jahrhundert, in milchig-trübes Licht tauchte. Die 56-jährige Evelyn Corbin hatte Angst davor, sich ins Auto zu setzen, und blieb lieber zu Hause.

Stattdessen frühstückte sie mit der Mutter ihres Lebensgefährten Robert Manchester, die im selben Mietshaus wie Evelyn Corbin lebte. Die Frauen verabredeten sich für den Mittag. Dann würde Robert Manchester von der Arbeit heimgekehrt sein und man würde gemeinsam zu Mittag essen.

Um 13.15 Uhr schellte Robert Manchester mehrfach an der Tür seiner Freundin, ohne Antwort zu erhalten. Er begab sich zur Wohnung seiner Mutter, die einen Ersatzschlüssel zu Evelyn Corbins Wohnung besaß. Die Manchesters fanden die Frau tot in ihrem Schlafzimmer vor.

Evelyn Corbin lag ausgestreckt auf der Bettdecke. Ihr linkes Bein baumelte zur Seite herab. Ein Strumpf war um ihren linken Knöchel gebunden, zwei weitere um ihren Hals. Das Nachthemd war zerrissen, der Unterleib entblößt. Die Autopsie ergab, dass der Mörder Evelyn Corbin gefesselt, vergewaltigt und vermutlich zum Oralverkehr gezwungen hatte. Spermaspuren am Lippenstift legten den Schluss nahe. Auf dem Boden des Schlafzimmers bemerkten die Beamten zudem mehrere samenbefleckte Papiertaschentücher.

Der Täter hatte die Wohnung nicht durchwühlt, dafür aber den Inhalt von Evelyn Corbins Handtasche auf den Boden ausgeleert. Die Ermittler vermuteten, dass der Mörder durch ein Fenster neben der Feuertreppe eingedrungen war, dessen Verriegelung defekt war. Keiner der Nachbarn hatte am Tattag eine fremde Person in der Nähe von Evelyn Corbins Wohnungstür wahrgenommen. Aber sie hatten andere verdächtige Beobachtungen gemacht.

Allen Richard Spanks erzählte der Polizei, dass am Abend zuvor ein Mann an seine Tür geklopft habe, der sich nach seiner Frau Betty erkundigt habe. Angeblich habe diese nach einem neuen Job gesucht, weil sie mit ihrer jetzigen Stellung unzufrieden sei. Er habe ihr ein Angebot zu unterbreiten, das ihr vielleicht zusage.

Betty Spanks war nicht zu Hause, sodass der Fremde wieder enttäuscht abzog. Als Allen Spanks seine Frau später am Abend nach ihrer Jobsuche befragte, reagierte sie völlig perplex. Ihre Arbeit gefalle ihr und sie habe gar keinen Grund zu wechseln. Solch einen Quatsch habe sie bestimmt niemandem erzählt. Spanks beschrieb den seltsamen Besucher als 1,80 m groß, schlank, mit welligem braunem Haar.

Eine weitere Nachbarin sagte aus, sie habe am Morgen des Mordtages einen Mann beobachtet. Er sei vor dem Mietshaus, in dem Evelyn Corbin lebte, unruhig auf- und abgegangen. Immer wieder habe er die Fassade hochgeblickt. Er sei groß und schlank gewesen, habe braun gewelltes Haar gehabt und gehinkt.

Eine Woche nach dem Mord meldete sich Pauline Marmen bei der Polizei. An die Tür der Nachbarin von Evelyn Corbin hatte tags zuvor ein Mann angeklopft. Er sagte, er habe gehört, sie sei Mutter eines kleinen Kindes. Dem war nicht so. Pauline Marmen ließ sich erst gar nicht auf ein weiteres Gespräch ein und schlug dem Fremden die Tür vor der Nase zu. Die Zeugin beschrieb den Mann als groß und brünett. Der Polizei gelang es nicht, den Verdächtigen mit den braunen Haaren zu identifizieren.

Joann Graff

Am 25. November 1963 entdeckte man die Leiche der 23-jährigen Joann Graff, einer Industriedesignerin und Lehrerin an einer Sonntagsschule. Graff lebte 54 Essex Street in Lawrence, einer grauen Stahlarbeiterstadt 40 Kilometer nördlich von Boston. Sie galt bereits seit dem Vorabend als vermisst. Da war sie nicht wie verabredet zu einem Abendessen bei Freunden erschienen. Als Joann Graff dann am nächsten Tag auch noch den Unterricht in der Sonntagsschule versäumte, verständigten ihre besorgten Freunde die Polizei.

Ein Beamter verschaffte sich Zutritt zur Wohnung der Vermissten und fand die junge Frau tot auf ihrem Bett vor. Ihr rechtes Bein baumelte leblos herab, die rechte Hand war zur Faust geballt. Der Mörder hatte aus einer Nylontrumpfhose und dem Hosenbein eines schwarzen Gymnastikanzugs eine tödliche Schlinge geknüpft.

Joann Graff war vergewaltigt worden. Ihr Körper war mit zahlreichen Kratzspuren übersät. Der Büstenhalter, den der Täter ihr nicht ausgezogen hatte, hatte sich mit Blut vollgesaugt. Der Mörder hatte die Wohnung auf den Kopf gestellt, aber einen Briefumschlag mit Geldscheinen für die Gasrechnung liegen lassen.

Die Frau des Vermieters berichtete der Polizei, sie habe in den vergangenen Tagen mehrfach einen Fremden beobachtet, der sich in der Eingangshalle des Hauses herumgetrieben habe. Auch anderen Augenzeugen war dieser Mann aufgefallen. Die Beschreibung ähnelte dem Verdächtigen, den Nachbarn in der Nähe von Sophie Clarks Wohnung wahrgenommen hatten. Demnach hatte der Unbekannte dunkelgrüne Hosen, ein dunkles Hemd und ein Sakko getragen.

Angesichts der Tatumstände zog die Polizei von Lawrence Detective James Mellon hinzu, den leitenden Ermittler im Fall des »Boston Strangler«. Mellon machte eine merkwürdige Entdeckung. Zu Graffs Nachbarn zählte ein gewisser Kenneth Rowe. Rowe hatte zuvor in Boston 84 Gainsborough Street gelebt – direkt gegenüber von Anna Slesers, dem ersten Opfer der ungeklärten Mordserie.

Rowe sagte aus, er habe damals an der Northeastern University studiert. Inzwischen habe er seinen Abschluss gemacht und arbeite nun als Ingenieur in Lawrence. Kenneth Rowe behauptete, Anna Slesers nie in seinem Leben begegnet zu sein. Das jüngste Mordopfer Joann Graff habe er nur flüchtig vom Sehen gekannt. Ihm sei am Tattag ein Mann im Hausflur aufgefallen, der an mehrere Türen geklopft und sich nach Joann Graff erkundigt habe.

James Mellon kaufte ihm die Geschichte nicht ab. Für ihn war Kenneth Rowe noch lange nicht aus dem Schneider. Er setzte ihn auf seine immer länger werdende Liste der möglichen Verdächtigen.

Mary Sullivan

Am 4. Januar 1964 wurde eine der grauenhaftesten Taten der Mordserie entdeckt. Zwei Frauen aus Boston, die ein Apartment in 44-A Charles Street bewohnten, entdeckten die grausam zugerichtete Leiche ihrer Mitbewohnerin. Die 19-jährige Mary Sullivan lag in ihrem Bett und lehnte mit dem Rücken am Kopfende.

Der Täter hatte das Mädchen vergewaltigt und mit einer Bürste brutal misshandelt, während sie noch lebte. Anschließend hatte er sie mit einer dunklen Strumpfhose und zwei Schals erdrosselt. Zwischen ihre Zehen hatte er eine Karte gesteckt: »Frohes neues Jahr« stand darauf geschrieben. Der Eindringling hatte die Wohnung durchsucht, jedoch wie üblich nur wenige Wertgegenstände entwendet.

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Edward Brook

Bis zur Ermordung von Mary Sullivan hatte James Mellon 18 Monate lang ausschließlich an dieser Mordserie gearbeitet. Die Akten füllten inzwischen unglaubliche 37.500 Seiten. 3000 Personen waren polizeilich vernommen worden. Die Beamten hatten 2.300 Sexualstraftätern überprüft und 400 verdächtige Personen einem Verhör unterzogen. Niemand hatte mehr den Überblick über all die Informationen, die sich im Laufe der Monate angesammelt hatten. So beschloss die Polizeibehörde, einen Computer mit dem Datenmaterial zu füttern. Für die damalige Zeit sicherlich sehr fortschrittlich gedacht, aber angesichts der technischen Realitäten blieb es ein wenig effektives Unterfangen.

James Mellon war mittlerweile überzeugt, dass nicht alle Taten auf das Konto ein und desselben Täters gingen. Zu oft waren die Verbrechen vom ursprünglichen Tatmuster abgewichen. Mellon hatte den Verdacht, dass sich Nachahmungstäter die ersten Morde zunutze gemacht hatten, um ihre eigenen Verbrechen zu vertuschen. Die ausgiebige Berichterstattung der Presse hatte sie mit genügend Details versorgt, sodass sie wussten, auf welche Spuren sie zu achten hatten: Kleidungsgegenstände als Drosselwerkzeuge und eine durchwühlte Wohnung, in der nichts von Wert fehlte.

James Mellon glaubte auch, für mehrere Taten genügend Indizien in Händen zu halten, um einen Verdächtigen dingfest zu machen. Doch seine Vorgesetzten wollten davon nichts hören. Für sie steckte immer noch der geheimnisvolle »Boston Strangler« hinter all den Morden. Wenn Mellon nicht fähig war, diesen Täter zu stellen, musste eben ein anderer Ermittler mit der Aufgabe betraut werden.

Die Wahl fiel auf Edward Brook, den amtierenden Generalstaatsanwalt von Massachusetts und höchstrangigen Ermittlungsbeamten im Bundesstaat. Er nahm seine Arbeit am 17. Januar 1964 auf und installierte eine Task Force, der auch Mellon angehörte. Zu seiner rechten Hand ernannte Edward Brook allerdings seinen ehemaligen Studienfreund und jetzigen Assistenten John Bottomly. Weder Brook noch Bottomly waren jemals mit einer Morduntersuchung befasst gewesen. John Bottomly war eigentlich auf Immobilienrecht spezialisiert.

James Mellon mutmaßte, dass sich die beiden unbeleckten Mordermittler einen Karriereschub erhofften. Der Fall bestimmte nach wie vor die Schlagzeilen in Boston und weit darüber hinaus. Beide waren in der Politik aktiv. Der charismatische Brook liebäugelte mit einer Kandidatur für den amerikanischen Senat. Der eher blasse Bottomly versuchte sich als Nachfolger von Brook in Stellung zu bringen, sollte sein Freund und Boss Erfolg haben.

Eine der ersten Maßnahmen von Brook und Bottomly war es, eine Expertenkommission aus führenden Psychiatern ins Leben zu rufen. Zu dieser Gruppe zählte auch der bekannte James Brussel, quasi der Geburtshelfer des modernen Profiling. Die Experten kamen zu einem ähnlichen Schluss wie James Mellon.

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Die älteren Frauen Anna Slesers, Nina Nichols, Helen Blake, Ida Irga und Jane Sullivan waren vermutlich demselben Täter zum Opfer gefallen, dem wahren »Boston Strangler«. Bei den jüngeren Opfern vermuteten die Psychiater unterschiedliche Nachahmungstäter am Werk. Der erste Mord an Slesers war im Juni 1962 geschehen, Jane Sullivan Ende August 1962 getötet worden.

Die Frage lautete also: Was war mit dem »Boston Strangler« geschehen? Warum hatte er seine Mordserie abrupt beendet? Die Experten hielten es für plausibel, dass der Täter wegen eines anderen Verbrechens in Haft saß oder in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen worden war. Möglicherweise war er auch verstorben oder hatte sich selbst getötet, weil er keinen anderen Ausweg mehr sah.

James Brussel unterbreitete den Beamten zusätzlich noch ein Täterprofil. Im Fall des »Mad Bomber« George Metesky hatte er damit haargenau ins Schwarze getroffen, weshalb seine Meinung auch unter Ermittlungsbeamten durchaus Gewicht hatte. Laut Brussel war der gesuchte Täter um die 30 Jahre alt, ordnungsliebend und achtete auf ein gepflegtes äußeres Erscheinungsbild. Vermutlich war er Arbeiter oder Handwerker. Auf jeden Fall übte er einen Beruf aus, in dem er seine Hände benutzte. Der Mann war ein Einzelgänger und lebte in Scheidung oder hatte sich vor den Morden von einer Lebensgefährtin getrennt.

Hätten sich Brook und Bottomly auf diese Art von professioneller Hilfe beschränkt, wären die Ermittlungen der Task Force vermutlich weitaus produktiver verlaufen. Aber die beiden Karrieristen mussten unbedingt ihrem Ruf gerecht werden, der ihnen in der Presse vorauseilte. Sie waren bekannt für ihre besonders unkonventionelle Herangehensweise. So verfielen sie auf die Idee, die Dienste eines Hellsehers in Anspruch zu nehmen.

Peter Hurkos, der übersinnliche Detektiv

Peter Hurkos war gebürtiger Holländer und ein ehemaliger Anstreicher. Der 52-jährige behauptete, seine hellseherischen Kräfte infolge eines Leitersturzes erlangt zu haben. Drei Tage im Koma hätten aus ihm einen anderen Menschen gemacht. Hurkos war äußerst geschickt darin, seine Masche zu vermarkten. Der selbst ernannte »übersinnliche Detektiv« behauptete rotzfrech, 27 Morde in 17 Ländern aufgeklärt zu haben und siedelte in den USA über. Dort mischte er sich in Miami ungefragt in die Ermittlungen zu einem Doppelmord ein und verschaffte sich dadurch eine gewaltige Publicity.

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Peter Hurkos weilte gerade in Los Angeles, als ihn der Ruf aus Boston ereilte. Er befand sich mitten in Verhandlungen mit Hollywood über die Verfilmung seiner Lebensgeschichte. Dass ihn die Sonderkommission im berühmten »Boston Strangler«-Fall um seine Unterstützung bat, verbesserte nochmals seine Verhandlungsposition gegenüber den Filmproduzenten.

Als Peter Hurkos am 29. Januar 1964 in Massachusetts eintraf, wies John Bottomly die Beamten der Task Force an, mehrere Kisten mit Beweismaterial nach Lexington ins »Battle Green Inn« zu bringen, in dem der übersinnliche Detektiv residierte. Hurkos hatte schließlich behauptet, er könne sich in den Kopf eines Verbrechers hineinbeamen, falls er einen Gegenstand berühre, den der Täter in Händen gehalten habe.

Zunächst ließ sich Hurkos Fotos der Tatorte und Leichen vorlegen – natürlich mit dem Bild nach unten, sonst wäre der Show-Effekt verpufft. Der übersinnliche Detektiv ließ seine Finger über die Bilder kreisen und tippte schließlich auf eines von ihnen. Er beschrieb, was auf der Fotografie zu sehen war: Eine Frau, die mit gespreizten Beinen auf dem Fußboden lag. Hurkos demonstrierte den Beamten sogar die genaue Position. Die Ermittler drehten das Bild um. Es zeigte das Mordopfer Anna Slesers, wie sie die Polizei am Tatort vorgefunden hatte – exakt in der Stellung, die der Hellseher beschrieben hatte.

Dann präsentierten die Polizisten Beweismaterial von den Tatorten. Peter Hurkos nahm eine Bürste in die Hand. Sie habe in der Vagina einer jungen Frau gesteckt, sagte der Hellseher mit zittriger Stimme. Es war in der Tat das Folterwerkzeug, mit welchem der Mörder die junge Mary Sullivan vor ihrem Tod malträtiert hatte.

Dann stieß Hurkos unvermittelt hervor: »Ich sehe … ich sehe einen Priester!« Die verdutzten Polizeibeamten schauten sich ratlos an. Hurkos korrigierte sich. Er sehe nicht einen wirklichen Priester, sondern jemanden, der sich zur Tarnung so kleide. Oder vielleicht auch jemanden, der in der Vergangenheit ein Priesterseminar besucht habe und jetzt in einem anderen Beruf arbeite. Ja, genau, es handle sich um einen Vertreter. Um einen Vertreter für Damenschuhe mit einer Vergangenheit als Geistlicher.

Die Task Force stürzte sich danach voller Elan auf diese neue Spur und konnte tatsächlich einen Verdächtigen ausfindig machen, der der Beschreibung ziemlich nahe kam. Der 56-jährige Daniel Moran war Schuhverkäufer und galt als psychisch krank. Wie die Ermittlungen ergaben, hatte er sich seinem Arzt anvertraut und geäußert, er habe Angst davor, der »Boston Strangler« zu sein. Er fürchte, die Verbrechen begangen zu haben, während er einen seiner psychotischen Schübe durchlebt habe. Nun könne er sich an nichts mehr erinnern.

Ein weiteres Detail weckte die Neugierde der Beamten. Moran wohnte nur wenige Querstraßen entfernt von den Mordopfern Anna Slesers und Sophie Clark. Und er hatte in der Tat für eine kurze Zeit ein Priesterseminar besucht. Aber abgesehen von diesen eher nebensächlichen Indizien konnte die Polizei keinerlei weitere Beweise gegen den Mann zutage fördern, die ihn in irgendeiner Weise mit den Morden in Verbindung brachten. Sie hatten nur das Wort eines übersinnlichen Detektivs.

So schleppten sich die Ermittlungen der Task Force noch ein weiteres Jahr hin, ohne dass sich ein brauchbares Ergebnis ergab. Die Lösung des Falls kam schließlich nicht durch akribische Polizeiarbeit zustande, sondern durch ein völlig unerwartetes Geständnis des vermeintlichen Täters.

Weiter zu —> Albert DeSalvo

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