Andrew Cunanan – Der Versace-Mörder

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Andrew Cunanan führt ein Leben in Saus und Braus als Liebhaber älterer, reicher Männer. Mit 27 Jahren ist der Lack ab beim selbst ernannten »American Gigolo«. Der deprimierte Cunanan beschließt, sich an den Männern zu rächen, die ihn fallen gelassen haben. Das letzte Opfer der Mordserie ist sein großes Idol: der weltberühmte Designer Gianni Versace.

Biografie

Andrew Phillip Cunanan kam am 31. August 1969 in Kalifornien als jüngstes von vier Kindern zur Welt. Die Ehe zwischen seinen Eltern Mary Anne und Modesto Cunanan bestand bereits zu diesem Zeitpunkt nur noch auf dem Papier. Die Mutter war – nicht zuletzt wegen der anhaltenden Beziehungsprobleme – chronisch depressiv. So kümmerte sich in erster Linie der Vater, von Beruf Marineinfanterist, um die Erziehung des jüngsten Sohnes.

Andrew Cunanan war ein aufgewecktes Kind, das beide Elternteile verhätschelten. Seine Geschwister verpassten ihm deshalb den Spitznamen »Prince Andrew«. Bei einem Intelligenz-Test stellte sich heraus, dass Andrew Cunanan mit einem IQ von 147 tatsächlich hochbegabt war. Die schulischen Anforderungen fielen ihm entsprechend leicht, bis zu seinem 21. Lebensjahr beherrschte er sieben Fremdsprachen fließend.

Obwohl ihn seine Eltern verwöhnten, gingen die ständigen Streitereien im Elternhaus nicht spurlos an dem Jungen vorüber. Andrew Cunanan zog sich gerne mit ein paar Büchern zurück und flüchtete in Fantasiewelten. Die Realitätsflucht setzte sich im Alltag fort. Seinen Schulfreunden beschrieb er sein Elternhaus als nahezu perfektes Familienidyll. Zudem seien seine Eltern unglaublich vermögend. Es war alles erstunken und erlogen. Die Freunde kamen rasch dahinter, dass an Cunanans Geschichten nichts dran war. Seitdem hatte er den Ruf als Aufschneider weg.

Zumindest vorübergehend mischte sich ein Fünkchen Wahrheit in Cunanans Erzählungen über die reichen Eltern. Als Medosto Cunanan aus der Navy entlassen wurde, machte er eine Ausbildung zum Börsenmakler. Der Job brachte ihm zunächst viel Geld ein. Und Medosto Cunanan zeigte seinen neu erworbenen Wohlstand stolz her. Er schaffte sich schicke Wagen und andere Statussymbole an. Andrew Cunanan gefiel das. Endlich schienen sich seine eigene Fantasien zu erfüllen.

Coming-Out auf der Privatschule

Andrew Cunanan profitierte noch anderweitig vom überraschenden Geldsegen. Während alle seine Geschwister eine öffentliche Schule besucht hatten, schickte ihn der Vater auf die prestigeträchtige Privatschule »Bishop‘s School« in La Jolla. Der extrovertierte Andrew Cunanan fühlte sich in diesem Umfeld sehr wohl. So wohl, dass er sich als Teenager nicht scheute, sein Coming-Out bekannt zu geben. Andrew Cunanan ging von Anfang an offen mit seiner Homosexualität um. Nur der eigenen Familie verschwieg er vorläufig seine sexuellen Neigungen.

Andrew Cunanan - Bishop's School
Privatschule „Bishop’s School“ in La Jolla, Kalifornien

Andrew Cunanan war bereits als 15-jähriger körperlich weit entwickelt und wirkte reifer als seine Altersgenossen. Dank des Besuchs der Privatschule verfügte er über entsprechende Manieren. Zudem war ihm das Talent zueigen, sich zu verstellen. So bewegte er sich bereits als Teenager ungehindert in den angesagtesten Clubs und Bars der Schwulenszene in San Diego.

American Gigolo

Nach seinem Abschluss an der High School studierte Andrew Cunanan auf Wunsch seiner Eltern Geschichte an der University of California in San Diego. Viel interessanter blieben für ihn die Ausflüge in die Schwulenszene. Jede Nacht zog er durch die Clubs und machte immer neue Bekanntschaften. Er entdeckte dabei die Vorzüge eines älteren Liebhabers. Die Männer hatten das Geld, um ihm einen aufwendigen Lebensstil zu ermöglichen.

Durch sie bekam er Zugang zu Kreditkarten, teuren Autos und schick eingerichteten Zweitwohnungen. Andrew Cunanan hatte schon immer einen Hang zu einem luxuriösen Leben offenbart. Jetzt konnte er diesem Lebensstil hemmungslos frönen. Außerdem nahmen ihn die einflussreichen Liebhaber auf gesellschaftliche Events und Partys der High Society mit. Dadurch lernte Andrew Cunanan weitere reiche Schwule und Prominente kennen.

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Andrew Cunanan

Ikone Gianni Versace

Einer von ihnen war der Modedesigner Gianni Versace, der damals Kostüme für die Oper von San Diego entwarf. Versace sprach den jungen Andrew Cunanan auf einer Party an und fuhr ihn in seiner Limousine nach Hause. Es ist nichts darüber bekannt, dass es während der kurzen Zeit zwischen beiden zu einer sexuellen Begegnung kam. Aber Andrew Cunanan war nichtsdestotrotz völlig aus dem Häuschen über seine Bekanntschaft. Er erzählte stolz allen Freunden davon. Für ihn wie die übrige Schwulenszene in den USA war Gianni Versace damals die Ikone schlechthin. So wie er wollten gerne alle sein.

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Gianni Versace

Flucht des Vaters

Während der Sohn scheinbar auf der Überholspur unterwegs war, erlebte der Vater Schiffbruch. Der Börsenmakler war mehrfach gefeuert worden, bevor er bei seiner letzten Firma eine Summe von mehr als 100.000 Dollar unterschlug. Er hatte sich mit seinem Yuppie-Getue hoffnungslos überschuldet und wollte nun die Schulden auf die krumme Tour begleichen. Modesto Cunanan verließ 1988 überstürzt die USA und tauchte auf den Philippinen unter, um sich der drohenden Verhaftung zu entziehen.

Mary Anne Cunanan war gezwungen, das Haus der Familie zu verkaufen. Zur selben Zeit erfuhr sie erstmals von ihrem Sohn Andrew, dass er homosexuell war. Zwischen Mutter und Sohn kam es zum heftigen Streit. Andrew Cunanan brach daraufhin die Uni ab und folgte seinem Vater auf die Philippinen. Er war regelrecht geschockt, als er sah, wie sein Vater lebte: in einem der ärmsten Slums von Plaridel, völlig abgebrannt. Andrew Cunanan kehrte wieder in die USA zurück, zog aber nun nach San Francisco um.

San Francisco

Die Schwulenszene dort war wesentlich größer und vielfältiger als in San Diego. Zudem gehörten ihre viele Leute aus der Filmszene von Hollywood an. Auf einer Party bedrängte Cunanan Lisa Kudrow, bekannt aus der Serie »Friends«, wegen einer Filmrolle. Lisa Kudrow sah zu, dass sie dem lästigen Bittsteller entkam, und verdrückte sich unbemerkt. Andrew Cunanan beschimpfte sie vor allen Gästen als Schlampe. Bei einer anderen Gelegenheit schmiss er sich an Hugh Grant heran – ebenso vergeblich.

Wie schon zuvor in San Diego trat er unter Falschnamen auf. Mal nannte er sich Andrew Da Silva und spielte den verstoßenen Sohn aus reichem Hause. Mal behauptete er, ein Marine-Offizier namens Drew Cummings zu sein. In San Francisco kam er in Kontakt mit der SM-Szene. Zeitweise spielte er in Pornofilmen als Sexsklave mit. Der wohlerzogene Bengel von der Privatschule war in der Szene gefragt. Außerdem finanzierte er seinen Lebensunterhalt zunehmend mit Drogenhandel.

Während seines Aufenthalts in San Francisco lernte Andrew Cunanan zwei Männer kennen, die später noch eine tragische Rolle in seiner Mordserie spielen sollten. Der eine von beiden war der junge Marineoffizier Jeffrey Trail, mit dem Cunanan eine Beziehung einging. Der Architekt David Madson zählte zu den älteren Liebhabern, von denen sich Cunanan nach wie vor aushalten ließ.

Auf dem Abstellgleis

Das Leben voller sexueller Ausschweifungen und Drogenexzesse forderte schließlich seinen Tribut. 1996 fand sich Andrew Cunanan mit gerade einmal 27 Jahren plötzlich auf dem Abstellgleis wieder. In der Schwulenszene von San Francisco war jugendliche Schönheit angesagt. Wer dem Schönheitsideal nicht entsprach, hatte Schwierigkeiten, einen wohlhabenden Lover zu finden, der ihn finanziell aushielt.

Seine bisherigen Einnahmequellen versiegten zunehmend. Eine Ausbildung oder einen Job hatte er nicht. Die einzigen Einkünfte kamen aus den Drogengeschäften. Das reichte nicht, um seinen Lebensstil aufrechtzuerhalten. Zudem glaubte er, an sich die ersten Symptome einer AIDS-Erkrankung wahrzunehmen. Anfang 1997 ließ er sich auf HIV testen, holte das Ergebnis aber niemals ab (er war gesund). Stattdessen erkrankte er an einer Depression. Er legte 15 Kilogramm Gewicht zu und verwahrloste zunehmend.

Die Mordserie

Der niedergeschlagene Andrew Cunanan besuchte seinen ehemaligen Lover, den Architekten David Madson, der inzwischen in Minneapolis lebte. Er musste feststellen, dass sich Madson mit Jeffrey Trail, einem weiteren Ex-Liebhaber von Cunanan, angefreundet hatte. Trail hatte die Navy verlassen und war aus beruflichen Gründen nach Minneapolis gezogen. Madson und Trail hatten kein Verhältnis miteinander. Dennoch war Cunanan eifersüchtig auf die beiden. Er fühlte sich betrogen und hintergangen. Außerdem neidete er den beiden ihren Erfolg im Beruf und ihren Wohlstand, während sein Leben gerade den Bach runterging.

Cunanan stellte in den folgenden Monaten sowohl Madson als auch Trail mehrfach zur Rede. Er war regelrecht versessen darauf, dass sie ihm endlich gestanden, eine Affäre zu haben. Am 26. April 1997 kehrte Andrew Cunanan nach Minneapolis zurück. Er kündigte seinen Besuch telefonisch bei Madson an. Er wolle reinen Tisch machen. Freunde von Madson warnten den Architekten davor, sich mit Cunanan zu treffen. Der sei inzwischen völlig abgedreht und gefährlich. Madson wischte die Warnungen beiseite. Er lud Cunanan ein, ihn am 27. Arpil abends in seiner Wohnung zu besuchen. Dann könnten sie Cunanans Verdacht endgültig aus der Welt schaffen. Jeffrey Trail würde ebenfalls erscheinen.

Jeffrey Trail

Die Sache ging schief. Andrew Cunanan und Jeffrey Trail gerieten in eine heftige Auseinandersetzung. Der Streit eskalierte und wurde handgreiflich. Cunanan schnappte sich einen Zimmermannshammer und schlug Trail den Schädel ein. Der Gerichtsmediziner zählte später mindestens 25 Schlagmale. Cunanan und Madson rollten Trails Leichnam in einen Perserteppich ein und ließen ihn die nächsten zwei Tage in der Wohnung liegen.

Als Madson nicht auf der Arbeit erschien, verständigte die Firma seinen Vermieter. Der Mann betrat Madsons Wohnung, entdeckte zunächst jede Menge Blut, schließlich auch den Teppich mit Trails Leiche. Andrew Cunanan und David Madson flüchteten in Madsons rotem Jeep. Cunanan hatte zuvor eine Taurus Halbautomatik Kaliber .40 an sich genommen, die Trail bei sich geführt hatte.

David Madson

Die inzwischen verständigte Polizei hatte zunächst David Madson in Verdacht, Jeffrey Trail ermordet zu haben. Von Cunanans Anwesenheit in der Wohnung wussten die Beamten bisher nichts. Das änderte sich, als man am selben Tag noch, dem 29. April 1997, Madsons Leichnam etwa 75 Kilometer nördlich von Minneapolis auffand. Andrew Cunanan hatte ihn mit drei Schüssen an einem See niedergestreckt. Der Fundort der Leiche lag neben einem verlassenen Haus an der Landstraße Richtung Duluth. In Madsons Wohnung fiel den Beamten eine schwarze Reisetasche in die Hände, in der ein Schild mit Cunanans Name und Adresse eingenäht war.

Lee Miglin

Der nächste Mord, den Andrew Cunanan beging, war der rätselhafteste der Mordserie. Am Abend des 3. Mai 1997 suchte Cunanan den 72-jährigen Immobilienmogul Lee Miglin in seinem Haus in Chicago auf. Die Polizei entdeckte später keinerlei Spuren, die auf ein gewaltsames Eindringen hindeuteten. Entweder bedrohte Cunanan Miglin mit einer Pistole an der Haustür oder Miglin kannte seinen Mörder. Miglins Angehörige bestritten energisch, dass der Tote homosexuell gewesen sei.

Die brutale Art und Weise, wie Andrew Cunanan sein Opfer misshandelte, legten jedoch den Schluss nahe, dass er extreme Wut auf Miglin empfunden hatte. Er hatte ihn in die Garage verschleppt, dort an einen Stuhl gefesselt und den Kopf komplett mit Klebeband eingewickelt. Cunanan hatte lediglich zwei Öffnungen für die Nasenlöcher in die Klebestreifen eingeschnitten, damit Miglin etwas Luft bekam. Dann folterte er Miglin mit einer Heckenschere. Cunanan stach wiederholt auf ihn ein. Schließlich schlitzte er ihm mit einer Säge die Gurgel auf, bevor er ihn mehrfach mit einem Lexus, der in der Garage parkte, überrollte. Mit diesem Auto flüchtete Andrew Cunanan anschließend.

Cunanan hatte Lee Miglin ansonsten nur einige wenige persönliche Gegenstände geraubt. Darunter befand sich auch eine Münzsammlung. Cunanan gab sich überhaupt keine Mühe, seine Spuren zu verwischen. Da er Madsons verschwundenen Jeep direkt am Anwesen von Miglin zurückgelassen hatte, wusste die Polizei, wer für den Mord verantwortlich war. Die Beamten schalteten das FBI ein. Der flüchtige Täter hatte die Morde in zwei verschiedenen Bundesstaaten begangen, damit war es ein Fall für die Bundesbehörden.

Das FBI setzte Andrew Cunanan sogleich auf die Liste der zehn meistgesuchten Verbrecher der USA. Miglin besaß ein Autotelefon, anhand dessen sich das Fluchtfahrzeug zunächst orten ließ. Die Polizei warnte die Bevölkerung entlang der Fluchstrecke über die Radio- und Fernsehsender. Cunanan hörte die Warnmeldungen im Radio. Er zählte eins und eins zusammen. Er schmiss das Telefon aus dem Fenster. Die Spur wurde kalt.

Quelle: FBI – Liste der 10 meistgesuchten flüchtigen Verbrecher

William Reese

Die nächsten Tage versteckte sich Andrew Cunanan am Finn’s Point National Cemetery in Pennsville (New Jersey), einem Friedhof für Veteranen aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg. Hierher verirrte sich kaum ein Mensch – bis zum 9. Mai 1997. Da tauchte der 45-jährige William Reese auf, der zuständige Friedhofsverwalter. Cunanan erschoss ihn kaltblütig, um seinem Opfer dessen roten Pick-up zu rauben.

Flucht nach Miami

Andrew Cunanan fuhr dann mit dem gestohlenen Wagen auf dem direkten Weg nach Miami, das er am nächsten Tag erreichte. Er nahm sich ein Apartment im Hotel »Normandy Plaza«, einem heruntergekommenen Schuppen direkt am Strand. In den ersten Tagen verließ Cunanan kaum sein Zimmer. Er mied jeglichen Kontakt zur Schwulenszene. Als mehrere Wochen vergingen, ohne dass die Polizei bei ihm vor der Tür stand, lockerte er seine Vorsichtsmaßnahmen. Er vertraute auf sein natürliches Talent, in verschiedene Rollen zu schlüpfen und sich unauffällig zu tarnen.

Andrew Cunanan - Hotel Normandy Plaza
Hotel „Normandy Plaza“

Während dieser Zeit strahlte die Sendung »America‘s Most Wanted« – quasi das amerikanische Pendant zu »Aktenzeichen XY ungelöst« – dreimal sein Konterfei aus. Trotzdem machte die Fahndung keinerlei Fortschritte. In dieser Ermittlung lief gewaltig was schief. Denn es hatte mehrere Hinweise auf den Aufenthaltsort von Cunanan gegeben.

Ein Angestellter eines Imbisses hatte beispielsweise Andrew Cunanan erkannt. Cunanan konnte dennoch entkommen, da die alarmierte Polizei zu spät eintraf. Bei einer anderen Gelegenheit versuchte Cunanan, Lee Miglins Münzsammlung in einer Pfandleihe zu Geld zu machen. Dazu musste er sich ausweisen. Das war Vorschrift bei solchen Geschäften. Er zeigte seinen echten Führerschein vor. Die Pfandleiherin leitete die Daten an das örtliche Polizeirevier weiter. Dort überprüfte man routinemäßig alle Namen der Verkäufer, um zu verhindern, dass Ware aus Straftaten verhökert wurde. Aufgrund purer Schlamperei kamen die Beamten nicht dahinter, dass es sich bei dem Verkäufer Andrew Cunanan um einen landesweit gesuchten Serienmörder handelte.

Andrew Cunanan - Miami
In diesem Restaurant wurde Andrew Cunanan von einem Angestellten erkannt

Gianni Versace

Nach dem Mord an Gianni Versace stand die Frage im Raum, ob Cunanan von Anfang an Miami als Zielort seiner Flucht ausgesucht hatte, weil Versace dort lebte. Es fanden sich keine Hinweise darauf. Da Versace jedoch in Miami sehr bekannt war, erinnerte sich Cunanan spätestens vor Ort an sein Idol. Irgendwann in dieser Zeit begann er, dem Designer heimlich zu folgen, spionierte ihn aus und lernte seine täglichen Gewohnheiten kennen.

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Gianni Versace

Vermutlich wählte Andrew Cunanan Gianni Versace als nächstes Opfer aus, weil er all das repräsentierte, was sich Cunanan für sein eigenes Leben erträumt hatte – Macht, Ruhm, Stil und Unmengen an Geld. Inzwischen hatte er eingesehen, dass er dieses Ziel niemals erreichen würde. Möglicherweise erinnerte ihn Versace an die Liebhaber von einst, die ihn eiskalt fallen ließen, als er ihnen nicht mehr attraktiv genug war. Vielleicht sah er in dem Mord den einzigen Weg, ebenso berühmt zu werden wie sein Vorbild.

Andrew Cunanan - Gianni Versace - Villa South Beach Florida
Villa von Gianni Versace in South Beach, Florida

Was immer der konkrete Auslöser für Cunanans Verbrechen gewesen sein mag: Am Morgen des 15. Juli 1997 setzte er seinen mörderischen Plan in die Tat um. Gegen neun Uhr kehrte Gianni Versace aus dem »News Café« zu seiner Villa in South Beach zurück. Wie an jedem Tag hatte er sich dort seine Morgenzeitungen besorgt und einen Kaffee getrunken. Als Versace die Stufen zu seinem Eingangsportal hinaufging, näherte sich sein Mörder von hinten. Andrew Cunanan hatte seinem Opfer auf dem Rasen des gegenüberliegenden Grundstücks aufgelauert. Cunanan schoss Versace einmal in den Hinterkopf, ein weiteres Mal in die Wange. Der weltberühmte Designer brach tödlich getroffen auf den Treppenstufen zusammen.

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Tatortspuren

Tod eines Serienkillers

Vor dem Mord an Gianni Versace hatte es Andrew Cunanan auf die FBI-Liste der zehn meistgesuchten Straftäter geschafft. Dennoch hatte die Öffentlichkeit kaum Notiz von ihm genommen. Das änderte sich mit dem Mord an dem Designer von einer Minute auf die anderen. Plötzlich war ihm die weltweite Aufmerksamkeit gewiss.

Die Medien gruben alles über Andrew Cunanan aus, dessen sie habhaft werden konnten. Völlig egal, ob es sich um Fakten oder Gerüchte handelte. Seine homosexuelle Vergangenheit, insbesondere die Kontakte zur SM-Szene wurden vor aller Öffentlichkeit ausgebreitet. Und das FBI setzte Hunderte seiner Agenten auf den Fall an. Für die Polizei von Miami und Umgebung existierte nur noch der Mordfall Gianni Versace.

Andrew Cunanan hatte sein Ziel erreicht. Er stand im internationalen Rampenlicht – wenn auch aus völlig niederträchtigen Gründen. Die Ermittler konnten seine Spur bis zu einem Parkhaus verfolgen, in dem die Beamten den gestohlenen Pick-up von William Reese fanden. Daneben lagen einige Klamotten auf dem Boden verstreut. Cunanan hatte sich hier nach der Tat offensichtlich umgezogen, bevor er spurlos verschwunden war.

Weitere Ermittlungspannen

Die Ermittlungspannen setzten sich auch nach der Ermordung Versaces fort, nun aber vor den Augen der Medien. Inzwischen hatten die zuständigen Polizeibeamten das Formular aus der Pfandleihe, in dem Cunanans Hotelanschrift vermerkt war, gefunden. Die Polizei durchsuchte daraufhin das Hotel. Die Rezeption gab jedoch die falsche Zimmernummer heraus. Die Beamten stürmten ein leeres Zimmer und zogen anschließend enttäuscht ab.

Zwei Tage später bemerkte das Hotel die Verwechslung und verständigte die Polizei. Wie sich herausstellte, hatte sich Andrew Cunanan tatsächlich nach dem Mord an Versace in seinem Unterschlupf versteckt gehalten. Als er zwei Tage zuvor die Durchsuchung beobachtet hatte, war er anschließend sofort getürmt.

Für Cunanan wurde die Luft dennoch immer dünner. Die Fahndungsplakate mit seinem Bild waren überall zu sehen. Im Fernsehen, in den Zeitungen und an den Aushängen. Cunanan schlich sich auf ein leer stehendes Hausboot in einem Hafen am Indian Creek Canal. Ein Hafenverwalter entdeckte ihn dort am 23. Juli 1997, acht Tage nach dem Mord an Gianni Versace. Er erkannte Cunanans Gesicht wieder und rief die Polizei.

400 Beamte wurden zusammengezogen und riegelten das gesamte Gelände der Marina ab. Nach vier Stunden rückten Polizisten des Sondereinsatzkommandos um 20.15 Uhr langsam auf das Boot vor. Über Megafon forderten sie Cunanan auf, mit erhobenen Händen vorzutreten und sich zu ergeben. Nichts passierte. Die Polizisten feuerten eine Tränengaskartusche auf das Boot und enterten die Jacht. Sie fanden Cunanans Leiche im Schlafzimmer. Er hatte sich mit seiner Waffe in den Mund geschossen.

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Hausboot, in dem man Cunanans Leiche fand

Opfer

27.4.1997: Jeffrey Trail (28), Minneapolis (Minnesota)
29.4.: 1997: David Madson (33), East Rush Lake, Chisago County (Minnesota)
3.5.1997: Lee Miglin (72), Chicago (Illinois)
9.5.1997: William Reese (45), Pennsville (New Jersey)
15.7.1997: Gianni Versace (50), Miami (Florida)

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Weitere Kapitel zum Fall Andrew Cunanan 

7 Kommentare

  1. Very good and informative site…thank you for all the hard work that must have gone in to this.
    I will be a fan forever!

    Anthony Dabiere
    los Angeles CA USA

    • Thanks, Anthony, for the nice words! I see you’re from L.A. I’ve recently finished an article about the Elizabeth Short/Black Dahlia murder. During research I’ve found a really good and fresh (only two years online) blog called Deranged L.A. Crimes, in which you are may be interested as a citizen. Subjects are a mix of film noir stuff, true crime and urban history. Very well written, I just can recommend it, if you don’t know it already yourself.

      Richard Deis

      • I will be sure to look in to it, thanks! LA has no shortage of bizarre and violent illumanarri – it would seem that there is a wild story connected with just about everyone in the city who is of any note at all. The man who built the Griffith Park Observatory shot his own wife in the face because he was under some delusional ideas about her associations with extra terrestrials…after he shot her, and took one of her eyes out, she jumped out a window located on the third floor of someplace…now, get this…she didn’t die, she made a full recovery, and Griffith went to jail, but not really for all that long, as he was really rich, I guess they just slapped him on the wrist, so to speak. Now, the Black Dahlia was something else…I learned a couple years ago that she lived for a period of time at The Breevroot Hotel, now an apartment house, I go past this place daily…if those walls could talk, AND as if this isn’t enough already, The Breevroot is managed by a very famous and colorful person in his own right…but I won’t spoil the surprise, just know that I made acquaintance with him a ways back, and am very happy to know him now as a neighbor, not just an internationally known super star!

        • The Griffiths story sounds really interesting. Have to take a look in it one day. Thanks for the information about the Brevoort Hotel. I’ve found a recent picture of the building on http://allanellenberger.com/tag/brevoort-hotel/

          Looks great. I don’t know if the round tower is part of the apartment complex but it adds definitely some style.

          Richard Deis

          • Yes the round part is a part of the building…back in the day there were gardens and swimming pool as well…the quaint lobby is intact, and offers a cozy place to wait on a car, or resident. I wont keep you in suspense any longer with regard to the Manager…Lou Reed sang about him…he is none other than Andy Warhol Superstar, star of Warhol mega-films such as „Trash“ and „Heat“…Rolling Stones „Sticky Fingers“ album cover crotch…and countless more iconic contributions to modern pop culture…Mr. Joe Dellesandro. That’s right!! in fact, I just say Joe two days ago…“Little Joe“ as the tattoo reads on his arm, is resident manager, and figurehead of the 90 unit complex. As Joe told me, „our people seldom leave…it’s such a good deal, and, even though the units aren’t large, they are in a good location“ I think it might have something to do with you as well, Mr. D.

  2. Great! No one leaves, but the Black Dahlia. Maybe you could tell Little Joe Dallesandro that next year Elizabeth Short’s stay at the Brevoort has its 70th anniversary. She has checked in on August 20th 1946 with Lt. Joseph Fickling, an ex-Air Force World War II veteran, and checked out on August 27th 11.30 p.m. Sounds like a cause for a „week of remembering“ or something like that. „Ladies and Gentleman, The Brevoort is going Black Dahlia. No leaving accepted this week. Too bad Karma.“

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