Um 5.30 Uhr machte Wachmann Steve Crawford erneut an der Memorial Church Station. Bei dieser Gelegenheit entdeckte er zu seinem Erstaunen, dass die Seitentür auf der rechten Seite des Gebäudes offenstand. Den Spuren nach zu urteilen, war jemand aus dem Inneren ausgebrochen. Wenn die Angaben des Sicherheitsmannes und der Polizisten stimmten – daran gab es später durchaus Zweifel – musste dieser Ausbruch also zwischen 3.00 und 5.30 Uhr stattgefunden haben.
Denn es war durchaus wahrscheinlich, dass sich Steve Crawford aus Bequemlichkeit um zwei Uhr den Gang in die Kirche hinein gespart hatte. Und ebenso denkbar war es, dass die Polizisten aus ähnlichen Gründen den Anruf nicht so wichtig nahmen. Sie hatten möglicherweise nur das Hauptportal überprüft. Der Rundgang um das große Gebäude war ihnen vielleicht einfach zu lästig.
Wer gestand schon freiwillig solche Schlampereien ein, wenn sich am Ende herausstellte, dass ein Mord geschehen war? Denn wie die Untersuchungen der Gerichtsmedizin ergaben, war Arlis Perry bereits kurz nach Mitternacht gestorben. Und es war recht unwahrscheinlich, dass der oder die Täter mehr als drei Stunden im Kircheninnern ausgeharrt hatten, bevor sie entkommen waren. Das Risiko, entdeckt zu werden, musste ihnen viel zu groß erschienen sein.
Geschändete Leiche neben dem Altar
Um 5.30 Uhr jedenfalls betrat Wachmann Steve Crawford den Innenraum der Kirche durch die offenstehende Seitentür. Dieses Mal schaute er sich genauer um. Er vermutete zunächst, dass jemand die Kirche ausgeraubt hatte. Er achtete darauf, ob irgendwelche Einrichtungsgegenstände fehlten. Als Crawford beim Altar angekommen war, sah er einen Körper auf dem Boden liegen. Es war Arlis Perry, die dort unmittelbar neben dem linken Ende des Chorgestühls lag. Nicht weit entfernt von der Kirchenbank, in der Zeugen Arlis Perry zuletzt lebend gesehen hatten.
Arlis Perry lag auf dem Rücken, mit dem Kopf in Richtung Altar. Sie war von der Hüfte abwärts nackt, die Beine waren weit gespreizt. Ihre Bluse war zerrissen, die Arme über der Brust gefaltet. Zwischen ihren Brüsten steckte eine geweihte Kerze vom Altar. Außerdem hatte der Täter Arlis Perry eine etwa 75 cm lange Kerze in die Vagina gerammt. Wie die genaueren Untersuchungen später ergaben, war die junge Frau geschlagen und gewürgt worden. Diese Verletzungen waren aber nicht tödlich gewesen. Um sie zu töten, hatte der Mörder einen Eispickel benutzt, der oberhalb des linken Ohres im Schädel steckte.
Das Rätsel der Hose
Dann registrierte Steve Crawford noch ein sehr seltsam anmutendes Detail. Der Täter hatte die Hose des Opfers nicht einfach zusammengeknüllt und zur Seite geworfen. Er hatte die Hosenbeine glatt gestrichen und in gespreizter Form auf den Kirchenboden gelegt, exakt spiegelverkehrt zur Position der Leiche. Der Hosensaum berührte die Unterschenkel von Arlis Perry. Blickte man von oben auf dieses Arrangement, ergab sich daraus eine Raute. Oder zwei sich kreuzende V‘s. Warum hatte sich der Mörder diese Mühe gemacht? Hatte die Inszenierung etwas zu bedeuten?
Das Hirn des Wachmanns hatte in diesem Augenblick viele verwirrende Eindrücke gleichzeitig zu verarbeiten. Steve Crawford wetzte aus der Kirche hinaus, um seine Vorgesetzten zu verständigen. Die riefen das zuständige Sheriffbüro von Santa Clara County. Dort schickte man gleich sechs Kriminalbeamte zum Tatort. Die Schilderungen des Wachmanns ließen einen Fall erwarten, der großes öffentliches Interesse erregen würde.
Als der stellvertretende Sheriff Tom Rosa die Leiche gesehen hatte, trat er vor die Presse. Das sei eindeutig die Tat eines sexuellen Psychopathen. Robert Hammerton Kelley, der Dekan der Memorial Church, hatte den Schauplatz des Verbrechens ebenfalls in Augenschein genommen. Er vermutete als Urheber, wenig verwunderlich, den Teufel. Wörtlich beschrieb er den Tatort als »kultisch und satanisch«. Im Anschluss nahmen die Kriminalbeamten die Ermittlungen in diesem rätselhaften Mordfall auf. Oberste Priorität hatte die Vernehmung von Bruce Perry. In ollen Krimis mochte ja immer der Gärtner der Täter sein. In der schnöden Wirklichkeit war es hingegen meist der Ehemann.
weiter zu —> (5) Die Ermittlungen