(2) Ein harmloser Streit

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Am Abend des 11. Oktober 1974, einem Samstag, saß Bruce Perry gegen 23.30 Uhr immer noch über seinen Büchern. Seine Frau unterbrach ihn kurz und sagte ihm, dass sie schnell ein paar Briefe an Freunde und Verwandte zu Hause in Bismarck einwerfen wolle. Bruce Perry hatte Arlis an diesem Tag kaum Beachtung geschenkt, so sehr war er ins Lernen vertieft gewesen. Nun wurde er gewahr, dass seine Frau niedergeschlagen wirkte. Er bekam ein schlechtes Gewissen. Vielleicht sollte er die Bücher für eine halbe Stunde mal Bücher sein lassen und Arlis auf einem Spaziergang begleiten.

Vernünftige Idee. Aber irgendwo im Verlaufe dieses Spaziergangs musste der Schuss nach hinten losgegangen sein. Denn die beiden gerieten in eine hitzige Auseinandersetzung. Wie Bruce Perry später behauptete, habe es sich dabei um eine lächerliche Lappalie gehandelt. Das Gespräch habe sich um einen Reifen an ihrem Wagen gedreht, der seit geraumer Zeit Luft verloren habe. Sowohl er als auch seine Frau hätten wohl erwartet, dass der jeweils andere sich um die fällige Reparatur kümmere.

Der Streit setzte sich auf dem Spaziergang fort, der sie in Richtung der Memorial Church führte. Sie waren gar nicht mehr weit entfernt, als Arlis Perry plötzlich stehen blieb. Sie fauchte ihren Gatten an, dass sie nun gerne eine Weile allein sein würde. Sie beabsichtige, die Kirche aufzusuchen. Dort würde sie für Bruce beten, dass er zur Einsicht gelange und sich seinen Fehler eingestehe. Bruce Perry brachte das nur noch mehr auf, dass ihm seine Frau die alleinige Schuld für den Streit in die Schuhe schieben wollte. Er machte auf dem Absatz kehrt und stapfte wütend zurück in seine Studentenbude. Die Uhr zeigte mittlerweile 23.40 Uhr.

Arlis Perry - Mord in Stanford - Memorial Church außen
Nachtaufnahme Stanford Memorial Church
Quelle: King of Hearts, Wikipedia

Arlis Perry – Stanford Memorial Church

Gegen 23.50 Uhr erreichte Arlis Perry vermutlich das Hauptportal der Stanford Memorial Church. Die Campuskirche war kein kleines Kapellchen, wie man es vielleicht auf einem Unigelände erwarten würde. Das Gotteshaus der Stanford-Universität war ein gediegener Kirchenbau, so farbenfroh und opulent ausgestattet wie eine Barockkirche. An den Wänden hingen Gemälde und Teppich, die purpurn und golden glänzten. Überall standen Skulpturen und polierte Kandelaber herum. Die Pfeiler und Rundbögen waren reich ornamentiert.

Das lange Mittelschiff der Stanford Memorial Church verfügte an beiden Seiten über Emporen und führte direkt auf den Altar zu, der über mehrere Stufen zu erreichen war. Die Vierung, die das Langhaus mit dem Querhaus verband, war von einer gewaltigen Kuppel überspannt. Die Gebetsbänke reichten bis in diesen Bereich hinein und waren hier im Halbkreis um den Altar herum gruppiert. Die gegenüberliegende Seite des Kreises bildete das mit vielen Holzschnitzereien verzierte Chorgestühl.

Zeugen beobachten Arlis Perry

Arlis Perry dürfte wegen ihrer häufigen Kirchgänge bekannt gewesen sein, dass an jedem Abend um Mitternacht ein Wachmann erschien und die Türen des Gebäudes verschloss. Zwei Studenten, die in den Bänken hinten rechts saßen, würden später bestätigen, dass Arlis Perry die Stanford Memorial Church um zehn Minuten vor Mitternacht betrat. Sie trug eine dunkelbraune Jacke, eine Bluse, Jeans und beige Schuhe mit Keilabsätzen. Die Studenten beobachteten, wie die junge Frau im Mittelgang bis fast nach ganz vorne ging und sich in eine der ersten Bänke auf der linken Seite schließlich zum Beten niederkniete.

Arlis Perry - Mord in Stanford - Memorial Church innen
Mittelgang der Stanford Memorial Church mit Blick auf den Altar
Quelle: Mcginnly, Wikipedia

Die beiden jungen Leute verließen die Stanford Memorial Church gegen Mitternacht. Sie warfen an der Tür nochmals einen letzten Blick über die Schulter. Arlis Perry verharrte immer noch in ihrer Bank. Etwa um die gleiche Zeit fiel einem Passanten vor der Kirche ein junger Mann auf, der die Memorial Church betrat. Laut der Zeugenaussage hatte er rotblondes, gescheiteltes Haar. Er war von mittlerer Statur, trug ein blaues kurzärmliges Hemd und war ansonsten recht salopp gekleidet. Der Zeuge schätzte den Mann auf Anfang bis Mitte zwanzig. Kurios, worauf die Menschen alles achten: Der Beobachter war sicher, dass der blonde Jüngling keine Armbanduhr trug.

Der Wachmann Steve Crawford

Der Wachmann Steve Crawford hinkte an diesem Abend seinem Zeitplan hinterher. So erschien er erst gegen 0.10 Uhr an der Memorial Church. Er betrat die Kirche, blieb aber im hinteren Teil des Mittelgangs stehen. Er schaute sich um, konnte jedoch niemanden im Innern erkennen. Der Kirchenraum war leer. Dennoch rief er wie üblich in die Stille hinein: »Wir schließen für die Nacht. Die Kirche wird die Nacht über verschlossen. Sollte sich noch jemand im Gebäude befinden, müssen Sie es nun verlassen.« Er erhielt keine Antwort.

Zufrieden verließ Steve Crawford die Kirche und schloss die Türen ab. Den polizeilichen Ermittlungen zufolge lebte Arlis Perry vermutlich zu diesem Zeitpunkt noch. Und wahrscheinlich hatte sie Crawford gehört. Aber es ist anzunehmen, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt bereits in ernsthaften Schwierigkeiten befand. Als die mächtigen Kirchenportale ins Schloss fielen, musste sie Todesangst verspürt haben. Denn nun war sie ausgerechnet in einer Kirche ganz alleine mit dem Teufel.

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