(8) Arlis Perry – Opfer einer satanistischen Verschwörung?

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Jahre später kam erneut Bewegung in den Fall. Im Februar 1979 erhielt Lieutenant Terry Gardner vom Ward County Sheriff Department in Minot, North Dakota, ein seltsames Päckchen. Es enthielt lediglich ein Buch über Hexerei mit dem Titel »Anatomy of Witchcraft«. In dem Büchlein war eine Stelle dick unterstrichen. Sie beschrieb einen satanischen Kult namens »Process Church« und das Zitat lautete: »Du sollst töten. Sie sagen, dass ihre Bestimmung darin liegt, das Ende der Welt herbeizuführen – durch Mord, Gewalt und Chaos. Aber sie, die Auserwählten, würden das Chaos überleben und eine neue Welt zum Ruhme Satans erbauen.« Neben dem Zitat stand eine handschriftliche Anmerkung: »Arlis Perry. Gejagt, verfolgt und erlegt. Nach Kalifornien gefolgt. Stanford University.«

Der Fall Arlis Perry war Lieutenant Gardner aus North Dakota durchaus ein Begriff. Der gesamte Bundesstaat hatte gerade einmal 670.000 Einwohner. Da bekommen die Polizeibehörden schon mit, wenn einer ihrer Einwohner unter mysteriösen Umständen ums Leben kommt.  Gardner schaute auf den Absender des Päckchens. Und jetzt wurde die Angelegenheit vollends rätselhaft. Das Buch stammte von einem Gefängnisinsassen namens David Berkowitz, auch bekannt als »Son of Sam« – der berühmteste Serienmörder in der Geschichte von New York City. Was wusste der verurteilte Serienkiller über den Mordfall in Kalifornien? Was hatte die ominöse »Process Church« damit zu tun?

Die Process Church und Charles Manson

Die »Process Church« war ursprünglich eine Abspaltung der Scientology-Kirche und wurde in den 1960ern von Robert und Mary Ann De Grimston in England gegründet. Die Religionsgemeinschaft geriet schnell in den Ruf, eine Ansammlung von Satanisten zu beherbergen. Die Kirchengründer, das Ehepaar De Grimston, glaubte nämlich, dass am Tage des Jüngsten Gerichts Christus und Satan Hand in Hand zusammenarbeiten würden. Jesus würde dann über jeden Menschen zu Gericht sitzen, der Teufel würde die Urteile vollstrecken.

Was immer man davon halten will, laut dem Staatsanwalt Vincent Bugliosi sei Charles Manson auf diesen Kult voll abgefahren und Mitglied gewesen. Bugliosi war Chefankläger im Mordprozess gegen Manson und seine »Helter Skelter«-Bande. Er schrieb später einige Bestseller über berühmte Kriminalfälle: »Helter Skelter« über Charles Manson; »Outrage« über den Prozess gegen O.J. Simpson; »And the Sea Will Tell« über das geheimnisvolle Verschwinden des Ehepaars Graham während eines Segeltörns durch die Südsee; und eine 1.600 Seiten dicke Schwarte über das Attentat auf Präsident John F. Kennedy mit dem Titel »Reclaiming History«.

Verhör von David Berkowitz

Lieutenant Gardner verständigte seine Kollegen im Santa Clara County in Kalifornien. Ken Kahn, einer der Beamten, die den Mordfall Arlis Perry untersuchten, reiste daraufhin nach New York und sprach mit David Berkowitz im Gefängnis von Attica. Aber nach dem Gespräch war Kahn überzeugt, dass Berkowitz keinerlei Kenntnisse über das Verbrechen hatte. Das, was er mitzuteilen wusste, hatte bereits in den Zeitungen gestanden. Für Kahn stand fest: Der Typ wollte sich nur wichtig machen und gierte nach ein wenig Aufmerksamkeit.

Der Journalist Maury Terry sah das anders. Er ging diesen Spuren nach, schrieb ein Buch über seine Recherchen mit dem Titel »The Ultimate Evil« [Link zu Amazon] und suchte später auch den persönlichen Kontakt zu David Berkowitz. Terrys Credo: Die Charles-Manson-Morde, die Son-of-Sam-Morde und der Mordfall Arlis Perry seien alle von einem satanistischen Netzwerk begangen worden, das in den gesamten USA verbreitet sei. Ursprünglich handele es sich dabei um die »Process Church«, die aber inzwischen mehrfach umbenannt worden sei. Berkowitz sei bloß ein kleines Rädchen im Getriebe gewesen, eine Art Erfüllungsgehilfe. Seit Mitte der 1990er hat sich Berkowitz dieser Sicht der Dinge ebenfalls angeschlossen und äußert sich in Interviews ganz ähnlich.

„Manson II“

Laut Maury Terry und David Berkowitz heiße der mutmaßliche Mörder von Arlis Perry William Mentzer, kultintern nur »Manson II« genannt. William Mentzer erlangte als Mörder des Hollywoodproduzenten Roy Radin eine gewisse Bekanntheit. Gemäß Maury Terry habe Arlis Perry sterben müssen, weil sie vielleicht etwas gesehen oder gehört habe, bei dem sie nicht Zeuge sein durfte. Der Kult habe Angst gehabt, Perry könne sie verpfeifen. Möglicherweise habe Arlis Perry herausgefunden, dass eine hochrangige Person aus ihrer Heimatstadt Bismarck Mitglied des Kults gewesen sei.

Und natürlich musste mal wieder Aleister Crowley herhalten, der Grandmaster Flash der modernen Satanisten. Wann hatte der nochmals Geburtstag? Richtig. Am 12. Oktober. Gut, am 12. Oktober 1875 und nicht am 12.10.1874, womit der Mord exakt auf den 100. Jahrestag gefallen wäre.  Aber bestimmt ist so eine krumme 99 auch viel teuflischer als eine hundsgewöhnliche 100. Terry zog Vergleiche zwischen Symbolen, die Satanisten wie etwa Crowley verwendeten, und der Auffindesituation am Tatort. Im linken Bild sieht man eine schematische Darstellung der Position von Arlis Perrys Beinen und der Hose. In der Mitte Aleister Crowleys »unikursales Hexagramm«. Rechts das Symbol der Freimaurer, Winkel und Zirkel.

Arlis Perry - Mord in Stanford - Symbolik

Obgleich das Buch einiges Aufsehen erregte, glaubten die mit den Ermittlungen betrauten Beamten nicht an die Zusammenhänge. Sie sahen in Terry eher einen geschäftstüchtigen Buchautor, der mit wilden Verschwörungstheorien die Kasse klingeln ließ, und in David Berkowitz einen überführten Serienmörder, der Jahrzehnte nach seinen Taten plötzlich seine Hände in Unschuld waschen wollte.

Ermittlungen eingestellt

Die Beamten hofften stattdessen, dass sie eines Tages von den Fortschritten der Forensik profitieren würden. Als ein landesweites Computersystem für Vergleichsanalysen von Fingerabdrücken eingeführt wurde, glichen sie ihre Abdrücke mit der Datenbank ab. Das Ergebnis war negativ. Als die DNS-Analyse aufkam, verglichen sie das Sperma, das sie am Tatort sicherstellen konnte, mit der Datenbank. Wieder Fehlanzeige.

So sind die Ermittlungen in dem Mordfall Arlis Perry inzwischen praktisch eingestellt worden. Bis vor etwa fünf Jahren telefonierten Marvin und Jean Dykema, die Eltern von Arlis Perry, noch regelmäßig mit dem Sheriffbüro des Santa Clara County. Dann rief sie eines Tages niemand mehr zurück. Die Eltern haben sich damit abgefunden, dass sich in der dortigen Polizeibehörde offensichtlich niemand mehr für den Fall zuständig fühlt.

Bruce Perry heute

Bruce Perry hat nach dem Mord an seiner Frau nochmals geheiratet und eine Familie gegründet. Das Verbrechen war für ihn verständlicherweise ein gewaltiger Einschnitt in seinem Leben. Er gab seinen ursprünglichen Plan auf, eines Tages in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Stattdessen studierte er Psychologie. Die Auseinandersetzung mit Gewalt und Kriminalität sollte auch sein weiteres Leben prägen.

Heute ist Bruce Perry ein anerkannter Experte für die Traumabehandlung von minderjährigen Verbrechensopfern. Durch seine Arbeit kam er in direkte Berührung mit so bekannten Kriminalfällen wie dem Amoklauf an der Columbine Highschool, dem Bombenanschlag auf das Murrah Federal Building in Oklahoma City und der Erstürmung der Siedlung Mount Carmel Center nahe Waco, Texas, in der sich die Anhänger von David Koresh verschanzt hatten.

UPDATE 30.6.2018: Mörder endlich ermittelt

Es ist ziemlich genau vier Jahre her, dass ich an dieser Stelle über den ungelösten und rätselhaften Mordfall geschrieben habe. 44 Jahre nach dem Verbrechen ist es der Polizei nun endlich gelungen, den Täter zu ermitteln. Auf diese Entwicklung wies mich zunächst eine aufmerksame Leserin hin (siehe Kommentare unten). Dafür nochmals vielen Dank.

Bei dem Mörder handelt es sich laut Polizeiangaben zweifelsfrei um Steve Crawford, der in diesem Text bereits von mir erwähnt wurde. Crawford war in der Mordnacht als Wachmann für das Verschließen der Kirche zuständig und „fand“ später gegen 6.00 Uhr morgens die Leiche von Arlis Perry. Der Wachmann galt schon damals als Tatverdächtiger. Auch in den vier Jahrzehnten nach der Tat hatte das für die Ermittlungen zuständige Sheriff-Büro des Santa Clara County den Mann im Visier. Die Behörden hatten jedoch nie genug Beweismaterial in Händen, um Crawford zu verhaften und eine Anklage vorzubereiten.

Dies änderte sich kürzlich dank des DNS-Nachweises. Offenbar war es den Beamten gelungen, in der Kleidung von Arlis Perry DNS-Spuren ihres Mörders sicherzustellen. Um welche Spuren es sich dabei genau handelte, konnte ich den Presseberichten bisher nicht entnehmen. Aber das Ergebnis der Untersuchung lautete: Das Spurenmaterial ließ sich eindeutig Steve Crawford zuordnen. Als die Polizisten Crawford am 28. Juni 2018 zu Hause mit einem Durchsuchungsbeschluss aufsuchten, erschoss sich der Tatverdächtige in seiner Wohnung und verstarb an Ort und Stelle.

In der Pressemeldung der Polizei von San Jose/Kalifornien – Crawfords Wohnort – heißt es zu dem Vorfall: „Als die Beamten den Durchsuchungsbeschluss zustellen wollten, standen sie zunächst vor einer geschlossenen Haustür. Sie nahmen verbalen Kontakt zu einer Person in der Wohnung auf. Als die Polizisten die Wohnung betraten [Anmerkung: Originaltext enthält keinen Hinweis, ob der Bewohner die Tür öffnete oder die Polizisten], sahen sie einen erwachsenen Mann mit einer Handfeuerwaffe. Die Beamten zogen sich daraufhin sofort zurück. Kurze Zeit später war ein Schuss zu hören. Keiner der Polizisten hat jedoch seine Waffe abgefeuert. Die Beamten betraten schließlich das Haus und entdeckten eine erwachsene, männliche Person, die sich offensichtlich selbst eine Schusswunde zugefügt hatte. Der Mann wurde am Tatort für tot erklärt. In der Wohnung war niemand sonst anwesend oder verletzt.“

Trotz des Selbstmordes des mutmaßlichen Täters dauern die Ermittlungen derzeit noch an. Die Polizei hofft, bei der Wohnungsdurchsuchung weitere Indizien zu finden, die Steve Crawford mit dem Verbrechen an Arlis Perry in Verbindung bringen.

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9 Kommentare

  1. Der Moerder hat sich gestern, Donnerstag den 28. Juni in San Jose, CA umgebracht. Die Polizei stand vor seiner Tür und er griff zur Waffe und erschoss sich.
    Ein DNA Abgleich hat zu zu seiner Ueberfuehrung geführt.

    • Vielen Dank für den Hinweis! Habe ich noch gar nicht mitbekommen. Das sind ja aufsehenerregende Neuigkeiten. Werde mich am Wochenende mal in die aktuelle Berichterstattung einlesen.

      Herzliche Grüße
      Richard Deis

      • Aber wenn Steve Crawford tatsächlich der Täter war, von wem stammen dann die Fingerabdrücke auf der Kerze, die vermutlich vom Täter hinterlassen wurde und auf der sich weder Fingerabdrücke von Steve Crawford noch von Bruce Perry finden?

        • Gute Frage. Vielleicht kann die Polizei das im Verlaufe ihrer weiteren Untersuchung noch aufklären. Aber ich fürchte, nach 44 Jahren ist man bei den Behörden einfach froh, endlich einen Täter präsentieren zu können. Fällt der Tatnachweis schlüssig aus, wird man sich um solche Details nicht mehr kümmern.

  2. Also ganz ehrlich die Sache stinkt doch, jetzt erst ist die DNA gefunden wurden angeblich “nur“ vom Wachmann und vorher stimmten weder diese noch die Fingerabdrücke überrein, und dann war niemand weiteres in der Wohnung des angeblichen “Selbstmord“ eines Mannes der die Waffe schon bereit hatte obwohl er da von dem Hausdurchsuchungsbeschluss nichts wusste. Langsam glaube ich auch an eine Verschwörung, zumal die Position der Leiche definitiv den Freimauerzeichem angehört. Wer will hier wenn verarschen? Eindeutig dieser Mord gehört dazu und der Wachmann war nun ein Lästiger Mittäter denn man loswerden musste.

  3. Also ich sehe das ähnlich. Für mich sieht es so aus als wäre der Wachmann Komplize gewesen und hat den oder die Mörder in der Kirche eingeschlossen oder auch reingelassen. Wie auch immer, er wusste etwas. Vielleicht wollte er ja reden und wurde ans Messer geliefert, denn wem oder was glaubt man wohl eher? DNA-Ergebnisse vor Aussage eines Verdächtigen, so sähe das Ranking wohl aus….ich denke er hätte sich da nicht rauswinden können. Über diesen Crawford weiß man auch zu wenig um irgendein Profil zu zkizzieren. Beweise werden sicher genug in seiner Bude gefunden.

  4. Es könnte aber auch sein, dass Crawford Handschuhe getragen hat und deshalb keine Fingerabdrücke auf den Kerzen waren. Diese Abdrücke könnten auch von der Person stammen, die die Kerzen ursprünglich in die Kirche gebracht hat. Die DNA könnte auch auf andere Art an das Opfer gelangt sein – vielleicht hat Crawford sie beim Auffinden berührt, vielleicht war er der Täter. Who knows?

  5. Hallo Richard seit neuestem ist bekannt durch die gestern erschiehende Dokumentation „son of Sam“ das der Täter Crawford wohl auch das Buch von Terry ( befasste sich ein leben lang mit der Geschichte von Berkowitz) besass. Scheinbar war Crawford wohl wirklich auch sehr besessen von Dunklen Kulten, was in Californien durch Manson durchaus interessant sein dürfte. Zudem wird berichtet das The Process jegliche Tatbeteiligung oder Zusammenhänge bestreitet. Vllt interessant für dich die Doku Mal zu schauen.

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