(8) Der Kreis der Verdächtigen

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Seit 1971 hat das FBI nach eigenen Angaben mehr als tausend verdächtige Personen im Zusammenhang mit dem Entführungsfall genauer überprüft. Die meisten dieser Verdächtigen konnten definitiv ausgeschlossen werden. Ein Überblick über die bekanntesten Namen, die den Theorien zufolge die Tat begangen haben könnten.

D.B. Cooper - Phantombild Alterung
Mögliche Alterung D.B. Cooper

Kenneth Christiansen

Im Jahr 2003 sah sich Lyle Christiansen aus Minnesota eine TV-Dokumentation über den Cooper-Fall an. Nach der Sendung war er überzeugt, sein verstorbener Bruder Kenneth sei der gesuchte Dan Cooper. Seine Argumentation schien das FBI jedoch nicht zu überzeugen. Also wendete er sich an den Filmautor und Regisseur Nora Ephron, in der Hoffnung, dass dieser seine Geschichte verfilmen würde. Als auch dies scheiterte, engagierte er den Privatdetektiv Skipp Porteous aus New York. Dieser Detektiv veröffentlichte 2010 ein Buch, in dem er behauptete, Kenneth Christiansen sei in der Tat der Flugzeugentführer gewesen.

Christiansen war 1944 zum Militär eingezogen worden und wurde zum Fallschirmjäger ausgebildet. Er unternahm Ende der 1940er noch einige Übungssprünge in Japan, als er dort mit der amerikanischen Besatzungsarmee stationiert war. Nach seiner Dienstzeit beim Militär arbeitete er als Mechaniker für Northwest Orient Airlines, später auch als Flugbegleiter und Purser in Seattle.

Zum Zeitpunkt der Entführung war Kenneth Christiansen 45 Jahre alt. Er war wie der Entführer Raucher und hatte eine Vorliebe für Bourbon. Zudem war er Linkshänder (es gibt Hinweise darauf, dass der Täter ebenfalls Linkshänder war). Die Stewardess Florence Schaffner äußerte gegenüber einem Reporter, dass die Fotos von Christianen eher Dan Cooper ähnelten als andere Bilder von Verdächtigen, die man ihr gezeigt hatte. Allerdings stimmten Körpergröße und Gewicht von Kenneth Christiansen nicht mit den Angaben der Augenzeugen überein. Christiansen wog nur 68 kg und war lediglich 1,72 m groß.

Christiansen hatte angeblich wenige Monate nach der Flugzeugentführung ein Haus gekauft und bar bezahlt. Nach seinem Tod 1994 entdeckten Angehörige Goldmünzen und eine wertvolle Briefmarkensammlung. Außerdem befanden sich auf diversen Konten des Verstorbenen mehr als 200.000 US-Dollar.

In seinem Nachlass fand sich zudem eine Sammlung von Zeitungsausschnitten über seinen Arbeitgeber Northwest Orient Airlines. Er hatte bereits seit Anfang der 1950er Jahre solche Artikel gesammelt, jedoch kurz vor der Entführung damit aufgehört, obwohl es sich dabei wohl um die schlagzeilenträchtigste Geschichte in der Historie der Fluglinie handelte. Nach 1971 arbeitete Christiansen allerdings nur noch in Teilzeit für die Airline.

Das Buch von Porteous und eine TV-Dokumentation aus dem Jahr 2011 verschafften der Geschichte einige Aufmerksamkeit. Dennoch betrachtete das FBI Kenneth Christiansen nie als Verdächtigen. Zum einen stimmte sein äußeres Erscheinungsbild nicht mit den Zeugenbeschreibungen überein. Zum anderen war er ein ausgesprochen erfahrener Fallschirmspringer. Fehler, wie sie Dan Cooper unterlaufen waren, wären ihm wohl kaum passiert. Außerdem fand sich keinerlei belastendes Material, das ihn direkt mit der Entführung in Verbindung brachte.

William Gossett

William Pratt Gossett hatte in seiner Militärzeit nichts ausgelassen. Er diente bei der Marine, der Luftwaffe und dem Heer. Er hatte sowohl am Korea- als auch am Vietnamkrieg teilgenommen. Zu seinen militärischen Qualifikationen zählten Sprung- und Überlebenstraining in der Wildnis. 1973 schied er aus dem Militär aus und arbeitete als Lehrer für die Fortbildung von Reserveoffizieren. Außerdem unterrichtete er Militärrecht an der Weber State University in Ogden (Utah) und hatte eine eigene Radio-Talkshow in Salt Lake City, in der er gerne über paranormale Phänomene sprach. 1988 änderte Gossett seinen Vornamen in Wolfgang und wurde katholischer Priester. William Gossett verstarb 2003.

Gossett war von der Cooper-Entführung regelrecht besessen. Er sammelte alle Zeitungsartikel zu dem Thema. Kurz vor seinem Tod erzählte er seinen Söhnen angeblich (darunter zwei Juristen), dass er die Flugzeugentführung begangen habe. Fotos von Gossett, die um 1971 entstanden sind, zeigen durchaus Ähnlichkeiten zu den Phantombildern.

Der Anwalt Galen Cook hat viele Jahre Unterlagen zu William Gossett zusammengetragen. Laut seiner Recherchen habe Gossett seinen Söhnen auch einen Schlüssel zu einem Bankschließfach in Vancouver (Kanada) gezeigt, in dem sich das vermisste Lösegeld befinde. Gossetts ältester Sohn Greg erinnerte sich, dass sein Vater ihnen kurz vor Weihnachten 1971, nur wenige Wochen nach der Entführung, einen großen Haufen Bargeld präsentiert habe. Er habe angenommen, dass sein Vater das Geld später in Las Vegas verzockt habe, da er ein passionierter Spieler gewesen sei.

Für das FBI genügten diese Indizien jedoch nicht. Für die Behörden ist es noch nicht einmal zweifelsfrei erwiesen, ob sich Gossett zum Zeitpunkt des Verbrechens im Nordwesten der USA aufhielt.

Richard McCoy

Richard Floyd McCoy Jr. war ein Army-Veteran, der zwei Dienstzeiten in Vietnam gedient hatte. Er war zunächst Spezialist für Sprengungen, dann später bei den Green Berets als Hubschrauberpilot tätig. Nach dem Militärdienst wurde er Stabsfeldwebel in der Nationalgarde von Utah. In seiner Freizeit war er begeisterter Fallschirmspringer.

Am 7. April 1972 entführte McCoy in Denver Flug 855 von United Airlines. Es handelte sich wie im Cooper-Fall um eine Boeing 727 mit rückwärtiger Treppe. Der Täter verwendete einen Briefbeschwerer, der wie eine Handgranate geformt war, sowie eine nicht geladene Pistole, um die Flugbesatzung zu bedrohen. Dann verlangte er 500.000 Dollar in bar und vier Fallschirme. Die Übergabe erfolgt auf dem San Francisco International Airport. McCoy sprang über Provo in Utah aus der Maschine.

An Bord des Flugzeugs ließ er seine handschriftlichen Anweisungen an die Besatzung zurück. Das FBI konnte den Täter rasch identifizieren, da er Fingerabdrücke an einer Illustrierten hinterlassen hatte. Als ehemaliger Militärangehöriger waren seine Fingerabdrücke registriert. Am 9. April konnte McCoy verhaftet werden. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von 45 Jahren.

Doch zwei Jahre später konnte McCoy aus der Haftanstalt in Lewisburg mit mehren Komplizen fliehen. Die Insassen durchbrachen mit einem Müllwagen das Haupttor des Gefängnisses. Drei Monate später konnte das FBI den entflohenen Sträfling in Virginia Beach aufspüren. Es kam zu einer Schießerei mit den Agenten, bei der Richard McCoy seinen Verletzungen erlag.

1991 erschien ein Buch, deren Verfasser der ehemalige FBI-Agent Russell Calame und der Bewährungshelfer Bernie Rodes waren. Darin behaupteten die Autoren, dass sie McCoy als wahren Dan Cooper überführt hätten. Als Indizien führten sie zahlreiche Parallelen zwischen beiden Fällen an. Außerdem behaupteten Angehörige von McCoy, dass dieser eine Ansteckkrawatte und eine Perlmuttkrawattennadel besessen habe, wie sie Cooper seinerzeit am Tatort zurückgelassen hatte.

Während das FBI keinerlei Zweifel hegt, dass McCoy die Maschine in Denver entführt hat, gilt er jedoch offiziell nicht als Verdächtiger im Cooper-Fall. Zum einen war er 1971 29 Jahre alt und nicht Mitte 40, wie die Zeugen den Täter beschrieben hatten. Zum anderen verfügte er über exzellente Kenntnisse als Fallschirmspringer, weswegen ihm einige Fehler, wie sie Dan Cooper unterlaufen waren, wohl kaum passiert wären. Außerdem gab es wohl ernst zu nehmende Hinweise, dass sich Richard McCoy am 24. November 1971 in Las Vegas aufhielt und den darauffolgenden Feiertag zusammen mit seiner Familie in seinem Haus in Utah verbrachte.

Duane Weber

Duane L. Weber hatte während des Zweiten Weltkriegs in der US-Army gedient. Zwischen 1945 und 1968 saß er wegen Einbrüchen und Fälschungsdelikten sechs Mal im Gefängnis ein. Weber geriet erst 1995 durch seine Witwe unter Verdacht. Sie behauptete, ihr Mann habe ihr auf dem Sterbebett anvertraut, dass er Dan Cooper sei.

Mit dem Namen habe sie zunächst nichts anfangen können. Erst ein Bekannter habe ihr Monate später erklärt, um wen es sich dabei handle. Danach habe sie die örtliche Bibliothek aufgesucht und dort ein Sachbuch über die Flugzeugentführung gefunden. An den Rändern fanden sich handschriftliche Anmerkungen. Sie habe sofort die Handschrift ihres verstorbenen Mannes wiedererkannt.

Nach der Lektüre habe sie sich daran erinnert, wie ihr Mann einst im Schlaf laut redete. Er sprach davon, aus einem Flugzeug zu springen, und dass er Angst habe, Fingerabdrücke an der Hintertreppe zu hinterlassen. Ihr Mann sei zudem Kettenraucher gewesen und habe Bourbon getrunken. Darüber hinaus habe sie 1979 zusammen mit ihrem Mann einen Trip nach Seattle und an den Columbia River unternommen. Ihr Gatte habe sich dabei einmal alleine zu einem Spaziergang in die Nähe des Tina-Strandes aufgemacht – nur vier Monate, bevor Brian Ingram dort die Geldscheine aus der Beute fand.

Das FBI strich Weber 1998 von der Liste der Verdächtigen, als seine Fingerabdrücke mit keiner der in der entführten Maschine sichergestellten Spuren übereinstimmten. Zudem konnte man keinen wirklichen Beweis finden, der Weber mit der Entführung in Verbindung brachte. Spätere Untersuchungen ergaben, dass Webers DNA-Profil auch nicht zu dem organischen Material passte, dass man durch die Krawatte gewonnen hatte.

John List

John Emil List war Veteran des Zweiten Weltkriegs und Korea-Kriegs. Anschließend arbeitete er als Buchhalter, bis er seine Mutter, seine Frau und seine drei minderjährigen Kinder in Westfield (New Jersey) ermordete und spurlos verschwand. Die Morde ereigneten sich 15 Tage vor der Entführung der Boeing-Maschine durch Dan Cooper. Durch diese zeitliche Parallele geriet er beim FBI automatisch unter Verdacht. Zudem ähnelte sein Äußeres in groben Zügen der Zeugenbeschreibungen von Dan Cooper.

1989 konnte List verhaftet werden. Bei seiner Vernehmung gestand er die Ermordung seiner Familie. Doch mit der Flugzeugentführung hatte er nach eigenem Bekunden nichts zu tun. Und es ist äußerst unwahrscheinlich, dass jemand, der fünf Morde gesteht, nicht gleichzeitig noch eine unblutig verlaufene Entführung beichtet. Weil zudem keinerlei Hinweise auf eine Verbindung auftauchten, gilt er beim FBI nicht länger als Verdächtiger im Entführungsfall. John List verstarb 2008 in Haft.

Barbara Dayton

Robert Dayton diente in der Handelsmarine, während des Zweiten Weltkriegs in der Army. Nach seiner Entlassung aus dem Militär arbeitete er als Bibliothekar sowie mit Sprengstoff im Baugewerbe. Außerdem war er Hobbypilot und strebte eine Karriere bei einer professionellen Fluggesellschaft an. Doch er erhielt keine Verkehrspilotenlizenz.

1969 unterzog sich Dayton einer operativen Geschlechtsumwandlung und änderte seinen Namen in Barbara. Viele Jahre später behauptete jene Barbara Dayton, für die Cooper-Entführung verantwortlich gewesen zu sein. Sie habe sich seinerzeit als Mann verkleidet. Sie sei sauer auf die Luftfahrtbehörde FAA und die gesamte Luftfahrtindustrie gewesen, weil man ihr die Zulassung als Pilot verwehrt habe. Das Lösegeld habe sie in einer Zisterne in Woodburn, einem Vorort von Portland (Oregon), versteckt. Dort sei sie damals gelandet.

Als Barbara Dayton erfuhr, dass sie wegen der Flugzeugentführung immer noch juristisch belangt werden konnte, widerrief sie ihr Geständnis. Das FBI hat sich zu dieser Person nie öffentlich geäußert. Dayton verstarb 2002.

Ted Mayfield

Ted Mayfield gehörte den Special Forces der US-Army an und war unter anderem Ausbilder für Fallschirmspringer. Gleichzeitig war er mehrfach vorbestraft wegen fahrlässiger Tötung (bei zwei Schülern öffneten sich die Fallschirme nicht), bewaffneten Raubüberfällen und des Transports von gestohlenen Flugzeugen. Zuletzt wurde er 2010 zu einer Strafe von drei Jahren auf Bewährung verurteilt, weil er eine einmotorige Maschine geflogen war. 26 Jahre zuvor hatte man ihm seine Pilotenlizenz auf Lebenszeit entzogen.

Mayfield stand in den anfänglichen Ermittlungen tatsächlich unter Verdacht des FBI, weil einer der Agenten ihn kannte und zu einem früheren Zeitpunkt mit Mayfield aneinandergeraten war. Doch der Verdächtige meldete sich nur zwei Stunden nach der Landung der entführten Maschine in Reno bei den Behörden und bot seine Hilfe bei der Suche nach der Landezone an. Das FBI hielt es deshalb für sehr unwahrscheinlich, dass es sich bei ihm um den Täter handeln konnte.

2006 meldeten sich jedoch zwei Amateurdetektive über die Medien zu Wort und beschuldigten Mayfield der Tat. Daniel Dvorak und Matthew Myers behaupteten, sie hätten genügend belastende Indizien zusammengetragen, um ihm das Verbrechen nachzuweisen. Sie wollten ihre Beweise in einem Buch offenlegen, das sie bald zu veröffentlichen gedachten.

Mayfield wehrte sich gegen die Vorwürfe und ließ durchblicken, die beiden Autoren in spe hätten ihm viel Geld in Aussicht, wenn er bei dieser Geschichte mitspielen würde. Dvorak und Myers wiesen dies empört zurück. 2007 starb Dvorak. Das Buch ist bis heute nicht erschienen, konkrete Indizien gegen Mayfield sind nie aufgetaucht.

Jack Coffelt

Jack Coffelt war mehrfach vorbestraft. Er behauptete, Chauffeur und enger Vertrauter von Robert Todd Lincoln Beckwith gewesen zu sein, dem letzten nachweislichen Nachfahren von Abraham Lincoln. Bereits 1972 erzählte Coffelt, er sei jener gesuchte Dan Cooper.

Coffelt sagte, er sei in der Nähe von Mount Hood gelandet, etwa 80 km südöstlich von Ariel. Dabei habe er sich verletzt und auch das Lösegeld verloren. Coffelt hatte eine gewisse Ähnlichkeiten mit den Phantomzeichnungen, auch wenn er zum Zeitpunkt der Entführung bereits Mitte 50 war. Angeblich hatte er sich laut Zeugen am 24. November 1971 in Portland aufgehalten und litt seitdem unter einer Beinverletzung.

Das FBI überprüfte daraufhin Coffelt, stellte jedoch in etlichen Details gravierende Abweichungen fest, ohne diese Unterschiede jemals öffentlich preiszugeben. Die Behörden hielten die Geschichte für einen ausgemachten Schwindel, um an Geld zu gelangen. Ein ehemaliger Mithäftling sollte Coffelt einen Kontakt zu den Filmproduktionsfirmen in Hollywood herstellen. Dazu kam es jedoch nicht. Jack Coffelt verstarb bereits 1975.

Lynn Cooper

Den Namen Lynn Doyle Cooper brachte seine Nichte Marla Cooper 2011 ins Spiel. Sie behauptete, als Kind Cooper und einen weiteren Onkel belauscht zu haben. Sie hätten einen Plan geschmiedet, für den sie teure Walkie-Talkies benötigten. Dieses Treffen habe im Haus ihrer Großmutter in Sisters (Oregon) am Tag vor der Flugzeugentführung stattgefunden. Sisters liegt etwa 250 km südlich von Portland.

Am nächsten Tag wollten die beiden Onkel dann angeblich Truthähne jagen. Doch plötzlich sei L.D. Cooper mit einem blutverschmierten Hemd zu Hause erschienen. Er erklärte seinen Aufzug mit einem Autounfall. Ihr Onkel sei zudem ein großer Fan der kanadischen Comic-Reihe mit Dan Cooper gewesen. Eines der Hefte habe er sogar an einer Wand befestigt.

Das FBI verglich Fingerabdrücke und DNA-Profil mit ihren Spuren, stellte jedoch keine Übereinstimmung fest. Zudem hatte Cooper keinerlei Ausbildung oder Erfahrung als Fallschirmspringer.

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