(5) Eine Frau voller Widersprüche

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Im Juli 1946 reiste Elizabeth Short nach Kalifornien, um dort Joseph Gordon Fickling wiederzutreffen. Sie hatte den Lieutenant der Air Force zwei Jahre zuvor in Florida kennengelernt, bevor er in den Krieg zog. Die beiden wollten nun herausfinden, ob sie eine gemeinsame Zukunft als Paar hatten.

Joseph Gordon Fickling

Der gemeinsame Urlaub in Long Beach verlief von Beginn an holprig, wie dem späteren Briefverkehr zwischen Fickling und Short zu entnehmen ist. Fickling beklagte sich wiederholt darüber, dass seine vermeintliche Braut während ihres Zusammenseins ununterbrochen mit anderen Männern geflirtet habe. Er habe sich irgendwann gefragt, ob ihr überhaupt etwas an ihm liege.

Offensichtlich war Elizabeth Short nicht in der Lage oder willens, ihn davon zu überzeugen, dass er sich im Irrtum befand. Nach etwa einer Woche hatte Fickling genug von der Liasion und verschwand nach Nordkalifornien. Dort fand er bei einer kleinen Airline einen Job als Pilot. Doch Fickling und Short blieben in Kontakt.

Joseph Gordon Fickling
Joseph Gordon Fickling

Er schickte ihr weiterhin in unregelmäßigen Abständen Geld, wenn sie wieder einmal pleite war. Den letzten Brief von Elizabeth Short erhielt Fickling am 8. Januar 1947, sechs Tage vor ihrem Tod. Sie schrieb ihm, dass sie vorhabe, nach Chicago überzusiedeln, wo man ihr einen Job als Model angeboten habe. Ein kompletter Schwindel. Aber solche kleinen Lügen waren ihr inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen.

Finanzielle Probleme

Elizabeth Shorts finanzielle Probleme verschlimmerten sich nach der Trennung von Joseph Fickling. Sie zog nach Los Angeles. Vielleicht hegte sie nach wie vor den Traum, von Hollywood entdeckt zu werden. In der rauen Wirklichkeit wechselte sie in den letzten sechs Monaten ihres Lebens ständig von einer Unterkunft zur nächsten. Sie kam in billigen Hotels, Pensionen, Mietskasernen oder Privatunterkünften unter.

Die Miete durfte nicht viel und möglichst gar nichts kosten, denn Elizabeth Short war chronisch blank. So teilte sie sich vom 13. November bis 15. Dezember 1946 beispielsweise mit acht anderen Frauen – Cocktailkellnerinnen, Telefonistinnen, Tänzerinnen – eine Zweizimmerwohnung. Für ein Feldbett und ein Schubfach im Schrank verlangte der Vermieter 1 Dollar pro Nacht. Dennoch schlich sich Elizabeth Short häufig zum Hinterausgang hinaus, wenn der Wohnungseigentümer abkassieren kam.

Eine Frau voller Widersprüche

Ihre Mitbewohnerinnen erzählten der Presse später, sie sei jeden Abend mit einem anderen Mann unterwegs gewesen. Einen Job habe sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gehabt und sich auch nicht darum gekümmert. »Sie trieb sich immer auf den Hollywood Boulevard herum«, erzählte eine von ihnen.

Elizabeth Short war voller Widersprüche. Ihr Verhalten war häufig nur schwer nachzuvollziehen, was die Ermittlungen der Polizei zusätzlich erschwerte. Denn trotz ihrer Geldnöte steckte sie jeden Penny in ihre Garderobe. Lieber hungerte sie, als schlecht gestylt das Haus zu verlassen. Am liebsten trug sie elegante dunkle Kostüme, Rüschenblusen, High Heels und lange Abendhandschuhe.

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Elizabeth Short

Andererseits scheute die so auf ihr Äußeres bedachte Frau den Weg zum Zahnarzt, wie die Obduktion gezeigt hatte. Ihre Bekannten berichteten, sie habe sich Wachs in die Karieslöcher gestopft und dunkle Zahnstellen mit Tipp-Ex bestrichen.

Obwohl Elizabeth Short während ihrer Zeit in Los Angeles praktisch ständig ausging, pflegte sie allenfalls lose Kontakte. Sie hatte keine engen Freunde, weder Männer noch Frauen. Stattdessen zog sie es vor, ständig wechselnde Bekanntschaften zu machen. Sie schloss sich eine Weile lang einem Grüppchen oder einem männlichen Begleiter an, dann war sie urplötzlich verschwunden. Tage später sah man sie mit einer anderen Clique herumziehen.

Plötzlicher Umzug nach San Diego

Am 9. Dezember 1946, einen Monat vor ihrem Verschwinden, verließ sie Los Angeles und nahm den Bus nach San Diego. Die Gründe für den Umzug sind nicht bekannt. Möglicherweise schuldete sie inzwischen zu vielen Leuten Geld. Oder sie wünschte sich einen Neuanfang. Vielleicht geschah es auch nur aus einer Laune heraus. Denn der Trip wirkte nicht so, als wäre er wirklich geplant gewesen.

Sie traf um sechs Uhr morgens in San Diego ein. Weil sie offenbar kein konkretes Ziel hatte, kaufte sie sich eine Kinokarte für das »Aztec Theatre«, das rund um die Uhr geöffnet hatte. Im Kino lief »Der Jazzsänger« [Link zu Wikipedia]. Dorothy French, die an diesem Tag das Kassenhäuschen betreute, entdeckte wenige Stunden später die schlafende Elizabeth Short im Kinosaal. Die Kartenverkäuferin hatte Mitleid mit dem gestrandeten Mädchen und lud sie zu sich nach Hause ein.

Das "Aztec Theater" in San Diego
Das „Aztec Theater“ in San Diego

Die nächsten vier Wochen verbrachte Elizabeth Short bei der Familie French. Sie faulenzte den ganzen Tag im Haus herum, ging jeden Abend aus und kehrte spät zurück. Anfang Januar 1947 hatten die Frenchs die Geduld mit ihrer Untermieterin verloren. Sie baten sie, sich eine andere Bleibe zu besorgen.

Ein mysteriöser Fremder

Auch die Zeitungen in San Diego berichteten über den spektakulären Mord in Los Angeles. Als die Frenchs das Bild von Elizabeth Short sahen, meldeten sie sich am Samstag, dem 18. Januar 1947, bei der Polizei. Die Zeugen konnten nicht nur wichtige Angaben über den Verbleib der Toten in den letzten Wochen vor ihrem Tod machen. Sie lieferten der Polizei die erste heiße Spur in diesem Fall.

Denn die Frenchs hatten beobachtet, dass Elizabeth Short in einen Wagen gestiegen war, als sie mit ihren Koffern das Haus verließ. Sie konnten sowohl das Fahrzeug als auch den Fahrer, einen jungen Mann mit auffälligen roten Haaren, sehr genau beschreiben.

Als Harry Hansen und Finis Brown der Fall der unbekannten Toten übertragen wurde, schienen sie es mit einem knallharten Whodunit zu tun zu bekommen. Plötzlich schien die Lösung des vertrackten Rätsels greifbar nah, viel eher als erwartet. Die beiden Mordermittler setzten alle verfügbaren Beamten auf den mysteriösen Rothaarigen an.

 

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