(8) Auf dem Gipfel der Macht

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Al Capone trug seinem neuen Status Rechnung. Er bezog sein neues Hauptquartier im luxuriösen »Metropole Hotel«. Die Suite mit fünf Zimmern kostete ihn am Tag 1.500 US-Dollar. Torrios alten Grundsatz, das Licht der Öffentlichkeit zu scheuen, hatte er längst aufgegeben. Die Erfahrungen mit der Presse in Cicero ließen ihn noch offensiver werden.

Al Capone, 1925

Public Relations

Er hatte sich mit dem Zeitungsredakteur Harry Read angefreundet. Dieser riet ihm, wie er den Prominentenstatus am besten für seine Zwecke instrumentalisieren konnte. Niemals verstecken. Immer freundlich zu den Menschen sein. Al Capone zeigte sich in der Folge häufig in der Oper, bei Sport- oder Wohltätigkeitsveranstaltungen. Er gab sich äußerst spendabel und war nahezu omnipräsent.

Die öffentliche Wahrnehmung wandelte sich. So schlimm, wie ihn Polizei, Justiz und Presse immer darstellten, konnte der Mann doch gar nicht sein. Was machte er schon? Er verdiente sein Geld mit schwarz gebranntem Schnaps.

Der Großteil der erwachsenen Bevölkerung trank mehr oder weniger heimlich Alkohol und pfiff auf die Prohibition. Dieser Gesetzesverstoß war in den Augen der meisten Bürger nicht einmal ein Kavaliersdelikt, sondern Zeichen von Zivilcourage wider die staatliche Bevormundung.

Der amerikanische Traum

Doch Capone verwandte seine Energie nicht nur darauf, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Fast täglich fuhr er vor dem Sitz der Stadtverwaltung vor. Er unternahm alles, um für die Politiker greifbar zu sein und ihre Vorbehalte zu zerstreuen. Seht her, ich bin ein ganz vernünftiger Mann. Natürlich flossen nebenbei reichlich Barmittel, um diesen Meinungsumschwung zügig voranzutreiben.

Capone definierte das Rollenbild des Kriminellen völlig um. Die meisten Gangster waren plumpe Schläger wie Frankie Yale, um den jeder, der bei halbwegs klarem Verstand war, einen weiten Bogen machte. Einige wenige waren diskrete Strippenzieher wie Johnny Torrio. Keiner von ihnen würde jemals von der normalen Gesellschaft anerkannt werden.

Doch nun kam ein selbstbewusster Capone in seinen feinen Anzügen und mit seinen gepflegten Manieren um die Ecke. Und er tat alles dafür, dass das Establishment ihn mit offenen Armen empfing. Als wäre er nur ein weiterer neureicher Unternehmer, der den amerikanischen Traum lebte.

Ein Trip nach New York

Im Dezember 1925 kehrte Al Capone in seine Geburtsstadt New York zurück. Eigentlicher Anlass der Reise war eine medizinische Behandlung für seinen Sohn, der unter einer chronischen Mittelohrentzündung litt. Capone verband das Private mit dem Geschäftlichen. Er stattete seinem ehemaligen Boss Frankie Yale einen Besuch ab.

Frankie Yale hatte eine Schmuggellinie aufgebaut, über die er Whiskey von Kanada nach New York einführte. In Chicago war Whiskey knapp. In New York gab es ihn im Überfluss. Capone schlug Yale vor, ihm seine überschüssigen Kontingente abzukaufen und sich einen Weg auszudenken, wie er das Zeug sicher nach Chicago transportierte.

Frankie Yale

Das Massaker im »Adonis Club«

Nach Abschluss des Geschäfts lud Yale Capone zu einer Weihnachtsparty ein, die im »Adonis Social and Athletic Club« stattfinden sollte. Ein schicker Name für eine weitere Schnapsspelunke. Kurz vor Partybeginn bekam Yale Wind davon, dass ein rivalisierender Gangster namens Richard »Peg-Leg« Lonergan die Feier zusammen mit einigen seiner Schläger sprengen wollte. Yale wollte die Party absagen. Doch Capone beharrte darauf, dass alles wie geplant ablief.

Al Capone - Richard Lonergan
Richard „Peg-Leg“ Lonergan

Als Lonergan mit seinen Leuten gegen drei Uhr morgens auftauchte und seine Show abzog, erlebte er sein blaues Wunder. Von überall stürzten sich in einer konzertierten Aktion Capones Männer auf ihn. Lonergan und seine Schläger hatten keine Chance. Ihnen blieb nicht einmal die Zeit, ihre Waffen zu ziehen.


Das Gebäude, in dem der „Adonis Club“ untergebracht war, existiert sogar noch. Es ist das graue, zweistöckige Häuschen, vor dem der grüne Umzugs-Lkw parkt.

 

Die Schießerei im »Adonis Club« war ein kühl kalkuliertes Massaker. Al Capone wollte in seiner alten Heimat Brooklyn die Muskeln spielen lassen. Auf diese Art teilte er der Unterwelt von New York mit, dass ab nun Chicago an der Spitze der Hierarchie stand. New York kam nur eine untergeordnete Rolle zu. Bisher hatte er als der unangefochtene Mafiaboss von Chicago gegolten. Nun hatte sich Al Capone zum mächtigsten Gangster des gesamten Landes aufgeschwungen.

Capone kehrte Anfang 1926 bester Stimmung nach Chicago zurück. In New York hatte er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Er hatte seinen Machtanspruch zementiert und er hatte eine neue Schmuggelroute ins Leben gerufen, die alle bisherigen Gewinne nochmals in den Schatten stellen würde.

 

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