Hymie Weiss und Bugs Moran von der North Side trachteten Al Capone immer noch nach dem Leben. Capone unterbreitete Hymie Weiss ein letztes Friedensangebot. Er köderte ihn mit einem lukrativen Geschäft und verlangte im Gegenzug Waffenstillstand. Hymie Weiss lehnte ab. Damit war sein Schicksal besiegelt.
Der Tod von Hymie Weiss
Capone hatte bereits alle Vorkehrungen für ein Attentat getroffen. Mehrere von Capone angeheuerte Auftragskiller hatten zwei Wohnungen in einem Haus neben und gegenüber von »Schofield‘s Blumenladen« bezogen. Hier war Dean O‘Banion gestorben. Hier sollte Hymie Weiss sterben.
Am 11. Oktober 1926, nur einen Tag nachdem er Capones Angebot zurückgewiesen hatte, nahmen die gedungenen Schützen Hymie Weiss ins Kreuzfeuer, sobald er das Geschäft verließ. Weiss wurde von zehn Schüssen getroffen. Er erlag im Krankenhaus seinen schweren Schussverletzungen und verstarb im Alter von 28 Jahren.
Waffenstillstand
Wie üblich konnte die Polizei nur die Leichen einsammeln, ohne einen Tatverdächtigen dingfest zu machen. In der Öffentlichkeit brodelte es. Als Capone der Westküste einen Besuch abstattete, verfolgten Polizeibeamte ihn auf Schritt und Tritt. Der Polizeipräsident von Los Angeles diktierte den Reportern in ihre Schreibblöcke: »Al Capone ist hier nicht willkommen, weder als ‚Geschäftsmann‘ noch als Privatperson.«
Zurück in Chicago musste Capone dort ähnliche Schikane erdulden. Die Polizei machte ihm den Alltag so unangenehm wie möglich. Selbst kleinste Regelverstöße wurden nun geahndet. Capone versuchte, die Wogen zu glätten. Um Weihnachten herum lud er Reporter zu sich nach Hause ein. Bei Spaghetti erläuterte ihnen seine Sicht der Dinge.
Er kündigte ein Ende der Bandenkriege an. Keinen weiteren Schießereien auf den Straßen. Keine neuen Toten. Die Morde, die bereits geschehen waren, würden nicht mehr gerächt. Einige Wochen blieb es tatsächlich still. Dann fand man die Leiche von »Tony dem Griechen«, mit bürgerlichen Namen Theodore Anton. Anton war einer der engsten Freunde von Capone gewesen.
Im Würgegriff der bösen Jungs
Al Capone war deprimiert. Niemand würde dem Morden Einhalt gebieten können, auch er nicht. Er äußerte gegenüber Reportern, dass er darüber nachdenke, sich komplett zurückzuziehen. Capone dämmerte, dass auch er sich wie seine Konkurrenten jederzeit eine Kugel einfangen könnte. Er suchte sich einen Rückzugsraum, der ihn aus der unmittelbaren Schusslinie brachte, und fand ihn in Florida.
Von dort aus zog er weiterhin an den Strippen der Macht. 1927 standen in Chicago Bürgermeisterwahlen an. Der korrupte »Big Bill« Thompson trat erneut gegen William Dever an. Das organisierte Verbrechen unterstützte die Wahlkampagne des Herausforderers mit üppigen Spendengeldern.
Thompson siegte schließlich. Devers Reformprogramm war am Ende. Capone konnte aufatmen. Die Schikanen der Polizei hatten ein Ende. Chicago gehörte wieder ihm. Die Mafia konnte ungestört ihren Geschäften nachgehen. Es sah so aus, als würden die bösen Jungs die Stadt für immer im Würgegriff behalten.
Manny Sullivan
Doch im Mai 1927 zeigte sich ein schmaler Hoffnungsschimmer am Horizont. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass ein Alkoholpanscher namens Manny Sullivan eine ordentliche Steuererklärung abzugeben habe, die auch seine Einnahmen aus illegalen Geschäften umfasste.
Eigentlich garantierte die amerikanische Verfassung jedem Bürger das Recht, die Aussage zu verweigern, sofern er sich dadurch selbst einer Straftat bezichtigte. In diesem Fall sahen die Bundesrichter es aber augenscheinlich anders. Dieses Recht durfte nicht dafür missbraucht werden, Papa Staat Steuergelder vorzuenthalten.
In der amerikanischen Steuerbehörde IRS formierte sich unter der Leitung von Elmer Irey eine kleine Gruppe von Steuerfahnder, die genau diese Rechtssprechung nutzen wollte, um all den Profiteuren der Prohibition auf den Leib zu rücken. Und das lohnendste Ziel war zweifelsohne Al Capone, der zu diesem Zeitpunkt keinen blassen Schimmer hatte, wer Manny Sullivan oder Elmer Irey waren.
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Weitere Kapitel zum Fall Al Capone
- Al Capone – »Scarface«
- (2) Johnny Torrio
- (3) Frankie Yale
- (4) »Big Jim« Colosimo
- (5) Cicero
- (6) Dean O‘Banion
- (7) Hymie Weiss
- (8) Auf dem Gipfel der Macht
- (9) Der Tod von Billy McSwiggin
- (10) Am Scheidepunkt
- (11) Miami
- (12) Bugs Moran und das Massaker am Valentinstag
- (13) Staatsfeind Nummer eins
- (14) Eliot Ness und die »Unbestechlichen«
- (15) Ein letzter Deal
- (16) Aufs Kreuz gelegt
- Bücher zu Al Capone
- Filme zu Al Capone