(16) Aufs Kreuz gelegt

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Am 6. Oktober 1931 geleiteten 14 Polizeibeamte Al Capone zum Gerichtsgebäude. Sie brachten ihn durch den Keller und über einen Lastenaufzug in den Verhandlungssaal. Rund um das Gericht galt die höchste Sicherheitsstufe.

Austausch der Geschworenen

Al Capone strahlte wieder Zuversicht aus. Er äußerte gegenüber der Presse Verständnis für die Anklageseite. Die Jungs von der Regierung würden nur ihren Job machen. Er sei ihnen nicht böse. Er glaubte, sich den Großmut leisten zu können. Seine Leute hatten genügend Geschworene geschmiert, um den Prozess platzen zu lassen.

Doch Richter James Wilkerson erwischte Capone erneut auf dem falschen Fuß. Als er den Saal betrat, sprach er zunächst den Gerichtsdiener an: »Begeben Sie sich zum Verhandlungssaal von Richter Edwards. Dort beginnt heute ebenfalls ein Prozess. Nehmen Sie die hier versammelten Geschworenen mit. Und bringen Sie mir die komplette Jury von Richter Edwards zurück.«

Damit hatte nun wahrlich niemand gerechnet. Der gesamte Gerichtssaal stand unter Schock, allen voran Capone. Schließlich nahmen die neuen Geschworenen Platz – ausnahmslos weiße Farmer aus dem landwirtschaftlich geprägten Umland von Chicago.

Keiner von ihnen war von der Mafia geschmiert worden. Richter Wilkerson ordnete sofort an, dass die Männer für die gesamte Dauer des kurzen Verfahrens ohne jegliche Kontaktmöglichkeit zur Außenwelt blieben. Wilkerson hatte Capone aufs Kreuz gelegt.

Das Urteil

Am 17. Oktober 1931 zog sich die Jury zur Beratung zurück. Nach neun Stunden hatten die Geschworenen ein Urteil gefällt. Es fiel gemischt aus. Sie erklärten Al Capone nur in einigen Anklagepunkten für schuldig.

Eine Woche später verkündete Richter James Wilkinson das Strafmaß. Er verurteilte den Angeklagten zu elf Jahren Haft und einer Geldbuße in Höhe von 50.000 US-Dollar. Außerdem musste er die Kosten des Verfahrens übernehmen, die 30.000 Dollar betrugen.

Als Capone den Gerichtssaal verließ, nahm ein Mitarbeiter der Steuerfahnder eine Taschenpfändung vor. Capone musste seine diamantbesetzten Hosenträger und seine dicken Klunker abgegeben. Bei Capone, der sich vor Gericht stets höflich und respektvoll gegeben hatte, fiel die Maske. Er ging wutentbrannt auf den Beamten los. Die Wachen konnten gerade noch einschreiten, um Schlimmeres zu verhindern.

Capone ging in Berufung. Wilkinson lehnte jedoch ein Kautionsgesuch ab. Die Zeit bis zu seinem nächsten Prozess musste Capone im Gefängnis verbringen. Capone scheiterte mit seiner Berufung. Die Bundesanwaltschaft sah danach davon ab, ein weiteres Verfahren gegen den Mafiaboss aus Chicago wegen der Verstöße gegen das Prohibitions-Gesetz zu eröffnen. Capone war nun für etliche Jahre aus dem Verkehr gezogen und würde aller Voraussicht nach seine einstige Macht einbüßen.

Ein bescheidener König

Man verbrachte Al Capone zunächst in die Justizvollzugsanstalt von Atlanta im Bundesstaat Georgia. Der Transport fand unter größten Sicherheitsvorkehrungen statt. Eliot Ness und die »Unbestechlichen« ließen es sich nicht nehmen, ihre wertvolle Fracht persönlich abzuliefern.

Schon bald machten Geschichten die Runde, Capone würde wie ein König im Gefängnis behandelt. Richtig war, dass er Vergünstigungen erhielt, die anderen Mitinsassen nicht zuteilwurden. Capone war es gelungen, im hohlen Schaft eines Tennisschlägers mehrere Tausend Dollar in bar ins Gefängnis zu schmuggeln. Damit ließen sich einige Extraleistungen finanzieren.

In der Realität fielen die Vorteile, die er sich dadurch verschaffte, jedoch recht bescheiden aus. Er bekam mehr Socken, Unterwäsche und Bettlaken als andere Gefangene. Vom Lebensstandard eines Königs war er damit weit entfernt.

Alcatraz

Im August 1934 war auch mit diesen Vergünstigungen Essig. Man verlegte Al Capone in das berühmt-berüchtigte Gefängnis Alcatraz nach Kalifornien. Er wurde dort von der Außenwelt komplett abgeschottet. Zeitungen waren generell verboten. Zeitschriften waren nur erlaubt, sofern sie älter als sieben Monate waren.

Das Gefängnispersonal überprüfte alle an Capone adressierten Briefe. Dann zensierten die Beamten jeden Hinweis mit geschäftlichem Bezug oder Informationen über ehemalige Mitarbeiter und Geschäftspartner. Schließlich tippten sie den verbleibenden Text neu ab und reichten ihn an Capone weiter.

Einzig die direkten Familienangehörigen von Capone bekamen ein Besuchsrecht erteilt, das sie vor jedem einzelnen Besuch schriftlich beantragen mussten. Pro Monat durfte der Mafiaboss maximal zweimal Besucher empfangen.

Ein direkter Kontakt zwischen Häftling und Besuchern war dabei untersagt. Capone musste sich mit seiner Familie durch eine Trennscheibe unterhalten. So konnte man ihm auch keinerlei Dossiers oder Geld zustecken. Letzteres hätte ihm eh nichts genutzt, weil es in Alcatraz schlichtweg nichts zu kaufen gab.

Dennoch schien Al Capone den Verlust seiner einstigen Macht und dem damit verbundenen Status gut zu verkraften. Er passte sich seinen neuen Lebensumständen an, ohne jemals negativ auffällig zu werden.

In geistiger Umnachtung

Allerdings verschlechterte sich sein Gesundheitszustand während seines Gefängnisaufenthalts. Die Syphilis, mit der er sich in seiner Jugendzeit infiziert hatte, trat ins tertiäre Stadium. Er wirkte zusehends verwirrt und desorientiert.

Al Capone 1939
Al Capone 1939

Im Herbst 1938 verlegte man Al Capone deshalb auf die Krankenstation. Dort blieb er bis zum November 1939. Die Behörden hatten entschieden, Al Capone wegen guter Führung bereits vorzeitig aus der Haft zu entlassen. Dieser schwerkranke Mann stellte nicht länger eine Bedrohung für die Gesellschaft dar.

So kam Capone nach nur sechs Jahren und fünf Monaten in Haft wieder auf freien Fuß. Seine Frau Mae brachte ihn zunächst in einer Klinik in Baltimore unter, wo er bis zum März 1940 behandelt wurde.

Die letzten Jahre seines Lebens lebte Al Capone in seiner Villa auf Palm Island, die ihm und seiner Familie verblieben war. Von seiner Krankheit sollte er sich jedoch nie mehr erholen. Bis zu seinem Tod war er pflegebedürftig. Am 25. Januar 1947 verstarb Al Capone an Herzversagen.

Sein Sohn Alphonse »Sonny« Capone war nie direkt mit dem organisierten Verbrechen in Berührung gekommen. Er änderte seinen Namen in Albert Francis Brown, besuchte die Universität von Miami, heiratete insgesamt dreimal und hatte gemeinsam mit seiner ersten Frau vier Töchter. Er behielt seinen Lebensmittelpunkt in Miami, wo er 2004 verstarb. Drei der Enkeltöchter von Capone leben nach wie vor.

 

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