(15) Ein letzter Deal

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Die Ermittler gerieten im Frühjahr 1931 unter Zeitdruck. Am 15. März 1931 lief die Verjährungsfrist für Steuervergehen aus dem Jahre 1924 ab. Zwei Tage vor Ablauf der Frist erhob die Steuerbehörde Anklage gegen Al Capone wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 32.488,81 US-Dollar.

Die Klage wird zugelassen

Eine Grand Jury hielt die vorgelegten Beweise für überzeugend genug, um die Anklageerhebung zuzulassen. Die Grand Jury tagte in geheimer Sitzung. Über die Abstimmung wurde Stillschweigen vereinbart. Denn die Ermittlungsbehörden sollten zunächst Gelegenheit bekommen, auch die Jahre 1925 bis 1929 näher unter die Lupe zu nehmen.

Am 5. Juni 1931 trat die Grand Jury erneut zusammen. Sie befand, dass sich in 22 Anklagepunkten ausreichende Verdachtsmomente ergeben hatten, die auf eine Steuerhinterziehung weiterer 200.000 US-Dollar hinwiesen.

Eine Woche später wurde einer Klage stattgegeben, die auf dem Beweismaterial gründete, das Eliot Ness und seine Agenten zusammengetragen hatten. Sie legten Indizien vor, die insgesamt 5.000 Verstöße gegen das Prohibitions-Gesetz seitens Al Capone und 68 Mitglieder seiner Bande dokumentierten. Die Vorfälle reichten bis ins Jahr 1922 zurück. Zunächst würde Bundesanwalt Johnson aber nur Anklage wegen der Steuervergehen einreichen.

Capone handelt einen Deal aus

Al Capone drohte eine Verurteilung zu maximal 34 Jahren Haft, falls das Gericht alle Anklagepunkte als erwiesen ansah. Die Verteidiger von Capone wandten sich an Bundesanwalt George Johnson und unterbreiteten ihm einen Vorschlag.

Capone würde sich vor Gericht für schuldig erklären, wenn der Ankläger im Gegenzug für ein mildes Strafmaß plädieren würde. Johnson beriet sich über das Angebot gemeinsam mit Elmer Irey und dem neuen Finanzminister Ogden Mills. Schließlich willigte er ein. Beide Parteien einigten sich auf eine Gefängnisstrafe, die zwischen zwei und fünf Jahren betragen sollte. Bei guter Führung würde Capone vermutlich weitaus früher wieder auf freiem Fuß sein.

Warum ließ sich die Bundesanwaltschaft auf diesen Deal ein? Immerhin hatte man zuvor mit einem gewaltigen Aufwand gegen den Beschuldigten ermittelt und ihn zum Staatsfeind Nummer eins erklärt. Weshalb also dieser Sinneswandel?

Zum einen fürchtete die Anklage trotz aller Sicherheitsmaßnahmen nach wie vor um das Leben ihrer Kronzeugen. Al Capone hatte auf jeden von ihnen ein Kopfgeld von 50.000 Dollar ausgesetzt. Außerdem würde die Mafia versuchen, die Geschworenen zu bestechen. Wenn dies nicht fruchtete, würden sie die Jury und ihre Angehörigen bedrohen.

Es bestanden zudem aus juristischer Sicht Zweifel daran, ob die Verjährungsfrist für Steuervergehen tatsächlich sechs Jahre betrug, wie die Steuerbehörde IRS argumentierte. Diese Sichtweise basierte auf einem Grundsatzentscheid des Obersten Gerichtshofs.

Doch ein Berufungsgericht hatte kürzlich entschieden, dass lediglich Steuervergehen geahndet werden konnte, die maximal drei Jahre zurücklagen. Sollte das Gericht dieser Argumentation folgen, würden viele Beweise in dem Verfahren jegliche Bedeutung verlieren.

Überraschung

Entsprechend selbstsicher und siegesgewiss beschritt Al Capone am 30. Juni 1931 das Gerichtsgebäude. Gut gelaunt gab er den Pressevertretern Interviews. Er befinde sich in Verhandlungen mit Hollywood, erzählte der Mafiapate. Man wolle seine Lebensgeschichte verfilmen.

Doch Richter Wilkerson hielt für den Angeklagten eine unangenehme Überraschung in petto. Wilkerson machte unmissverständlich klar, dass ihn der Deal zwischen Capone und dem Bundesanwalt einen feuchten Kehricht scherte. Weder der Staatsanwalt noch die Verteidiger würden über das Strafmaß bestimmen, sondern alleine er. Der Bundesanwalt könne allenfalls eine Empfehlung aussprechen, doch die Entscheidung obliege dem Gericht.

Capone war geschockt. Der Deal war damit hinfällig. Capone sah möglicherweise einer langen Gefängnisstrafe entgegen. Immerhin erlaubte ihm der Richter angesichts der veränderten Umstände, sein Schuldanerkenntnis zurückzuziehen. Der Prozess wurde für den 6. Oktober 1931 anberaumt.

Al Capone verbrachte den Sommer in seinem alten Zufluchtsort Lansing in Michigan. Dort war er bereits einmal abgetaucht, als ihn die Chicagoer Polizei gejagt hatte. Hinter den Kulissen arbeiteten seine Leute die Liste der Geschworenen ab. Jeder wusste, was das bedeutete. Vermutlich war bereits die halbe Jury gekauft.

Eliot Ness ging zu Bundesanwalt Johnson und Richter Wilkerson. Er setzte sie über die Bestechungsversuche in Kenntnis. Wilkerson zeigte sich weder überrascht noch besorgt. »Bringen Sie den Fall wie geplant vor Gericht. Um den Rest werde ich mich kümmern.«

 

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