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Sie kamen am Dienstagnachmittag. Ein Trupp von zehn Gardeinfanteristen, angeführt von einem Hauptmann, der zackige Kommandos bellte. Die Soldaten hielten direkt auf das Rathaus von Köpenick zu. Die aufgepflanzten Bajonette ließen keine Zweifel daran, dass sie es todernst meinten, wie auch immer ihr Marschbefehl lautete. Sobald sie das Rathaus erreicht hatten, schien alles nach einem ausgeklügelten Plan abzulaufen.
Der Hauptmann gab kurze Befehle, schon hatten zwei Soldaten vor dem Haupteingang Stellung bezogen und ließen niemanden mehr hinein oder heraus. Je ein Infanterist bewachte die beiden Nebeneingänge. Zwei weitere Soldaten sicherten das Erdgeschoss und scheuchten jeden in sein Büro zurück, der es wagte, nach dem Grund für den Aufmarsch zu fragen. Der Hauptmann begab sich derweil mit den verbliebenen vier Soldaten in den ersten Stock. Dort verhafteten sie den Oberstadtsekretär Rosenkranz sowie den Bürgermeister Dr. Langerhans. Manchmal reichten zehn Soldaten, um eine komplette Stadt zu erobern. Köpenick lernte die Lektion am 19. Oktober 1906.
Zaghafter Widerstand
Der Einzige, der dem Stadtstreich ein wenig zu trotzen wagte, war der erwähnte Bürgermeister Dr. Langerhans [Link zu Wikipedia]. Er verlangte vom Hauptmann, dass er ihm irgendeinen amtlichen Wisch vorzeige, der ihn zu der Verhaftung legitimiere. Doch der Hauptmann war auf Zack. Er drohte dem Aufmüpfigen kurzerhand mit Kerker, wenn er sich den Befehlen Seiner Majestät widersetze. »Meine Legitimation sind meine Soldaten«, blaffte er den Bürgermeister an. Da fügte sich der Herr Doktor in sein Schicksal.
Um seine Autorität noch weiter unter Beweis zu stellen, herrschte der Hauptmann zwei Soldaten an: »Eure Instruktion kennt ihr!« Nun ja, der Schuss wäre fast nach hinten losgegangen. Denn die beiden Angesprochenen schauten sich bloß verdutzt an. Sonderlich instruiert sahen sie nicht aus. Aber der Hauptmann vertraute zurecht auf die deutsche Befehlskette und den guten, alten Kadavergehorsam preußischer Prägung. Als der Bürgermeister sich aus seinem Mantel ein Taschentuch greifen wollte, um die Schweißperlen auf seinen Sorgenfalten abzutupfen, setzten sie ihm das Bajonett auf die Brust und trieben ihn in seine Ecke zurück.
Der Hauptmann plündert die Stadtkasse
Bis zu diesem Punkt war den Verhafteten vollkommen unklar, was die rätselhaften Vorgänge bezwecken sollten. Nun ließ der Hauptmann aber erkennen, was er eigentlich im Schilde führte. Denn als Nächstes suchte er das Kassenzimmer im Erdgeschoss auf und stellte den Kassenführer von Wiltberg vor vollendete Tatsachen. Die Verwaltung der Stadt Köpenick sei verhaftet. Er, der Hauptmann, habe nun die Befehlsgewalt. Und der Hauptmann ordnete flugs die Herausgabe der kompletten Stadtkasse an. Diese umfasste exakt 4.002 Mark und 37 Pfennige, wie Kassenwart von Wiltberg penibel vorrechnete: Zinsscheine im Wert von 443,25 Mark, 3557,45 Mark bar auf die Kralle sowie ein unerklärlicher und unverzeihlicher Fehlbetrag von 1,67 Mark. Raub einen Preußen aus und wunder dich, wenn er anschließend verlangt, dass du den Diebstahl quittierst.
Befehl ist Befehl
Die Nachricht über die Verhaftung des Bürgermeisters hatte sich in Köpenick wie ein Lauffeuer verbreitet. Inzwischen stand die halbe Stadt draußen vor dem Rathaus und hoffte auf großes Spektakel. Auch die örtliche Polizei war erschienen. Als die Polizeikräfte jedoch das Gebäude betreten wollten, starrten sie in zwei sehr finster ausschauende Gewehrläufe. Befehl sei Befehl, meinten die Wachposten. Diese Art von Ansprache verstanden die Schupos nur allzu gut und zogen sich wieder zurück.
Apropos geprügelte Hunde, eingekniffene Schwänze und so: Drinnen im Gebäude harrte noch ein Polizeiinspektor namens Jäckel aus, der im Rathaus sein Büro hatte. Was unternahm dieser Polizeiinspektor angesichts der ungeheuerlichen Vorgänge, die sich vor seinen Augen abspielten? Richtig, er buckelte sich bis zum Hauptmann vor und reichte ein formloses Urlaubsgesuch ein. »Um ein Wannenbad zu nehmen«. Keine Ahnung, wo preußische Helden geboren wurden. Im Polizeidienst scheinbar nicht. Der Hauptmann wedelte lässig mit der Hand und gab dem Pudel in Polizeiuniform zu verstehen, dass er sich begießen durfte. Schon verdrückte sich der saubere Herr Inspektor.
Seine Häftlinge ließ der Hauptmann indes mit Kutschen nach Berlin karren. Die Soldaten dienten als Eskorte. Als die seltsame Entourage schließlich auf der Neuen Wache der Hauptstadt eintraf, war das Erstaunen groß. Es wurde eifrig umhertelefoniert, aber von einem gültigen Haftbefehl war nirgends etwas bekannt. Den Beamten dämmerte allmählich, dass es sich bei dem vermeintlichen Hauptmann um einen gerissenen Hund handeln musste, der mit seiner Maskerade alle Beteiligten übertölpelt hatte. Natürlich war der Urheber dieses abgekarteten Spiels da schon lange nicht mehr greifbar. Er hatte sich in Köpenick mit der geraubten Penunze in die Bahn gesetzt und war im Großstadtgewirr untergetaucht.
Anläßlich des Jubiläums, 100 Jahre Köpenickiade, schrieben die beiden Autoren, Felix Huby und Hans Münch für den Volksschauspieler, Jürgen Hilbrecht, der in Köpenick seit 1993 als hauptmann von Köpenick mit musikalischen Programmen agiert, ein Theaterstück über Wilhelm Voigt. „Das Schlitzohr von Köpenick“ Schuster, Hauptmann, Vagabund, ein Kabinettstück für einen Schauspieler in 15 Rollen.
Die Uraufführung fand im Hotel Courtyard by Marriott in Köpenick am 15.Oktober statt.
Diese Inszenierung wird auch anläßlich “ 110 jahre Köpenickiade“ in der Freiheit 15 am 11.Februar 2016 aufgeführt.
Viel Erfolg mit der Aufführung, Herr Hilbrecht!
OOOHHH, ich, Jürgen Hilbrecht, bin zufällig auf dieser Seite gelande<t, und sage " lieben Dank, für das TOI; TOI ; TOI."
Jürgen Hilbrecht/ auch mal Bürger Voigt