(7) George P. Metesky

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Seit dem Dezember 1956 hatte Consolidated Edison mehrere Mitarbeiter der Verwaltung abgestellt, damit diese der Sonderkommission des NYPD zuarbeiteten. Sie durchforsteten alle Aktenbeständen nach ehemaligen Angestellten, die dem Konzern in der Vergangenheit Ärger bereitet hatten. Die Aufgabe war anspruchsvoll. Denn der Stromriese war erst durch die Fusion und Übernahme zahlreicher kleinerer Betriebe Ende der 1920er, Anfang der 1930er entstanden.

Alle Akten, die nach dem Zusammenschluss angelegt worden waren, waren sorgfältig geführt und in erstklassigem Zustand. Die Dokumente, die zuvor entstanden waren, gehorchten keinem einheitlichen Ordnungssystem. Die Sachbearbeiter mussten sich mühsam durch diesen Wust an Unterlagen durchkämpfen. Denn das Profil von Dr. Brussel wies explizit darauf hin, dass der »Mad Bomber« vermutlich genau in jenen Jahren der Fusion bei Con Edison angestellt war und für einen der kleineren Betrieb gearbeitet hatte.

George P. Metesky aus Waterbury, Connecticut

Eine Sachbearbeiterin namens Alice Kelly stieß am 18. Januar 1957 im Stapel dieser Papiere auf eine Akte über einen ehemaligen Angestellten namens George P. Metesky aus Waterbury, Connecticut. Auf dem Dokument waren zwei Begriffe rot markiert: »Ungerechtigkeit« und »arbeitsunfähig«. Diese Worte waren Alice Kelly auch in dem an Weihnachten veröffentlichten Täterprofil aufgefallen.

Der Mann war zwischen 1929 und 1931 bei der United Electric & Power Company beschäftigt gewesen, eine der kleinen Firmen, die vom Stromkonzern geschluckt worden waren. George P. Metesky war nach einem Arbeitsunfall am 5. September 1931 an Tuberkulose erkrankt. Er hatte deshalb finanzielle Entschädigung von Con Edison eingefordert, konnte seine Ansprüche aber nicht ausreichend belegen.

Nach dem abschlägigen Bescheid hatte George P. Metesky mehrere bitterböse Briefe an das Unternehmen verfasst. In einem der Schreiben drohte er mit Vergeltung. Er verwendete dabei eine Formulierung, wie sie für den »Mad Bomber« typisch war: Con Edison würde noch für seine »heimtückischen Taten« büßen. Gegen 17.00 Uhr verständigte Alice Kelly an diesem 18. Januar 1957 die New Yorker Polizei über ihren Fund.

Ein Hinweis unter vielen

Die Sonderkommission behandelte die Meldung von Alice Kelly zunächst nur als einen Hinweis unter vielen. Sie setzten aber die Kollegen in Waterbury darüber in Kenntnis und baten sie, den Mann diskret zu überprüfen. Seine Adresse lautete: 17 Fourth Street. Die Polizisten befragten Nachbarn des Verdächtigen. Übereinstimmender Tenor: Die Leute wussten nicht, was sie von George P. Metesky halten sollten.

Metesky bewohnte das Haus in der 17 Fourth Street mit zwei unverheirateten Schwestern. Die drei Meteskys lebten sehr zurückgezogen. George P. Metesky verhielt sich zwar stets höflich und legte Wert auf ein gepflegtes Erscheinungsbild, aber er wahrte Distanz. Niemand wusste etwas Persönliches über den Mann zu berichten. Den Nachbarn war zudem ein Rätsel, wie er seinen Lebensunterhalt verdiente. Denn George P. Metesky ging offensichtlich keiner geregelten Arbeit nach.

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Das Haus, in dem George Metesky mit seinen Schwestern lebte

Das verrückte Haus

Die Kinder der Nachbarschaft fürchteten sich vor dem exzentrischen Typen. Sie nannten 17 Fourth Street nur das »verrückte Haus«. Allerdings gab es keinerlei Hinweise darauf, dass dort tatsächlich irgendwelche seltsamen Dinge vor sich gingen. Den Spitznamen verdankte das Gebäude wohl ausschließlich der Fantasie der Kinder.

Einige Anwohner erzählten, dass George P. Metesky häufiger nach New York fuhr. Sie hatten mitbekommen, dass er dort unter anderem den Gottesdienst in der St. Patrick-Kirche besuchte, aber das erklärte nicht die Vielzahl seiner übrigen Fahrten. Andere Nachbarn fragten sich, was er die ganze Zeit in seinem kleinen Holzschuppen trieb, in dem er eine Werkstatt eingerichtet hatte.

Etwa um Weihnachten herum war den Menschen aus der Fourth Street eine Veränderung an George P. Metesky aufgefallen. Plötzlich war der einsilbige Nachbar freundlich zu seinen Mitmenschen, ja, regelrecht gesprächig. Er reparierte einem Jungen aus der Nachbarschaft sogar sein kaputtes Modellflugzeug. Das schien bei den anderen Kindern mächtig Eindruck hinterlassen zu haben. George P. Metesky galt nun nicht mehr länger als bekloppter Kauz, sondern als ein freundlicher, älterer Herr von nebenan. Auch die Erwachsenen fragten sich, ob sie den Mann all die Jahre vielleicht falsch eingeschätzt hatten.

Volltreffer

Am 21. Januar 1957 trudelte dann der Brief von George P. Metesky ein, in dem er das präzise Datum seines Arbeitsunfalls erwähnte. Großer Fehler. Ein Beamter der Sonderkommission erinnerte sich sofort an den Hinweis von Alice Kelly, der erst drei Tage zuvor eingetroffen war. Das Datum war identisch. Aber wer weiß: Vielleicht wollte George P. Metesky auch gefasst werden, wie es James Brussel prognostiziert hatte. Sein verändertes, gelöstes Verhalten nach Weihnachten deutete zumindest darauf hin. Endlich schenkte ihm die Öffentlichkeit Gehör – damit war der Zweck, den er mit seinen Anschlägen verfolgt hatte, erfüllt.

Am Montag, dem 21. Januar 1957, begaben sich vier Kriminalbeamte des NYPD zusammen mit Kollegen der örtlichen Polizei kurz vor Mitternacht zum Haus in der 17 Fourth Street in Waterbury. Sie hatten einen Haftbefehl und einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss in der Tasche. George P. Metesky, lediglich im Bademantel bekleidet, öffnete den Beamten die Haustür. Er verhielt sich freundlich und kooperativ.

Fair Play

Die Polizisten baten George P. Metesky um eine Schriftprobe. Während er schrieb, blickte er auf und sah den Beamten direkt in die Augen: »Ich weiß, warum ihr Burschen hier seid. Ihr denkt, ich sei der Mad Bomber.« Einer der Beamten konterte, weshalb Metesky denn dann seine Briefe immer mit »F.P.« signiert habe. Das seien ja schließlich nicht seine Initialen. »F.P. steht für Fair Play«, antwortete Metesky.

Anschließend führte George P. Metesky die Ermittler auf seinem Grundstück herum. Er zeigte ihnen seinen Schuppen, in dem eine Drehbank stand. Im Haus stießen die Beamten auf Rohre und Verbindungsstücke, die Metesky in der Speisekammer versteckt hatte. Zudem entdeckten sie drei billige Taschenuhren, Batterien für Taschenlampen, Elektroklemmen aus Messing und einen Packen Wollsocken. Alle Gegenstände entsprachen exakt den Einzelteilen, die der »Mad Bomber« für den Bau seiner Sprengsätze benutzt hatte.

Die Polizei forderte George P. Metesky auf, sich anuziehen. Er würde sie zur Wache begleiten müssen. Er war verhaftet. Der freundliche, ältere Herr kam der Aufforderung nach und kehrte im Anzug zurück – ein Zweireiher, zugeknöpft.

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Die Polizei verhaftet den „Mad Bomber“ – im Zweireiher

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