Das Valentinstag-Massaker

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Intro

Sieben Tote, kaltblütig hingerichtet in einer Garage – das Massaker am St. Valentinstag 1929 markiert den blutigen Höhepunkt der jahrelangen Kämpfe um die Vormachtstellung zwischen verfeindeten Gangstersyndikaten in Chicago. Der Auftraggeber scheint festzustehen, das eigentliche Ziel des Anschlags ebenso. Aber die Täter sind bis heute unbekannt geblieben.

Das Heulen von Highball

Es war kurz nach halb elf am Morgen des 14. Februar 1929, als lautes Hundegeheul die North Clark Street im Chicagoer Stadtteil Lincoln Park erfüllte. Mrs. Landesman beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Das Heulen kam aus einer Garage gegenüber ihres Hauses.

Sie hatte dort in letzter Zeit häufiger einen Automechaniker gesehen. Der Mann besaß einen Hund. Vielleicht hatte der Mechaniker einen Arbeitsunfall erlitten und der Hund veranstaltete deshalb solch einen Lärm.

Als Mrs. Landesman vorsichtig die Werkstatt 2122 North Clark Street betrat, entdeckte sie tatsächlich den Deutschen Schäferhund des Mechanikers. Er war mit einem Seil an einem Lkw festgebunden und zerrte verzweifelt an der Leine. Doch »Highball«, wie der Hund hieß, war nicht etwa sauer, weil man ihn angebunden hatte.

Mrs. Landesman bemerkte schnell den eigentlichen Grund für sein auffälliges Verhalten. Am anderen Ende der Werkstatt lagen sieben Männer am Boden. Um sie herum breiteten sich  Blutlachen aus. Mrs. Landesman lief schreiend aus der Garage auf die Straße.
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Die Toten vom Valentinstag 1929

Schweigen bis in den Tod

Die herbeigerufene Polizei stellte rasch fest, dass nicht alle sieben Männer tot waren. Frank Gusenberg atmete noch und war bei Bewusstsein. Der Schwerverletzte war den Beamten bekannt. Er arbeitete als Schutzgeldeintreiber für George »Bugs« Moran, den Gangsterboss der North Side.

Valentinstag-Massaker - Frank Gusenberg
Frank Gusenberg

Doch als die Polizisten Gusenberg fragten, wer auf ihn und die anderen geschossen hatte, antwortete dieser nur: »Auf mich hat niemand geschossen.« Ein beachtlicher Satz angesichts der Tatsache, dass die Ärzte später 14 Kugeln in seinem Leib zählten.

Drei Stunden später erlag Frank Gusenberg in der Klinik seinen lebensgefährlichen Schussverletzungen. Er hatte keinerlei Einzelheiten preisgegeben, was sich in der Garage in der North Clark Street an diesem Morgen zugetragen hatte.

So war der einzige Überlebende des Valentinstag-Massaker ein Deutscher Schäferhund namens »Highball«. Der half den Polizisten als Zeuge allerdings auch nicht weiter.

Die Opfer des Sankt Valentinstag-Massaker

Zumindest gelang es den Ermittlern zügig, die Identität der sieben Opfer zu klären. Neben Frank Gusenberg befand sich auch sein Bruder Peter unter den Toten. Auch er war als Geldeintreiber für die Moran-Bande tätig und durch seinen älteren Bruder ins Gewerbe gekommen. Die Gusenberg-Brüder waren übrigens Nachfahren deutscher Auswanderer aus der kleinen Ortschaft Gusenburg im rheinland-pfälzischen Landkreis Trier-Saarburg.

Valentinstag-Massaker - Peter Gusenberg
Peter Gusenberg

Zwei weitere Opfer deuteten für die Polizisten darauf hin, dass es sich bei dem Verbrechen womöglich um einen gezielten Anschlag gegen die Moran-Bande gehandelt hatte. Denn neben den Gusenberg-Brüdern lagen Adam Heyer, der Buchhalter des Verbrecherkartells, und Albert Kachellek alias »James Clark«, der als rechte Hand von George Moran galt.

Valentinstag-Massaker - Adam Heyer
Adam Heyer
Valentinstag-Massaker - Albert Kachellek
Albert Kachellek alias James Clark

Opfer Nummer fünf und sechs unterhielten zumindest enge Kontakte zu »Bugs« Moran und seiner Bande. Reinhardt Schwimmer gab sich gerne als Augenarzt aus, war in Wirklichkeit jedoch ein Optiker ohne jegliche medizinische Ausbildung.

Er hatte sein Geschäft aufgrund seiner Spielsucht und einer Schwäche für Pferderennen aufgegeben. Er verdiente sich sein Spielgeld, indem er mit der Moran-Gang Geschäfte machte. Albert Weinshenker wiederum war Geschäftsführer mehrerer Waschsalons und Reinigungen, die George Moran gehörten.

Das letzte Opfer war John May, der Automechaniker und Besitzer von »Highball«. May war kein Bandenmitglied, sondern arbeitete nur gelegentlich für Moran. Er war zwar bemüht, sich aus kriminellen Machenschaften herauszuhalten. Doch zu Hause warteten eine Frau und sieben hungrige Kinder auf ihn. Wenn das Geld knapp wurde – was häufig passierte -, reparierte er Morans Schmuggellaster oder spachtelte die Einschusslöcher in den Gangster-Limousinen zu.

Valnetinstag-Massaker - John May
John May

Tatablauf des Valentinstag-Massaker

Anhand der Befragungen von Nachbarn konnten die Ermittler einen ungefähren Tatablauf rekonstruieren. Gegen 10.30 Uhr war ein Cadillac vor dem Eingang des Lagerhauses vorgefahren. Vier Männer waren ausgestiegen. Zwei von ihnen trugen Polizeiuniformen, die anderen beiden waren mit Anzügen, Krawatten, Mänteln und Hüten gekleidet.

Die beiden uniformierten Männer hielten Schrotflinten in Händen und bewegten sich zum Hintereingang des Gebäudes. Ihre Begleiter warteten derweil draußen. Im Innern musste es den vermeintlichen Polizisten gelungen sein, die Opfer mit vorgehaltener Waffe zu überrumpeln.

Die sieben Männer waren vermutlich davon ausgegangen, dass es sich um eine Razzia handelte. Entsprechend leisteten sie dem Befehl Folge, sich vor der hinteren Mauer der Werkstatt mit dem Gesicht zur Wand aufzustellen.

Erst danach betraten die Täter in Zivilkleidung das Gebäude. Wer letztlich geschossen hatte, konnte die Polizei nicht beantworten. Die Mörder hatten auf jeden Fall zwei Maschinenpistolen benutzt, mit denen sie ihre wehrlosen Opfer regelrecht niedermähten.

Sie schossen selbst noch, als die Männer bereits in ihrem Blut am Boden lagen. Danach hatte mindestens einer der Täter noch zwei Schüsse aus einer Schrotflinte abgegeben, die John May und Albert Kachellek nahezu die Gesichter wegrissen.

Anschließend ereignete sich noch eine Scharade, die den Ermittlern vor Augen hielt, wie minutiös dieses Verbrechen offensichtlich geplant war. Um etwaige Zeugen zu beruhigen, die die Schüsse gehört hatten, traten die beiden Täter in Straßenkleidung mit erhobenen Händen vor die Tür. Hinter ihnen folgten die angeblichen Polizeibeamten mit den Waffen im Anschlag.

Für zufällige Beobachter sah es so aus, als habe ein kurzer Schusswechsel mit der Verhaftung der Übeltäter geendet. Aber wer und was steckte in Wirklichkeit hinter diesem grauenhaften Blutbad?

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