Fritz Erbe und Dorothee Buntrock – Ein mörderisches Duo

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1890 tauchten in mehreren Zeitungen des westfälischen und norddeutschen Raums gleichlautende Stellenanzeigen auf. Der Inserent suchte nach jungen Frauen, vorzugsweise aus gutem Hause, die für eine Adelsfamilie arbeiten wollten. Die Anzeigen hatten Fritz Erbe und seine Geliebte Dorothee Buntrock geschaltet.

Mindestens zwei junge Frauen, die sich auf die vielversprechende Annonce gemeldet hatten, verschwanden spurlos nach einem Treffen mit den vermeintlichen Stellenvermittlern. Erst anderthalb Jahre später fand man ihre zerstückelten Leichname in abgelegenen Waldgebieten. Die Leichenfunde lösten umfangreiche polizeiliche Ermittlungen aus, an deren Ende die Verhaftung der Täter Dorothee Buntrock und Fritz Erbe stand.

Raubmörder oder Serienvergewaltiger?

Beide galten seitdem in der Kriminalgeschichte als besonders brutale Raubmörder. Aber war Raub tatsächlich das vordergründige Tatmotiv? Denn dem Mörderduo war schon vor den Verbrechen bekannt, dass die Opfer praktisch keine Wertsachen bei sich führten. Warum dann dieses fürchterliche Gemetzel?

Fritz Erbe deutete bei einer Vernehmung an, dass er von vorneherein geplant habe, die Frauen zu vergewaltigen. In mindestens einem der beiden Mordfälle, die man ihm später zur Last legte, hatte er dieses Vorhaben auch in die Tat umgesetzt. Aber welches Motiv hatte seine Geliebte Dorothee Buntrock, ihn dabei tatkräftig zu unterstützen? Immerhin hielt sie die Opfer in Schach, während sich Erbe an ihnen verging und sie anschließend tötete. Buntrocks karge »Belohnung« für die Komplizenschaft: Das Kleid der Toten, welches sie am Leib trug, und etwas billiger Schmuck.

Ein zerstückelter Leichnam

Im November 1891 stürzte sich ein Hund wie von Sinnen ins Unterholz. Das Herrchen, ein Waldhüter aus Magdeburg, der sich auf Patrouillengang durch den Neuhaldeslebener Wald befand, reagierte reichlich verdutzt. Schließlich war das Tier abgerichtet und parierte normalerweise aufs Wort. Aber der Vierbeiner bekam sich gar nicht mehr ein. In einem fort kläffte er, steckte mal hier seine Schnauze in den Dreck, rannte zur nächsten Stelle, scharrte winselnd mit den Pfoten, stürzte wieder zurück und das Spektakel begann von vorn.

Der Mann trat neugierig näher, um herauszufinden, was seinen Hund dermaßen aufbrachte. Zunächst stieß der Waldhüter neben einer Baumwurzel auf einen nackten Rumpf, der offen herumlag. Er war offensichtlich menschlichen Ursprungs, auch wenn der Torso bereits stark verwest war. Die Füchse mussten den Verwesungsgeruch gewittert und die Leichenteile freigelegt haben. An den abgenagten Knochen fanden sich die typischen Fraßspuren. Der Waldhüter entdeckte danach noch ein Paar abgetrennter Arme und Beine sowie den dazugehörigen Kopf.

Emma Kasten

Die Spurenlage gab den herbeigerufenen Polizeibeamten wenig Anlass zur Hoffnung. Der oder die Täter hatten dem Mordopfer alle persönlichen Gegenstände inklusive der Kleidung abgenommen. Wider Erwarten konnte man die Leiche dann doch rasch identifizieren. Es handelte sich um die sterblichen Überreste der seit anderthalb Jahren vermissten 30-jährigen Emma Kasten aus dem westfälischen Minden, die vor ihrem Tod als Haushälterin gearbeitet hatte.

Am 21. Mai 1890 hatte man die Frau zuletzt lebend gesehen. Zu dieser Zeit hielt sie sich bei Verwandten in Magdeburg auf. An jenem 21. Mai, einem Mittwoch, las sie morgens in der Zeitung die vielversprechende Stellenanzeige, die Erbe und Buntrock dort platziert hatten. Eine Grafenfamilie suchte angeblich eine Reisebegleiterin. Den Bewerberinnen winkte ein üppiges Gehalt nebst guter Verpflegung. Einzige Bedingung: Die Interessentinnen müssten kurzfristig verfügbar sein.

Für Emma Kasten klang das nach einem Traumjob. Sie schrieb noch am selben Morgen an die angegebene Chiffreadresse. Irgendetwas muss damals im Postwesen besser funktioniert haben. Denn wenige Stunden später hielt Emma Kasten bereits eine Antwort auf ihre Bewerbung in Händen. Eine Stellenvermittlerin lud sie zu einem Vorstellungsgespräch ein. Die beiden Frauen trafen sich am Nachmittag desselben Tages in einer Konditorei in der Innenstadt von Magdeburg.

Hatte Emma Kasten noch etwaige Bedenken gehabt, so waren sie nach dem Gespräch wohl endgültig ausgeräumt. Denn sie nahm die Stelle an, verabschiedete sich noch kurz von ihrer Tante und begleitete die Stellenvermittlerin am frühen Abend zur vermeintlichen Grafenresidenz. Das Schloss liege am Rande des Neuhaldeslebener Waldes, behauptete die Stellenvermittlerin.

Die Tante hörte danach nie wieder etwas von ihrer Nichte. Emma Kasten blieb spurlos verschwunden. Der Grund war nun klar. Sie konnte sich nicht mehr melden, weil sie vermutlich am selben Tag ermordet worden war. Die Stellenvermittlerin geriet unter dringenden Tatverdacht.

Zeugenaussagen führen auf die Spur der Vermittlerin

Der Polizei gelang es tatsächlich, anderthalb Jahre nach dem Verbrechen noch Augenzeugen aufzutreiben, die wichtige Angaben machen konnten. Denn es hatten sich im Frühjahr 1890 mehrere junge Frauen auf ähnlich lautende Inserate gemeldet. Sie lieferten der Polizei eine detaillierte Beschreibung der ominösen Vermittlerin, die schließlich auf die Spur der Frau führten.

Es handelte sich um die 30-jährige Schneiderin Dorothee Buntrock, die inzwischen nach Osnabrück verzogen war und an einer Mädchenschule als Lehrerin für Wäschezuschneiden unterrichtete. Der leitende Ermittler, Kriminalkommissar Schmidt aus Magdeburg, verhaftete die Frau dort am 8. Januar 1892.

Dorothee Buntrock
Dorothee Buntrock

Dorothee Buntrock gesteht

Zunächst stritt Dorothee Buntrock energisch ab, etwas mit dem Tod von Emma Kasten zu tun zu haben. Dumm für sie, dass sie noch anderthalb Jahre später das Kleid der Toten auftrug. Zeugen wie die Tante von Emma Kasten identifizierten das Kleidungsstück. Danach gestand Dorothee Buntrock kleinlaut ein, zumindest am Verbrechen beteiligt gewesen zu sein. Der Mörder sei aber ihr ehemaliger Liebhaber Fritz Erbe gewesen. Sie konnte dem Kommissar Briefe von Erbe vorzeigen, aus denen eindeutig hervorging, dass der Schreiber Täterwissen besaß.

Sie selbst, so Dorothee Buntrock weiter, habe ihrem Geliebten geholfen, Emma Kasten an einen vereinbarten Treffpunkt zu führen, wo er die junge Frau überwältigt habe. Sie habe dem Opfer auch den Kopf festgehalten, als Fritz Erbe der Emma Kasten die Gurgel durchgeschnitten habe, gab sie zu. Überall sei das Blut herumgespritzt, eine schreckliche Sauerei sei das gewesen. Sie habe der Toten dann ihr Kleid ausgezogen und eine goldene Uhr mit Kette sowie mehrere Ringe abgenommen. Und 60 Mark in bar. Mehr habe sie ja nicht gehabt, die Kasten.

Der Nebenbuhler

Kommissar Schmidt musste nicht lange nach Fritz Erbe suchen. Die Briefe enthielten seine momentane Wohnanschrift. Schmidt reiste noch am selben Tag, am 8. Januar 1892, von Osnabrück nach Bielefeld. Dort verhaftete er am Abend den ehemaligen Glaser Fritz Erbe, der im Evangelischen Vereinshaus abgestiegen war und sich inzwischen als freischaffender „Handelsagent“ verdingte.

Fritz Erbe
Fritz Erbe

Fritz Erbe ließ sich von den Beweisen allerdings nicht so leicht einschüchtern wie seine ehemalige Geliebte. Er leugnete, an dem Mord beteiligt gewesen zu sein. Stattdessen nannte Erbe dem Kommissar einen anderen Tatverdächtigen. Die Buntrock habe ihn nämlich wegen eines Nebenbuhlers verlassen. Habe sich von dem ein Balg machen lassen, das liederliche Flittchen. Carl Behrens hieße der Mistkerl. Und dem Behrens sei so eine Schandtat zuzutrauen. Habe sich ja schon nach Amerika abgesetzt. Der wisse wohl warum, der Halunke.

Dorothee Buntrock hatte die Sache mit dem Kind etwas anders geschildert. Erbe habe sich einfach aus dem Staub gemacht, als sie seinen Sprössling zur Welt gebracht habe. Er wollte nicht dafür aufkommen, der Schuft.

Ganovengarn

Kommissar Schmidt hielt Erbes Beschuldigungen für das typische Ganovengarn. Immer, wenn es eng wurde, zauberten sie irgendeinen mysteriösen Fremden, deren Nachname ihnen – leider, leider – entfallen war, aus dem Hut. Oder einen Typen, der gerade ausgewandert und für die Polizei nicht greifbar war. Schmidt musste dem Hinweis natürlich nachgehen. Aber er war längst sicher, dass Erbe der Mörder war. Was er in den Briefen gelesen hatte, hatte ihn restlos von dessen Schuld überzeugt.

Doch es sollte noch schlimmer kommen. Bei der Kriminalpolizei Magdeburg ging ein Hinweis ein, der dem Fall eine ganz neue Dimension verlieh. Denn danach hatte es Kommissar Schmidt nicht länger mit einem einfachen Raubmord zu tun. Sondern nun ermittelte er gegen zwei kaltblütige Serienmörder. Und niemand vermochte zu sagen, wie viele Frauen diesem Duo infernale möglicherweise noch zum Opfer gefallen waren.

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