Wer in Santa Cruz bei einem zugelassenen Waffenhändler eine Schusswaffe kaufte, musste sich ausweisen und registrieren lassen. Die Geschäftsinhaber schickten diese Käuferlisten an die Polizei. Die Beamten glichen sie mit den Kriminalakten ab. Vorbestrafte Personen durften keine Handfeuerwaffen besitzen.
Im Frühjahr 1973 fiel dem Polizeibeamten Terry Medina vom Santa Cruz Sheriff Department bei solch einer Routineüberprüfung der Name Edward Kemper auf. Kemper hatte kürzlich eine Pistole Kaliber .44 erworben und war laut den Unterlagen vorbestraft. Um was für ein Verbrechen es sich genau gehandelt hatte, konnte Medina nicht feststellen. Denn das Gericht hatte die Akte versiegelt. Zum Zeitpunkt des Verbrechens war Kemper offensichtlich noch nicht volljährig gewesen.
»The Jury Room«
Ausgerechnet »Big Ed« Kemper, dachte Terry Medina. Diesem Jungen hätte er so etwas gar nicht zugetraut. Praktisch alle Cops von Santa Cruz kannten »Big Ed«. Kemper hing häufig mit den Jungs vom Revier nach Feierabend im »Jury Room« ab, einer Kneipe, in der sich vor allen Dingen Polizisten trafen. Jeder dort mochte »Big Ed«. Er war freundlich, höflich, hatte gute Manieren, hörte aufmerksam zu und war kein Wichtigtuer. Der einzige Spleen von ihm: Er stand auf John Wayne. »Big Ed« war nach dem Dafürhalten von Medina und den anderen Polizisten ein Pfundskerl. Ein Pfundskerl mit einer Riesenknarre, die man ihm nun abnehmen musste. Das konnte zum Problem werden.
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Der Pfundskerl mit der Riesenknarre
Terry Medina schickte Michael Aluffi los, den jüngsten Kriminalbeamten im Team. Aluffi traf in der Ord Street ein und fand die angegebene Adresse nicht. Die Häuser waren verwirrend nummeriert. Der Zufall wollte es so, dass in diesem Moment Edmund Kemper in seinem Wagen vorfuhr und neben dem Haus seiner Mutter parkte. Aluffi ging zu ihm hinüber. Bevor er ihn erreichte, hatte sich »Big Ed« bereits aus dem Fahrzeug gewuchtet und den Kofferraum geöffnet. Aluffi bekam plötzlich ein mulmiges Gefühl. Er beschleunigte seine Schritte, die rechte Hand am Knauf seines Revolvers.
Kemper langte in den Kofferraum. Michael Aluffi kam ihm zuvor: »Hi, Ed. Genau wegen dieser Sache bin ich hier.« Der Kofferraum war komplett leer bis auf ein Bündel Stoff. Das Tuch war um die gesuchte .44er Pistole gewickelt. Aluffi erklärte Kemper, weshalb er gekommen war. Kemper hörte sich alles ruhig an. Er ließ sich die Pistole widerstandslos abnehmen. Für Aluffi und das Sheriff Department war die Angelegenheit damit erledigt. Kempers Pistole käme in die Asservatenkammer. Doch die Polizei würde weder Anzeige erheben, noch eine Verwarnung aussprechen.
Verfolgungswahn
Edmund Kemper jagte die im Grunde genommen harmlose Episode jedoch eine Heidenangst ein. Er befürchtete, dass ihm die Polizei auf die Spur gekommen war. Er witterte eine Falle. Er war überzeugt, dass ihm nicht mehr viel Zeit bliebe, bis sie ihn einbuchteten. Bevor dies geschah, musste er noch etwas erledigen. Eine Sache, die ihm mehr auf den Nägeln brannte als alles andere. Eine weitere Frau würde sterben müssen. Eine, die den unbändigen Hass, den er für alle Frauen empfand, über viele Jahre genährt hatte: seine eigene Mutter.
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Weitere Kapitel zum Fall Edmund Kemper
- Edmund Kemper – Der Co-ed Killer
- (2) Aiko Koo und Cindy Schall
- (3) Rosalind Thorpe und Alice Liu
- (4) Kommissar Zufall
- (5) Die Ermordung der eigenen Mutter
- (6) Edmund Kemper stellt sich
- (7) Edmund Kemper - Kindheit
- (8) Edmund Kemper ermordet seine Großeltern
- (9) Edmund Kemper - Modus Operandi
- (10) Der Prozess gegen Edmund Kemper
- (11) Edmund Kemper als Forschungsobjekt
- (12) Filme über Edward Kemper
- (13) Bücher über Edmund Kemper