(8) Edmund Kemper ermordet seine Großeltern

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Edmund Kemper kam Weihnachten 1963 zu seinen Großeltern auf deren sieben Hektar große Ranch in North Fork, Kalifornien. Er hielt sich dort für den Rest des Schuljahrs auf. Die Sommerferien verbrachte er vorübergehend wieder bei seiner Mutter, die inzwischen Clarnell Starnberg hieß, und ihrem neuen Mann. Danach kehrte er erneut zu den Großeltern zurück.

Edmund Emil Kemper III war alles andere als glücklich über dieses Arrangement. Seine Familie schob ihn von einem Ort zum anderen. Edmund Kemper war inzwischen 15 Jahre alt, bereits 1,93 Meter groß und verhaltensauffällig. Edmund Kemper war eine tickende Zeitbombe. Sein Frust und seine Wut wuchsen täglich. Aber niemand wusste, wie man mit dieser Wut umgehen sollte. Im Gegenteil. Die Personen in seinem direkten Umfeld schienen geradezu erpicht darauf zu sein, diese alles verzehrende Wut noch weiter zu befeuern.

Maude Kemper

Kemper missfiel die Art und Weise, wie ihn seine Mutter behandelte. Man könnte nun annehmen, dass er sich bei seiner Großmutter geborgen fühlte, weil er in ihr eine Verbündete entdeckte. Auch sie konnte Clarnell nicht ausstehen. Weit gefehlt. Denn in Wirklichkeit legte seine Großmutter ähnliche Verhaltensweisen wie seine Mutter an den Tag. Sie mäkelte dauernd an ihm herum. Sie sagte ihm, was er zu tun und was er zu lassen hatte. Sie machte ihm unmissverständlich klar, was für ein Nichtsnutz er war.

Kempers Tötungsfantasien bekamen Zuwachs. Nun sinnierte er nicht mehr nur darüber, wie er seine Mutter töten und verstümmeln würde. Jetzt war auch seine Großmutter in den erlauchten Kreis aufgenommen. Nicht nur das. Wenn alle Welt ihn hasste, wie sich Edmund Kemper inzwischen einbildete, dann sollte auch der gesamte Planet zum Teufel gehen. Er malte sich nun in Gedanken aus, wie er die Bewohner seiner Heimatstadt massakrierte und ihre Leichen schändete. Die Mordserie, die Edmund Kemper 1972 begann, wurde acht Jahre vorher von einem 15-Jährigen ausgedacht.

Am Nachmittag des 27. August 1964 stritt Edmund Kemper mit seiner 66-jährigen Großmutter Maude Kemper. Die Wut, die sich eigentlich gegen seine Mutter richtete, hatte er inzwischen auf seine Großmutter übertragen. Es reichten ein paar Bemerkungen und bei Kemper flogen alle Sicherungen raus. Er schnappte sich das Gewehr, das ihm sein Großvater zu Weihnachten geschenkt hatte.

Maude Kemper interpretierte die Situation falsch. Sie hielt ihrem Enkel weiterhin Vorträge. Er solle bloß nicht wagen, wieder auf Vögel zu schießen. Tu dies nicht, tu das nicht. Edmund Kemper wollte keine Vögel schießen. Heute würde er die Jagdsaison auf Menschen eröffnen. Kemper drehte sich um und schoss seiner Großmutter mitten ins Gesicht. Als sie auf dem Küchenboden lag, feuerte er ihr zwei weitere Kugeln in den Rücken. Dann schnappte er sich ein Küchenmesser und stach wie von Sinnen auf sie ein.

Edmund Emil Kemper Senior

Kemper hatte zwar schon etliche Jahre über das Töten von Menschen fantasiert. Dennoch war sein erster Mord eine eher spontane Tat, die er nicht wirklich geplant hatte. Doch was danach passierte, zeigte im Ansatz schon, aus welchem Holz dieser Edmund Kemper geschnitzt war. Ihm wurde nämlich klar, dass sein Großvater wohl oder übel nach der Oma suchen würde. Und wenn er dann ihre Leiche fände, hätte Edmund Emil Kemper III eine Menge Ärger am Hals. Just in diesem Moment fuhr Edmund Emil Kemper Senior in der Einfahrt vor.

Der 15-jährige Enkelsohn ging zum Fenster und beobachtete ihn. Als Kemper Senior aus dem Wagen stieg, schoss ihn Kemper III nieder. Später behauptete Edmund Kemper gegenüber der Polizei, er habe seinem Großvater den Schmerz ersparen wollen, die eigene Frau tot aufzufinden, zudem erschossen vom Enkel. Wieder so einer »gnadenvoller« Akt der Marke Kemper. Die Psychologen hingegen sahen das Verbrechen als die symbolische Tat par excellence. Fast schon lehrbuchhaft. Denn eigentlich habe Kemper seine Eltern dafür bestrafen wollen, wie sie mit ihm umgesprungen waren. Nun mussten seine Großeltern als Ersatz herhalten, um sich für die ständigen Zurückweisungen zu rächen.

Ein relaxter Doppelmörder

Man kann die Situation aber auch pragmatisch interpretieren. Zunächst beseitigte Edmund Kemper mit seinem Großvater einen potenziellen Zeugen. Dann versteckte er die Leiche seiner Oma im Schlafzimmer und den Leichnam seines Opas in der Garage. Das klingt eher danach, als habe er seine Tat ursprünglich vertuschen wollen. Danach war der jugendliche Doppelmörder aber erst einmal mit seinem Latein am Ende. Er rief schließlich seine Mutter an. Er schilderte ihr, welches unglaubliche Verbrechen er gerade begangen hatte. Er fragte sie, was er tun solle. Clarnell drängte ihren Sohn, die Polizei zu benachrichtigen und sich zu stellen. Es gab keinen anderen Weg.

Edmund Kemper tat, wie ihm geheißen. Er verständigte die Polizei. Als die Beamten die Ranch erreichten, erwartete sie ein völlig entspannter Edmund Kemper auf der Veranda des Hauses. Die Polizisten zogen jemanden vom Jugendamt hinzu, um den Jungen zu vernehmen. Fast schon unbeteiligt schilderte er, was geschehen war. Ein Satz aus diesem Verhör blieb lebenslang an ihm haften. Er habe seine Großmutter getötet, um zu sehen, wie sich das anfühle. Das klang nach dem Inbegriff des eiskalten, empfindungslosen Mörders, insbesondere weil ein 15-Jähriger diese Bemerkung machte. Angesichts der Familienverhältnisse bei den Kempers war die Sache natürlich weitaus komplizierter.

In der Klapse – Atascadero State Hospital

Das kalifornische System war überfordert mit so einem frühreifen Mörderfrüchtchen. Die Behörden hatten keine Ahnung, wie sie mit dem Jungen umgehen sollten. Zunächst ließ man ihn von Psychiatern begutachten. Diese diagnostizierten eine paranoide Schizophrenie. Das war in gewisser Hinsicht eine gute Nachricht. Man verstand zwar immer noch nicht, warum er die Verbrechen begangen hatte. Aber das musste man auch nicht länger. Denn der Junge galt ja nun offiziell als bekloppt. Auch wenn dieser irre Edmund Kemper einen IQ von 145 hatte, wie die Tests ergaben. Genie und Wahnsinn lagen bekanntlich häufig nah beieinander. Eine Binsenweisheit, die sich wieder einmal bestätigte.

Edmund Kemper - Atascadero State Hospital
Atascadero State Hospital

So landete der 15-jährige Edmund Kemper statt in einem Jugendknast oder einer Erziehungsanstalt für verhaltensauffällige Jugendliche im Atascadero State Hospital, einer geschlossenen forensischen Klinik. Dort saß die Crème de la Crème der kalifornischen Schwerstkriminellen mit amtlich beglaubigtem Dachschaden ein. Auf dieser Kaderschmiede für angehende Perverse bekam Edmund Kemper das Rüstzeug eines Serienkillers vermittelt. Zum Beispiel, wie man Autotüren so manipulierte, dass sie sich von innen nicht mehr öffnen ließen. Oder dass man tunlichst keine Zeugen hinterließ.

Edmund Kemper - Atascadero State Hospital
Atascadero State Hospital

Ein wissbegieriger Bursche

Edmund Kemper galt in Atascadero als pflegeleichter Insasse. Aufgrund seines Alters und seiner hervorstechenden Intelligenz zählte er zu den Lieblingen der behandelnden Ärzte. Er wusste diesen Umstand zu seinem Vorteil zu nutzen. Er zeigte Interesse an der Arbeit der Ärzte. Die Psychiater waren angenehm überrascht. Normalerweise betrachteten die Patienten sie als natürliche Feinde. Bereitwillig erklärten die Ärzte dem wissbegierigen Jungen, wie sie methodisch vorgingen. Sie erläuterten ihm detailliert, wie sie einen psychologischen Test oder ein komplettes Gutachten erstellten.

Kemper durfte ihnen dabei sogar assistieren und bekam dadurch erstklassige Informationen aus erster Hand. Er prägte sich ein, wie unterschiedliche Antworten zu bestimmten Testfragen von den Psychiatern bewertet wurden. Als er dann selbst begutachtet wurde, bestand er alle psychologischen Evaluationen mit Bravour. Mit 21 Jahren verließ Edmund Kemper die geschlossene Anstalt von Atascadero und war sechs Jahre nach dem Doppelmord wieder in Freiheit – angeblich geheilt.

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Maude und Edmund Emil Kemper Sr. - Edmund Kemper (8/10)
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Maude und Edmund Emil Kemper Sr. - Edmund Kemper (8/10)
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Am 27. August 1964 bringt Edmund Kemper mit 15 Jahren seine Großeltern um.
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