(16) Prozess in Orlando 1980

0

Das zweite Verfahren gegen Ted Bundy wegen Entführung und Ermordung von Kimberly Leach fand ab dem 7. Januar 1980 in Orlando, Florida, statt. Dieses Mal ließ sich Bundy von den Verteidigern Lynn Thompson und Julius Africano verteidigen. Sie probierten eine andere Art der Prozesstaktik. Sie plädierten auf Unzurechnungsfähigkeit. Das letzte Schlupfloch, das Bundy verblieben war.

Ted Bundys Verhalten vor Gericht gab durchaus Anlass, an diese Argumentation zu glauben. Anders als in den vorangegangenen Prozessen wirkte Bundy während des Verfahrens unglaublich aufgewühlt und leicht erregbar. Bei einer Gelegenheit verlor er komplett die Beherrschung. Er schrie einen Zeugen an, mit dessen Aussage er nicht einverstanden war. Bundys Selbstsicherheit, die er ansonsten bei Auftritten in der Öffentlichkeit demonstrativ zur Schau stellte, schien zu bröckeln. Vielleicht war ihm aufgegangen, dass er die entscheidende Schlacht bereits im ersten Prozess in Miami verloren hatte. Vielleicht war es auch nur kühl kalkulierte Show des gewohnheitsmäßigen Manipulators, um die Geschworenen von seiner Unzurechnungsfähigkeit zu überzeugen.

Embed from Getty Images

65 Zeugen und ein Webfehler

Staatsanwalt George Dekle präsentierte 65 Zeugen, die Bundy entweder direkt oder indirekt mit dem Verschwinden von Kimberly Leach in Verbindung brachten. Der Starzeuge der Anklage hatte ein sich sträubendes Mädchen beobachtet, das von einem Mann in einen weißen Lieferwagen gezerrt wurde. Der Lieferwagen habe direkt vor Kimberly Leachs Schule geparkt. Der Zeuge identifizierte Ted Bundy als jenen Mann, den er gesehen hatte. Allerdings gelang es der Verteidigung, die Aussage in Zweifel zu ziehen. Denn der Zeuge war nicht in der Lage, den genauen Tag zu benennen, an dem er diesen Vorfall beobachtet hatte.

Doch George Dekle legte weitere überzeugende Beweise vor. Im Lieferwagen und an Kimberly Leachs Leiche hatte man Textilfasern sichergestellt, die identisch mit den Fasern einer Jacke waren, die Bundy bei seiner Verhaftung getragen hatte. Ein Sachverständiger erklärte dem Gericht, dass speziell diese Fasern einen ungewöhnlichen Produktionsfehler aufwiesen. Dieser Umstand mache sie nahezu einzigartig. Und es sei höchst unwahrscheinlich, dass sie von einer anderen Person herrührten. Ted Bundy und Kimberley Leach müssten direkten Kontakt miteinander gehabt haben. Eine andere plausible Erklärung gebe es nicht. Mit diesem Gutachten war Ted Bundy erledigt.

Am 7. Feburar 1980 zogen sich die Geschworenen zur Beratung zurück und sprachen den Angeklagten auch in diesem Mordfall schuldig. Im Gerichtssaal brach spontaner Jubel aus. Am 9. Februar schließlich, dem zweiten Jahrestag des Verschwindens von Kimberly Leach, verkündete der Richter das Strafmaß.

Embed from Getty Images

Ted Bundy und Carole Anne Boone – Heiratsantrag im Mordprozess

Wie zuvor räumte das Gericht dem Angeklagten das Recht ein, um eine milde Strafe zu bitten. Bundy nutzte die Gelegenheit für einen besonderen Knalleffekt. Ted Bundy rief seine Ex-Kollegin Carol Anne Boone als Leumundszeugin in den Zeugenstand. Mitten in der Zeugenbefragung bat er sie, seine Frau zu werden. Sie gab ihm daraufhin das Jawort. Dem verblüfften Richter eröffnete der naseweise Bundy anschließend, dass sie nach den Gesetzen des Staates Florida offiziell verheiratet wären, da die Zeugin ihre Aussage unter Eid gemacht habe.

Bundy hatte die Zeit in der juristischen Bibliothek scheinbar ausgiebig genutzt, um obskuren Gesetzeslücken nachzuspüren. Er hätte sie für sinnvollere Recherchen nutzen sollen. Denn kurz danach verurteilte das Gericht Ted Bundy zum dritten Mal zum Tode. Seine Flitterwochen verbrachte Bundy im Staatsgefängnis von Florida in Raiford.

Ted Bundys Kind

Im Oktober 1982 brachte Ehefrau Carol Anne Boone eine Tochter zur Welt und gab als deren Vater Ted Bundy an. Es ist unklar, ob dies den Tatsachen entspricht. Den Häftlingen in Raiford waren keine intimen Kontakte zu ihren Ehepartnern gestattet, so wie das heutzutage in vielen Gefängnissen gang und gäbe ist. Allerdings behauptet die Sachbuchautorin Ann Rule, dass die Insassen häufiger das Wachpersonal bestochen hätten, um ungestört Zeit mit ihren Frauen oder Freundinnen verbringen zu können. Ehefrau Carol Anne Boone hielt den Kontakt zu Ted Bundy bis 1986 aufrecht. Dann verließ sie Florida, beantragte die Scheidung und nahm einen neuen Namen an.

weiter zu —> (17) Im Todestrakt

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein