Rodney Alcala wurde 1979 angeklagt, die 12-jährige Robin Samsoe entführt und ermordet zu haben. Bereits elf Jahre zuvor, 1968, hatte er sich eines ähnlichen Verbrechens schuldig gemacht. Damals hatte er ein achtjähriges Mädchen vergewaltigt. Das Kind überlebte zum Glück die schreckliche Tat, weil die Polizei rechtzeitig eingeschritten war. 1971 verurteilte ihn ein kalifornisches Gericht in dieser Sache zu einer äußerst milden Haftstrafe von rund zwei Jahren. 1979 kam er nicht so leicht davon. Die Geschworenen sprachen ihn schuldig und verhängten die Todesstrafe.
Rodney Alcala legte Berufung gegen das Urteil ein, bekam Recht und löste damit eine Prozesslawine aus, die Jahrzehnte fortdauern sollte. Die zahlreichen Verfahren brachten weitere grausame Verbrechen ans Tageslicht. Rodney Alcala war ein Serienmörder, ein sexueller Sadist der übelsten Sorte, der zehn Jahre lang unentdeckt seine Taten begangen hatte. Bis heute konnten ihm insgesamt sieben Morde nachgewiesen werden. Die tatsächliche Opferzahl aber, so befürchten Ermittler, könnte weitaus höher liegen.
Aufgrund seiner Vorgehensweise, seiner fraglos vorhandenen Intelligenz, seiner sozialen Fähigkeiten, seiner Art, die Leute hinsichtlich seines Charakters zu blenden, und wegen seines sexuellen Sadismus vergleichen inzwischen viele Experten den Fall Rodney Alcala mit Ted Bundy.
Rodney Alcala – Dating Game Killer
Man stelle sich folgendes Szenario vor: Rudi Carell reißt seine tagelang akribisch einstudierten Gags. Susi haucht dazu lasziv aus dem Off eindeutige Zweideutigkeiten. Auf dem Kandidatenstuhl rutscht derweil aufgeregt eine fesche, junge Maid herum und überlegt krampfhaft, welche der drei betont lässigen Testosteronbomben, die sie bisher nicht zu Gesicht bekommen hat, sie nun zu ihrem »Herzblatt« küren soll. Schließlich hat die Frau ihre Wahl getroffen, die immer etwas billig wirkende Trennwand fährt zurück und ihr steht breit lächelnd der vermeintliche Hauptgewinn gegenüber – Mr. Serienkiller höchstpersönlich.
Zu abgefahren? Zu unglaubwürdig? Von wegen. Die besten Fernsehdrehbücher schreibt immer noch das wahre Leben. Zwar ereignete sich dieser legendäre Auftritt nicht wirklich in »Herzblatt«. Doch das amerikanische Vorbild der Sendung hatte dieses zweifelhafte Highlight der Fernsehgeschichte tatsächlich im Programm. »The Dating Game«, wie die Kuppelshow im Original hieß, lief nach demselben Schema wie »Herzblatt« ab. Am 13. September 1978 stellte Moderator Jim Lang den damals 35-jährigen Rodney Alcala als Fotografen vor, »den sein Vater einst im Alter von 13 Jahren in der Dunkelkammer erwischte – bereits voll entwickelt.«
Diesen Pfad der Zoten sollte die Sendung nicht mehr verlassen. Die leicht überdreht wirkende Kandidatin Cheryl Bradshaw, eine Lehrerin aus Phoenix, Arizona, fragte zum Beispiel: »Ich plane ein großes Abendessen und ihr seid mein Hauptgang. Verratet mir, als welches Gericht ihr euch mir darbietet und wie ich mir das bildlich vorzustellen habe.« Worauf Rodney Alcala im Interview antwortete: »Also, ich bin eine Banane. Eine echt scharf aussehende Banane. Und du darfst mich schälen.« Nun ja. Die beiden anderen Kandidaten an diesem Abend scheinen noch größere Krampen gewesen zu sein, anders lässt sich Bradshaws Wahl nicht erklären.
Rodney Alcala – Wolf im Schafspelz
Auf den ersten Blick hatte sich die Lehrerin aus Phoenix ja auch einen gut aussehenden Jüngling mit Zahnpastalächeln und braunen Zottellocken geangelt. Sobald das Scheinwerferlicht erloschen war, entpuppte sich Cheryls vermeintlicher Hauptgewinn, die rattenscharfe Banane, allerdings als Niete der gemeingefährlichsten Sorte.
Denn was niemand zu dem Zeitpunkt im Studio ahnte: Das aalglatte Antlitz Alcalas hatte bereits ein Fahndungsplakat des FBI geziert. Der Mann hatte zudem mehrere Jahre im Gefängnis verbracht. Und erst kürzlich hatten ihn Kriminalbeamte verhört, die in zwei ungeklärten Mordfällen ermittelten. Dieses angebliche Herzblatt war in Wirklichkeit zu unglaublicher Brutalität fähig. Rodney Alcala war ein Killer, der bereits mehrfach getötet hatte.
Das Siegerpärchen bekam vom Sender einen Tagesausflug spendiert. Für Rodney Alcala und Cheryl Bradshaw hatte man eine gemeinsame Tennisstunde und einen Ausflug in den Vergnügungspark Magic Mountain vorgesehen. Wer weiß, was Rodney Alcala an solch einem Tag mit Cheryl Bradshaw angestellt hätte. Im September 1978, als die Sendung ausgestrahlt wurde, steigerte sich Alcala nämlich zunehmend in einen Blutrausch hinein und ging immer höhere Risiken ein. Die Lehrerin musste gespürt haben, dass die charmante Fassade hässliche Risse hatte. Oder wie sie es dreißig Jahre später, angesprochen auf diese Begegnung, ausdrückte: »Ich hatte das Gefühl, mit dem Typ stimmte was nicht.« Cheryl Bradshaw sagte den geplanten Ausflug kurzerhand ab.
Chuck Barris
Wobei man im Rückblick gar nicht mehr sagen kann, von wem bei diesem Trip die größere Gefahr für die Kandidatin ausgegangen wäre – vom Serienmörder Rodney Alcala oder aber von Chuck Barris, dem Erfinder und Macher der Sendung »The Dating Game«. 1981 veröffentlichte jener Barris seine Autobiografie, die George Clooney 2002 als Vorlage für sein Regiedebüt »Geständnisse – Confessions of a Dangerous Mind« benutzen sollte.
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In diesem Buch behauptete der erfolgreiche Producer, seit den 1960er Jahren für den CIA gearbeitet zu haben. Die Show sei nur seine Tarnung gewesen, in Wahrheit habe er im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes 33 Menschen getötet. All die Ausflüge, die man für die Sieger von »The Dating Game« ausgelobt habe, hätten nur dazu gedient, entweder potenzielle Attentatsziele auszuspionieren oder gleich zur Liquidierung von gefährlichen Staatsfeinden zu schreiten.
Der Irrsinn gehörte in diesem Fernsehklassiker definitiv zum Programm. Und der Titel der Sendung sollte für alle Zeiten mit einem der wohlmöglich schlimmsten Serienmörder der USA verknüpft bleiben – Rodney Alcala, der »Dating Game Killer«.
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Weitere Kapitel zum Fall Rodney Alcala
- Rodney Alcala - Der Herzblatt-Killer
- (2) Sunset Boulevard
- (3) Einer von der übelsten Sorte
- (4) Weit über dem Durchschnitt
- (5) John Berger
- (6) Cornelia Crilley
- (7) Ein Urteil mit fatalen Folgen
- (8) Tückische Klippen
- (9) Glimpfliches Ende
- (10) Blackout
- (11) Spurlos verschwunden
- (12) Jill Barcomb
- (13) Georgia Wixted
- (14) Charlotte Lamb
- (15) Jill Parenteau
- (16) Robin Samsoe
- (17) Der erste Prozess gegen Rodney Alcala
- (18) Verteidiger in eigener Sache
- (19) Weitere mögliche Opfer von Rodney Alcala
- (20) Filme zu Rodney Alcala
- (21) Bücher zu Rodney Alcala